Bewertung

Review: #19.07 Ich folge der Sonne

Abschiede von Figuren in "Grey's Anatomy" sind so ziemlich das zweischneidigste Schwert, das die Serie bereithalten kann. Zwischen unwürdigen Off-Screen-Ausstiegen (Alex), dramatischen Charaktertoden (George, Lexies) und lang gestreckten, feinfühligen Exit-Storylines (Cristina Yang, Jackson) gab es schon viele großartige Folgen und viele, die den Erwartungen nicht gerecht wurden. Eine Sache war bei Abschieden jedoch eigentlich immer garantiert: Große Emotionen, starke Charaktermomente, letzte bedeutsame Gespräche mit den anderen Figuren. Und somit hinterlässt dieser Abschied, der immerhin der Hauptfigur der Serie, Meredith Grey, gilt und so merkwürdig emotionslos, wenn nicht sogar spannungsleer initiiert wird, nur Frust und Genervtheit.

Natürlich - es ist kein richtiger Abschied. Ellen Pompeo wird weiterhin das Voice-Over bereitstellen, Meredith wird im Laufe der Staffel noch mal vorbeischauen. Wie es konkret und generell für sie in dieser Serie weitergehen soll, bleibt mehr als offen. Das demonstriert auch Merediths Voice-Over am Ende: Ein richtiges Happy End ist gar nicht von Nöten, denn ihr Leben wird ja weitergehen, mit all seinen Höhen und Tiefen. So ist auch auf einer gewissen Weise verständlich, warum Meredith und Nick keine gemeinsame Fahrt in den Sonnenuntergang beschert wird und die beiden weiterhin in ihrem Will-they-won’t-they-Status verharren. Gleichzeitig jedoch ist das Verhalten von beiden in dieser Folge so unglaublich anstrengend, dass ich meine größte Mühe hatte, nicht bei den Szenen der beiden vorzuspulen. Im Prinzip ist Nick vor allem sauer, weil er nicht in Merediths Entscheidungen und Lebensplanung involviert wird, kann sich aber bis zum Schluss nicht durchringen, Meredith zu signalisieren, an ihrer Seite sein zu wollen. Meredith hingegen ist offenbar kaum in der Lage, Nick an ihrem Leben teilhaben zu lassen und zeigt sich ziemlich unsensibel seinen Bedürfnissen gegenüber. Dass die legendäre 'Pick me, Choose me, Love me'-Rede, die Meredith einst Derek vortrug, nun so umgekehrt wird, dass Meredith sich für sich entscheidet, hinterlässt einen extrem faden Beigeschmack. So wirkt das ganze vielleicht etwas feministischer, aber deutlich unromantischer. Wie soll ich mich denn als zuschauende Person für die beiden begeistern, wenn die Serie es selbst nicht tut? Da hilft es auch nicht, dass Nick Meredith buchstäblich zum Flughafen hinterherfahren will und daran scheitert. Oder, dass Meredith sein Liebesgeständnis, das sie ja eigentlich hören wollte, am Telefon übergeht und so tut, als habe sie ihn nicht verstanden. Die Beziehung von Meredith und Nick konnte mich ja noch nie wirklich berühren und begeistern, aber mit dieser Folge hat man ihr nun quasi den Todesstoß verpasst. In gewisser Weise hätte ich mir gewünscht, Scott Speedman wäre nie für Staffel 19, zurückgekehrt und Merediths letzten richtigen Folgen hätten sich nur auf sie und ihre Kinder konzentriert.

Gleichzeitig bleiben sämtliche Szenen mit anderen Figuren für Meredith aus, viele ihrer langjährigen Freund*innen und Begleiter*innen sind auf Statist*innenrollen reduziert und dürfen gefühlt einmal in die Kamera winken und weitergehen. Bailey und Webber schmeißen eine Abschiedsparty, Jo und Link sind für den Kuchen verantwortlich und vermasseln es (was zugegebenermaßen ganz süß war), Owen, Levi, ja gefühlt alle sind anwesend, aber keine*r darf Meredith noch was auf den Weg mitgeben oder sich bedanken. Damit wirkt das Geschehen oberflächlich und hinterlässt den Zuschauenden relativ kalt. Die einzige Person, die tatsächlich eine schöne Szene mit Meredith bekommt, ist Simone, was ich als offizielle Stabsübergabe verstanden habe: Von der offiziellen Hauptfigur zur nächsten, inoffiziellen. Das wird für mich immer mehr in dieser Folge verdeutlicht: nicht nur, weil Simone quasi Merediths langjährige Alzheimer- und Mutterprobleme-Storylines übernimmt, sondern weil ihrer Hintergrundgeschichte mit einer gescheiterten Verlobung und einem schwierigen Verhältnis mit ihrer Schwester weiter mehr Farbe verliehen wird. Dies gepaart mit ihrem emotionalen Engagement im Fall von Tessa sowie ihrer Slow-Burn-Romance mit ihrem neuen Mitbewohner Lucas rückt Simone immer konsequenter in den Fokus.

