Bewertung

Review: #2.06 In den Zwanzigern

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Nachdem #2.05 Brothers mit den halbgaren Brudergeschichten und der Tablettensucht von Kevin nicht voll überzeugen konnte, überrascht man uns in dieser Woche mit der ersten Stand-alone-Episode dieser Staffel. Den Moment fand ich sehr gut gewählt, da die Halloween-Episode sich diese Woche thematisch sehr gut einfügt und zudem mit unheimlich starken Charaktermomenten von der schwächeren vorangegangenen Episode ablenken konnte.

Pearson-Halloween

In der Vergangenheitshandlung spricht man einige Themen an, die der Zuschauer seit Beginn der Serie bereits für sich selbst entdeckt hat, die allerdings noch nie so offen zwischen Rebecca und Jack diskutiert worden. Es geht darum, dass beide ein "Lieblingskind" zu haben scheinen, denn Rebecca kritisiert Jacks Art, stets zu allen "Ja" zu sagen, worum Kate bitten. Jack wiederum heißt es nicht gut, dass seine Frau Randall mit Samthandschuhen anpackt. Mir gefällt es gut, dass die beiden für den Erziehungsstil des anderen nicht blind sind und sich der Problemantik, dass Kate beziehungsweise Randall bevorzugt behandelt werden, bewusst sind. Zwar will weder Jack noch Rebecca wahr haben, dass sie eines ihrer Kinder anders behandeln, doch als Zuschauer hatte man dieses Gefühl bereits sehr häufig.

Das Halloween-Fest der Pearsons brachte jedoch nicht nur diese Grundsatzdiskussion ins Rollen, sondern zeigte auch wunderschöne Momente. Bereits im Alter von zehn Jahren lag Kevin viel am Wohl seiner Schwester und wie Parker Bates dies spielt und seine gute Tate mit einem Schulterzucken abtut, ist einfach nur niedlich. Es ist beeindruckend, dass er sich schon als Kind bemühte, Kate das Leben zu erleichtern. Zunächst dachte man, dass Kevin allein auf die Süßigkeiten-Jagd aus sei, doch als er schließlich all die Leckereien eintauscht, um den Jungen zu "bezahlen", in den sich Kate verguckt hat und der mit ihr auf Kevins Anweisung hin Händchen gehalten hat, kann man nicht anders als Kevin noch mehr ins Herz zu schließen, obwohl er in letzter Zeit einige Sympathiepunkte eingebüßt hat. Kevin hängt diesen Deal zudem nicht an die große Glocke, lediglich Jack sieht, was sein Sohn da gerade getan hat. Hier zeigt sich wieder einmal, was für ein herzensguter Mensch Kevin ist.

In der letzten Episode zeigte Kevin nach einigem Zetern, wie leicht es ihm fällt, Randall als seinen Bruder zu akzeptieren. Während er sich stets zu sträuben scheint, nett zu Randall zu sein, scheint es so, als würde Kevin was Kate angeht genau in die andere Richtung überreagieren und so die Ungerechtigkeit, die er Randall manchmal antut, an Kate wieder gut machen.

Ähnlich wie in der letzten Episode zeigt man uns wieder eine Facette von Randalls leicht zwanghaftem und sehr durchorganisiertem Verhalten. Zuletzt schrieb er eine Checkliste mit Ideen, worüber er mit Kevin reden könnte, nun ist es ein Lageplan für das Einsammeln der Süßigkeiten. Es ist niedlich, wie akribisch Randall bereits in so jungen Jahren vorgeht, zeigt aber auch, wie sehr sich seine Verhaltensweisen mit den Jahren versteift haben und wie sehr sich der Kontrollwahn später auf sein Leben auswirkt.

Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Randall seine Mutter in dieser Episode auf Kyle ansprechen würde, zumal ich mich bisher nicht gefragt hatte, ob Randall weiß, dass Rebecca einst mit Drillingen schwanger war. Dass Randall von einem Fremden erfahren hat, dass er eine Art Ersatz für Kyle war, ist ein harter Schlag und Lonnie Chavis spielt den Schmerz, den Randall dadurch fühlt, ganz wunderbar. Der Junge, der adoptiert wurde und sich dadurch ohnehin ein wenig als Außenseiter fühlt, muss nun auch noch erfahren, dass er den Platz eines anderen Babys eingenommen hat. Denn auch wenn Rebecca ihrem Sohn schonend beizubringen versucht, dass er nicht einfach als Ersatz in die Familie aufgenommen wurde, muss man sich objektiv betrachtet eingestehen, dass es so und nicht anders vor sich gegangen ist. In #1.03 Kyle zeigte man uns, wie schwer sich Rebecca damit tat, Randall in die Familie aufzunehmen und erst als sie ihn nicht mehr als Ersatz betrachtete, konnte sie ihn richtig ins Herz schließen.

