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Review: #2.07 Enttäuschungen

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Nach der Standalone-Episode der vergangenen Woche erwartet uns mit #2.07 The Most Disappointed Man eine vollgepackte Folge, die sowohl die Geschichten der Gegenwart weiterspinnt, als auch mit gewinnenden Rückblicken aufwartet.

Als großes, folgenumspannendes Thema steht Randall im Mittelpunkt. Natürlich war ich mir bewusst, dass Jacks und Rebeccas Kampf um Randalls Adoption, seine eigene Gegenwarts-Geschichte mit Déjà und ihrem Gefängnisbesuch, als auch der Blick in Williams Vergangenheit auf einen gemeinsamen Nenner zusteuerten, und dennoch saß ich bei der Szenenmontage am Ende wieder einmal emotional gerührt und gebannt vor dem Bildschirm und wusste, warum "This Is Us" auch in einer bislang zugegebenermaßen etwas schwächeren zweiten Staffel weiter zu meiner derzeitigen Serienlieblingen zählt.

"I think about all those people making choices about my life before I could make choices for myself. And now we are those people, Beth. We are the adults making complicated decisions about that little girls life."

Mit diesen wenigen Sätzen bringt Randall die sich um ihn drehenden Handlungsstränge in sämtlichen Zeitebenen auf den Punkt. Beginnend mit Rebecca und Jack, die mit der Entscheidung, ihn als Baby in ihre Familie aufzunehmen, sein Leben und sein Heranwachsen entscheidend geprägt haben. Eigentlich muss sogar noch eine Stufe davor eingesetzt werden, denn es war William, der ihn damals vor der Feuerwache absetzte und somit überhaupt erst die ganze Geschichte in Gang brachte. Wir haben wiederholt erleben dürfen, wie sehr Rebecca und Jack Randall wie ihren eigenen Sohn aufgezogen haben und ein Abziehbild der idealen Eltern waren, die sich ein Adoptivkind nur wünschen kann. Dennoch kann ich die Vorbehalte des Richters auch zumindest in Teilen verstehen. Im ersten Moment war es vielleicht tatsächlich nur eine noble Geste, um den eigenen Schmerz und Verlust auszugleichen. Und selbst in der heutigen Zeit ist es noch immer keine Selbstverständlichkeit, dass außenstehende Personen auf ein andersfarbiges Kind mit einem Achselzucken oder besser noch erst gar nicht reagieren. Auch wenn Rebecca und Jack Randall lieben, so muss es auch eine neutrale, außenstehende Person geben, die einordnen muss, ob es wirklich das Wohl des Kindes ist, in der fremden Familie aufzuwachsen. So prallen hier die unterschiedlichen Sichtweisen in ihren extremen Positionen aufeinander. Ich bin der Meinung, dass der Richter zu sehr im "black and white"-Denken gefangen war, auch wenn er dank Rebeccas Brief am Ende zumindest einlenkte und den Fall aufgrund des Kontaktes zu den Beteiligten an eine wohlgestimmte Richterin abgab.

Während es bis zum Schluss nicht klar war, dass sich die beiden Geschichten parallel abspielten, stand also auch William vor Gericht und diese Geschichte beeindruckte mich persönlich am meisten. Ich vermisse William sehr und bin dankbar über jede noch so kleine Szene mit ihm in jedem Alter. Denn sowohl Ron Cephas Jones als auch Jermel Nakia verkörpern diese Figur einfach hervorragend. Der junge William vor Gericht ist eine vom Leben gezeichnete Person, die bereits große Verluste erlitten hat und der es dadurch vollkommen egal ist, nun ins Gefängnis gehen zu müssen. Sein Ausbruch vor Gericht offenbart seine innere Qual und Verzweiflung, aber eben auch, dass er innerlich gebrochen ist. Es kommt zum umgekehrten Fall, ob bewusst oder unbewusst, ist es hier ein weißer Richter, der sich Williams Worte zu Herzen nimmt und ihm eine Chance zur Rehabilitation gibt. Ein bewegendes Gespräch und für mich einer von vielen emotionalen Höhepunkten, dem nur kurz darauf der nächste folgen sollte. Die erneute Verzweiflung Williams ob seiner Krebsdiagnose, das vor Augen führen des Gesichts des Richters und schließlich Randall, der vor seiner Tür steht und sich als sein Sohn zu erkennen gibt, ist nicht nur für William zu viel, sondern auch für mich als Zuschauer. Was für ein berührender Moment. Und wieder einer dieser Situationen, mit denen mich die Autoren im vollen Bewusstsein aller Einzelteile der Geschichte, auf dem falschen Fuß erwischten und diese Puzzleteile so gekonnt zusammensetzten.