Die Anfänger*innen sind und bleiben Lichtblicke in dieser Staffel. Alle Figuren werden Stück für Stück dominanter aufgebaut und sind mir mittlerweile recht sympathisch - sogar Blue, mit dem ich zu Beginn nichts anfangen konnte. Hier sorgt die Affäre mit Jules für viel Spaß, da die beiden eine großartige Chemie miteinander haben und es deutlich wird, wie sich ihre sehr unterschiedlichen Charaktere immer mehr voneinander angezogen fühlen. In gewisser Weise erinnern mich die beiden an die Anfänge von Izzie und Alex, was mir als ganz gutes Omen erscheint. Lucas mag ich auch weiterhin sehr, wobei hier die schauspielerischen Fähigkeiten von Niko Terho nicht ganz an die der anderen heranzukommen scheinen. Gerade in der emotionalen Szene mit Caterina Scorsone, die wahrscheinlich stärkste Schauspielerin im momentanen Cast, wird klar, dass er da noch nicht wirklich mithalten kann. Mika darf dagegen durch ihre übersprudelnde Ehrlichkeit und ihre Tollpatschigkeit für Comic Relief sorgen, konnte aber in ihrem taktischen Vorgehen und der Szene mit Helm punkten. Und täusche ich mich und haben dabei nicht auch die Funken gesprüht? Wie dem auch sei: Ich freue mich tatsächlich auf die neue Anfänger*innen-WG in Merediths Haus. Es fühlt sich einfach richtig und bedeutungsvoll an, dass dieses Haus weiterhin als Location hinhalten und nun die Abenteuer neuer Ärzt*innen begleiten darf. Ich bete für eine Wiederholung der legendären Haus-Party aus Staffel 1.

Apropos Helm: Diese kann mich sowieso in dieser Folge am meisten überzeugen. Dass Jaicy Elliot nicht zum Hauptcast zählt, ist wirklich zu bejammern, da Helms neue lapidar-trockene und direkte Art unglaublich angenehm ist und ziemlich cool rüberkommt. Auf diese Weise darf sie weiterhin ihr medizinisches Können unter Beweis stellen und Nick den Kopf wegen Meredith waschen, womit sie einen wichtigen Gegenpol zu den anderen Figuren darstellt. So ist zum einen Teddys Unentschlossenheit bezüglich der Position als Chief unglaublich anstrengend und ihr ständiges Hin und Her mit Webber hinterlässt nicht den Eindruck, dass sie dem Job wirklich gewachsen ist. Zum anderen verhält sich Maggie kontinuierlich absolut furchtbar dem armen Winston gegenüber und verliert durch ihre Verständnis- und Rücksichtslosigkeit Sympathiepunkte. Ich bin hier völlig auf Winstons Seite: Maggie bedrängt ihn mit ihrem Wunsch, bei der Herzchirurgie zu bleiben und zeigt sich seinen Bedürfnissen völlig unaufgeschlossen gegenüber. Vielleicht kann ihr Amelia ja ins Gewissen reden, zu der sie nun flüchtet. Amelia hat selbst nicht sonderlich viel in dieser Folge zu tun, sorgt jedoch in dem Patient*innengespräch für die berührendste Szene, indem sie von ihrer Auseinandersetzung mit dem Tod ihres erstgeborenen Sohnes Christopher erzählt und so zur völlig überforderten Mutter Meadow durchdringen kann. Wie gesagt: Zurzeit ist Caterina Scorsone die stärkste Schauspielerin im Cast.

Fazit und Ausblick

Merediths letzte richtige Folge vor Ellen Pompeos Pause/Abwesenheit/Ausstieg hatte ich mir wahrlich anders vorgestellt. Dabei überwiegt nicht nur in dieser Storyline die Enttäuschung, auch bei Teddy oder Maggie breche ich weniger in Jubelrufe als in Kopfschütteln aus. Wenn Nebenfiguren wie die Anfänger*innen oder Helm den Hauptfiguren den Rang ablaufen, zeugt das von keiner wirklich guten Folge, auch, weil sie Merediths Storyline betont offenlässt und somit für mehr Frustration sorgt. Auch Nicks Status in der Serie ist dadurch mit vielen Fragen verbunden.

Daher hoffe ich, dass der Fokus weiter vermehrt auf den Anfänger*innen liegt. Für die anderen Figuren würde ich mir neue und spannende Storylines wünschen. In gewisser Weise habe ich das Gefühl, dass nun die Staffel erst wirklich beginnt und auch ein neuer Druck auf ihr liegt: wie wird sich die Serie ohne Meredith schlagen? Wie können die anderen Charaktere ihre Abwesenheit kompensieren? Ich bin schon gespannt, aber nach dieser sehr merkwürdigen Folge auch eher wieder skeptischer.

Lux H. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


Vorherige Review:
#19.06 Blitzschlag
Alle ReviewsNächste Review:
#19.08 Großer Name

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Grey's Anatomy" über die Folge #19.07 Ich folge der Sonne diskutieren.