Dass sich Randall mit dieser Offenbarung an seine Mutter wandte, unterstreicht einmal mehr, wie nahe sich die beiden stehen. Immer ist Rebecca für ihren Sohn da und versucht, ihn von allem schmerzhaften abzuschirmen. Das Gespräch der beiden ging einem daher sehr nahe, da Rebecca ihrem Sohn nun doch Schmerzen zumuten musste und es ganz klar war, dass Randall an dieser Offenlegung erst einmal zu knabbern haben würde.

Tess

Großes Thema der zweiten Handlungsebene ist die bevorstehende Geburt in Zusammenhang mit dem Nervenzusammenbruch von Randall, der sich erst kürzlich ereignet hat. Genau wie Lonnie Chavis gibt Sterling K. Brown in dieser Episode alles. Den Drang, alles zu planen und kontrollieren zu können, haben wir in den Flashbacks bei Randall sehr deutlich sehen können und nun zeigt man uns einen ganz anderen Randall. Ähnlich wie in #1.15 Untiefen, als Randall einen Nervenzusammenbruch hatte, da ihm alles zu viel wurde, sehen wir ihn nun erneut und Randall steht vollkommen neben sich. Egal ob im Umgang mit Beth und Rebecca oder bei der Montage des Ventilators, Randall wirkt niedergeschmettert und vollkommen verunsichert. Grund dafür ist die immer näher rückende Geburt seines ersten Kindes und der große Stress, der damit einhergeht. Zwar haben wir nicht miterlebt, wie genau es zu dem Nervenzusammenbruch kam, doch es ist offensichtlich, dass die Folgen und auch die Ursache dafür Randall noch immer belasten. Er wirkt zittrig und scheint zu wissen, dass Beth ihn nicht mehr allein lassen will, da sie sich große Sorgen um ihn macht. Brown spielt diesen neben sich stehenden Randall großartig und man kann ihm die Angst vor der ungewissen Zukunft in jeder Sekunde von den Augen ablesen.

Es kommt bei diesem Handlungsstrang zu zwei wichtigen Unterhaltungen. Die eine findet im Baumarkt statt, wo Randall den nicht funktionierenden Ventilator eintauschen möchte und einem völlig Fremden sein Herz ausschüttet. Für mich funktioniert dieses Gespräch sehr gut, da Randall sich vor seiner Familie keine Schwäche eingestehen möchte, vor einem Fremden aber gut zugeben kann, dass ihm alles über den Kopf wächst und dass er nicht weiß, ob er tatsächlich die Verantwortung für ein Baby übernehmen kann. Man schlägt in dieser Situation nicht nur einen Bogen zu Déjà und den Selbstzweifeln, die Randall hatte, bevor er und Beth zu Pflegeeltern wurden. Gleichzeitig zeigt man auch, dass Rann wieder einmal von dem Bedürfnis getrieben wird, perfekt zu sein und sich eingestehen muss, dass er nicht alles im Griff hat. Anders als bei einem Ausflug zu Halloween gibt es bei Kindern keinen Plan, den du dir machen und abarbeiten kannst. Es kommt wie es kommt und man muss mit den verschiedensten unerwarteten Wendungen rechnen. Für ein Abenteuer dieser Art ist Randall nicht ausgelegt, dennoch will er alles daran setzen, ein guter Vater zu werden. Dieses tiefe Bedürfnis treibt einem zum wiederholten Mal in dieser Episode die Tränen in die Augen und auch wenn der Baumarkt-Angestellte, mit dem sich Randall unterhält, uns als Zuschauer nicht viel bedeutet, so wirken seine Worte beruhigend.

Ein weiteres bedeutendes Gespräch führen Beth und Rebecca. Beth, die kurz vor der Geburt steht, weiß nicht, wie sie mit ihrem Mann umgehen soll und kann nicht in Worte fassen, in was für einem miserablen Zustand er sich befand, als Randall vor lauter Stress sein Augenlicht verlor. Da helfen auch Rebeccas Versicherungen, dass er sich wieder fangen wird, nichts. Obwohl die beiden Frauen sich in dieser Angelegenheit nicht einigen können, wirkt Rebeccas Anwesenheit beruhigend auf ihre Schwiegertochter.

Gekrönt wird der Ausflug ins Jahr 2008 mit der Geburt von Tess. Eben noch steht Randall zwischen den Ventilatoren, im nächsten Moment kniet er neben seiner Frau und bringt per Hausgeburt seine Tochter zur Welt. Bevor Tess das Licht der Welt erblickt, versichert Randall Beth noch, dass er sich wieder gefangen hat und für sie und das Baby da sein wird. Ganz wie der Baumarkt-Angestellte ihm sagte, muss man nicht alle Antworten auf seine Fragen wissen. Das Baby bringt die Antworten mit sich und genau in diesem Sinne agiert Randall nun und weiß instinktiv, wie er seiner Frau beizustehen hat. Hand in Hand bringen sie ihr Kind auf die Welt und beschweren der Episode einen weiteren Moment, der zu Tränen rührt.