Von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung: In der Gegenwart erkennt Randall, dass es an ihm ist, die richtige Entscheidung zu treffen, auch wenn diese nicht in seinem Sinn ist. Der Besuch von Déjàs Mutter Shauna im Gefängnis verläuft nicht wie erwartet und man kann es Randall nicht übel nehmen, dass er sauer auf die Absage der Mutter ist, weil sie Déjà damit auch vor den Kopf stößt. Seine Reaktion gegenüber der Sozialarbeiterin wiederum ist unfair, was er immerhin auch erkennt, aber die Notlüge gegenüber Déjà halte ich doch für etwas übertrieben fürsorglich, auch wenn das natürlich für ihn als Ersatzvater spricht. Dennoch sind wir hier wieder beim eigentlichen Thema, der Entscheidung von anderen über einen selbst. Ich bin der Meinung, Déjà hätte auch die Wahrheit ertragen können und hat diese womöglich schon früher in ähnlicher Situation erlebt. Während Randall überraschend ruhig von diesem Vorfall nach Hause kommt, ist es ganz lustig zu sehen, wie die sonst so um Ausgleich und Ruhe bedachte Beth plötzlich zur Kämpferin wird und Shaunas Absage verurteilt. Randalls erneuter Besuch im Gefängnis zeigt ihn dann plötzlich von einer unerwartet arroganten, voreingenommenen Seite, während die bisher unbekannte Mutter nicht weniger überraschend mit Sympathie punkten kann. Doch sie hat in meinen Augen vollkommen Recht: Randall und wir Zuschauer kennen sie und ihre Version der Geschichte nicht. So präsentiert sich Shauna durchaus als liebende Mutter, die Rücksicht auf ihre Tochter nimmt, wenn nicht sogar Furcht offenbart, sich der eigenen Tochter so gezeichnet zeigen zu müssen. Der unmittelbare Schnitt im Gespräch ließ vermuten, dass Randall auf seinem hohen Ross verweilt, aber am Ende hat ihn doch die Einsicht ereilt, dass der Kontakt Déjàs zu ihrer Mutter unvermeidlich und vor allem richtig ist. Ja, Eltern treffen in jungen Jahren häufig Entscheidungen für das Kind, aber dabei muss man sich eben auch immer fragen, ob diese richtig und unvoreingenommen fallen. Randalls Einsicht kommt zur richtigen Zeit und ganz überraschend ist sie auch nicht, haben wir ihn doch bisher als Vernunftmenschen kennenlernen dürfen.

Allein diese drei im weitesten Sinne mit Randall verbundenen Handlungsstränge wären eigentlich für den Inhalt einer Episode ausreichend gewesen, aber nach der Standalone-Folge der Vorwoche wäre eine derart Charakter-zentrierte Ausgabe vom Spannungsbogen eher ungeeignet gewesen. Und als wären die Geschichten nicht schon emotional genug gewesen, wird uns auch noch ein Hochzeitsantrag als Zugabe spendiert. Einmal mehr kann Toby dabei glänzen, seine romantische Seite zu zeigen und zugleich bestätigen, wie sehr er Kate liebt und bereit ist, sie auf Händen zu tragen. Während sowohl der Antrag an Kate, als zuvor auch die Verkündung der Schwangerschaft gegenüber Kevin und Tobys Gespräch mit Jacks Urne den Comic Relief in der Folge lieferten, darf es in meinen Augen auch gerne mal etwas ernsthafter zugehen, wenn Toby involviert ist. Auf Dauer ist seine humorvolle Art doch etwas eindimensional inszeniert, dabei bin ich der Meinung, dass der Charakter auch ernsthaftes Potential besitzt, das von Chris Sullivan sicherlich auch ebenso überzeugend dargestellt werden könnte.

Und dann stellte sich auch noch die Frage: Quo vadis Kevin? Wieso macht er sich das Leben selbst so schwer? Ist das nur der Einfluss von Tabletten und Alkohol? Wir haben ihn inzwischen doch mehrfach schon gerade auch so erlebt, wie er nun gegenüber Sophie behauptet, angeblich nicht zu sein. Mir tut Sophie einfach nur leid und ich weiß gerade nicht, ob und wie Kevin sein unerklärliches Verhalten wieder bei ihr gutmachen will. Sind es am Ende dieselben Fehler, die er schon früher bei ihr begangen hat? Es wird höchste Zeit für einen Rückblick auf die frühere Beziehung der beiden und vor allem wie diese damals endete.

Fazit

Wieder einmal ist es den Autoren gelungen, uns Zuschauer so lange bis zu dem Punkt durch eine Folge zu führen, wo sich alles plötzlich zusammenfügt und ich mich immer wieder bei der Frage ertappe, warum ich das nicht schon längst habe kommen sehen. So setzen sich die einzelnen Zeitebenen und Handlungen rund um Randall wie Einzelteile zu einem großen harmonischen und emotionalen Puzzle zusammen. Auf der anderen Seite zeichnet sich bei Kevin eine Entwicklung ab, die mir beim Ansehen zunehmend größere Schmerzen bereitet und es mir schwer macht, diese weiter uneingeschränkt verfolgen zu wollen.

Jan H. – myFanbase

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