Rebecca

In beiden Erzählebenen laufen die Geschehnisse darauf hinaus, dass sich Rebecca zurück an den Tag der Geburt ihrer Kinder und der Aufnahmen von Randall in die Familie erinnert. In der jüngeren Vergangenheit ist es die Geburt von Tess, durch die Rebecca daran denken muss, wie sie damals Randall bei sich aufgenommen hat. 20 Jahre zuvor ist es die Unterhaltung mit ihrem Adoptivsohn, durch die das Thema aufgegriffen wird. Somit entsteht ein Flashback im Flashback und wir erfahren, wie Rebecca damals ihre Zweifel und ihre Trauer hinter sich lies und Randall in der Familie willkommen hieß. Es ist ein weiterer emotionaler Höhepunkt der Episode, wie sie zu Baby-Randall in der einen und Baby-Tess in der anderen Erzählebene spricht. In beiden Fällen beginnt für Rebecca ein neues Kapitel, das sowohl mit Freude als auch mit Trauer verbunden ist. Gegenüber Baby-Randall muss sich Rebecca mit dem Tod von einem Drilling abfinden und bei Baby-Tess ist es das Fehlen von Jack, das ihre Freude trübt.

Schon häufig habe ich mich gefragt, wie und wann die Beziehung von Rebecca und Miguel begann. Auf diese Frage liefert man uns ganz am Ende der Episode eine Antwort. Es wirkt passend, dass Rebecca sich nicht kurz nach dem Tod von Jack in eine neue Beziehung, noch dazu mit seinem besten Freund, stürzte. Stattdessen dauerte es Jahre, bis sie zufällig wieder in Kontakt mit Miguel trat. Für mich ist die Lösung dieses Dilemmas gut gewählt, denn auch wenn man Jack nicht ersetzt sehen möchte, wissen wir nun, dass Rebecca lange um ihn getrauert hat und dies noch immer tut, weshalb man es ihr durchaus gönnt, dass sie noch einmal ein neues Kapitel aufschlagen und etwas Glück genießen kann.

The 20's

Die enge Verbundenheit zwischen Kevin und Kate zeigt sich auch in der Handlung aus dem Jahr 2008. Vor dem Rest der Familie hätten sie sich sicher nicht eingestanden, dass ihr Leben miserabel verläuft, doch vor einander schämen sich die beiden für ihre Misserfolge nicht. In der Pilotfolge sahen wir damals, dass Kevin und Kate gemeinsam in L.A. lebten und es scheint, als sei Kate am Ende der Folge zu ihrem Bruder gezogen. Die beiden hatten sich vorgenommen, ihr Leben voran zu bringen, was augenscheinlich bei Kevin funktioniert hat, da er sich als Schauspieler im Nachhinein tatsächlich beweisen konnte. Kate hingegen hat ihre Abendschule in Pittsburgh abgebrochen und so fragt man sich nun, was sie die ganzen Jahre über in L.A. getrieben hat. Zwar wissen wir, dass sie als Kevins Assistentin arbeitete, ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass dies ihre einzige Beschäftigung war. Einen weiteren Flashback zurück in diese Zeit würde ich daher sehr gern sehen.

Abgesehen davon zeigt man uns in dieser Geschichte Aspekte von Kevin und Kate, die wir so nur selten sehen. Kevin ist ein erfolgloser Schauspieler, der auf einen Job wartet und gleichzeitig als Aushilfe beim Friseur arbeitet, wobei er nicht davor zurückschreckt, in seiner Verzweiflung seinem Freund und Mitbewohner einen Job streitig zu machen. Diese unsichere Seite von Kevin kennen wir vom Beginn der Serie, wodurch man das Gefühl hat, dass sich der Kreis schließt. Man zeigt uns, wie Kevin an seinen Job als "The Manny" gekommen ist und außerdem wird deutlich, wie es damals um Kevin stand und in was für einem Zustand er gewesen sein muss, als er seine Ehe mit Sophie gegen den Baum fuhr. Kate auf der anderen Seite lies ihr Leben schweifen, stopfte sich unglücklich mit Junkfood voll und starrte auf die Stelle, an er ihr Elternhaus einst gestanden hat. Zudem lies sie sich auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann ein. Man erklärt hier zwar nicht, weshalb sie beschloss nach L.A. zu gehen, klar ist jedoch, dass die Zwillinge sich immer den Rücken gestärkt haben. Da es beiden nicht gut ging, ist es ein guter Antrieb, sein trauriges Leben hinter sich zu lassen und stattdessen, ganz wie Rebecca, einen Neubeginn zu wagen.

Fazit

Eine wunderschöne Episode. Obwohl sowohl bei den Figuren als auch beim Zuschauer reichlich Tränen fließen, wirken die nicht ganz so goldenen 20er der Pearsons hoffnungsvoll und stellen eine sehr emotionale Stand-alone-Episode dar.

Marie Florschütz - myfanbase

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