Bewertung

Review: #7.21 Überlebenskampf

Die vorletzte Folge dieser Staffel ist eine Judasepisode, oder meinetwegen auch eine Brutusepisode, je nachdem, welchen dieser Namen man persönlich mehr mit Verrat assoziiert. Das Motiv des In-den-Rücken-fallens steht im Zentrum dieser Folge und lässt doch eine gewisse Portion Entsetzen und Anspannung in den Zuschauern zurück. Alex wird von Lucy hintergangen und verrät seinerseits Meredith, auf die schlimme Konsequenzen zukommen könnten. In etwas abgeschwächter Form fällt April auch Cristina in den Rücken, allerdings geht Cristina daraus als Siegerin hervor.

Dolchstöße

Hat der Ausspruch "Es ist nichts Persönliches" eigentlich schon jemals tröstlich und besänftigend gewirkt? Ich denke eher nicht. Von einer nahe stehenden Person denunziert und/oder übervorteilt zu werden, gehört sicherlich zu den schmerzhaftesten Erfahrungen, die man machen kann. Wie Lucy sich den Job in Afrika schnappt, auf den Alex verzichtet hat, um mit ihr zusammen sein zu können, ist schon heftig. Das wirkt sehr kaltblütig und hinterhältig. Nun ist es natürlich so, dass wir Lucy noch nicht lange kennen und nur rudimentäre Eindrücke von ihr gewonnen haben. Daher lässt sich ihr Verhalten in keinen allzu großen Kontext einordnen. Ich persönlich habe die Romanze zwischen Alex und Lucy von Beginn an als ziemlich gezwungen empfunden. Da Alex mal wieder eine kleine Liebesgeschichte bekommen sollte, hat man ihm auf weder besonders originelle noch sonderlich charmante Weise die hübsche Lucy vor die Nase gesetzt. Bei ihren ersten Auftritten wirkte sie noch sympathisch und kompetent, doch bei Callies Behandlung nach dem Unfall konnte sie dann gar nicht überzeugen. In dieser Folge nun zeigt sie sich über weite Strecken missgestimmt, weil Alex sie in seine Zukunftspläne zunächst nicht einbezieht, und geht dann den radikalen Schritt, ihre eigene Karriere voranzustellen, ohne jede Rücksicht auf Alex. Sie wirft ihm sogar seine eigenen Worte zum Thema Konkurrenzkampf an den Kopf. Offenbar fährt sie ganz gerne mal Retourkutschen und geht nach dem Was du kannst, kann ich auch-Prinzip vor. Doch wie gesagt, wir kennen sie kaum.

Alex' Dolchstoß in Merediths Rücken steht da schon in einem größeren Zusammenhang und ist dementsprechend auch schockierender. Meredith und Alex kennen sich nun seit sieben Jahren und in dieser Zeit war sie ihm immer eine gute Freundin. Alex hatte in der Assistenzarztclique, sowohl in der ursprünglichen wie auch in der jetzigen, schon immer einen problematischen Stand. Mit Izzie erlebte er eine Beziehung voller Höhen und Tiefen, zwischen George und ihm gab es viel Rivalität, sein Verhältnis zu Cristina war immer von Sarkasmus geprägt, Lexie und April gegenüber hat er sich des Öfteren, und besonders in dieser Staffel, falsch verhalten und die Freundschaft zwischen ihm und Jackson ist noch ziemlich undefiniert. Meredith ist die einzige, mit der er sich fast durchgängig gut verstanden hat. Sie hat ihn immer wieder in die Gruppe integriert, ihn bei sich wohnen lassen und ihn nie abgewiesen. Daher wiegt sein Verrat aus meiner Sicht schon schwer.

Natürlich kann man zu Alex' Verteidigung anführen, dass er, als er Meredith bei Owen anschwärzt, gerade ziemlich betrunken und durch Lucys Tat angeschlagen ist, dennoch weiß er genau, was er da tut. Er schadet Meredith, um seine eigene Position im Kampf um die Stelle des leitenden Assistenzarztes (Chief Resident) zu stärken. Es geht ihm auch nicht darum, das Krankenhaus vor den Konsequenzen von Merediths Manipulation zu schützen, denn er weiß ja nicht einmal, was sie genau getan hat und warum. Er weiß nur, dass sie die Studie unerlaubt beeinflusst hat und verrät sie nun, weil er leitender Assistenzarzt werden will, obwohl er ihr sein Schweigen zugesichert hat. Er fällt der Person in den Rücken, die man mit Fug und Recht als seine beste Freundin bezeichnen kann, um eine Stelle zu bekommen, auf die er ohnehin gute Chance hat (oder hatte). Diese Staffel begann also damit, dass Alex eine Grey (Lexie) fallen gelassen hat, und endet damit, dass Alex eine andere Grey (Meredith) ans Messer liefert. Das kommt in einer Serie namens "Grey's Anatomy" nicht wirklich gut.

Aprils kleiner Verrat an Cristina hat dagegen wenig mit persönlichen Vorteilen zu tun, sondern ist eher ein Ausdruck von Aprils psychischer Beschaffenheit. Seit sie durch ein vermeidbares Versäumnis den Tod einer Patientin verursacht hat (#6.06 Ein einfacher Fehler), ist ihr die buchstabengetreue Einhaltung der Vorschriften ausgesprochen wichtig. Sie hat Angst davor, die Regeln zu brechen, und trifft daher die Entscheidung, Cristina nicht dabei zu helfen, den interessanten Fall vor Teddy zu verheimlichen. April leidet aber gleichzeitig unter ihrer Regeltreue, da sie sich wirklich wünscht, mit Cristina befreundet zu sein. Cristina ihrerseits triumphiert dennoch, da der Patient ihr und nicht Teddy vertraut. Somit ergibt sich wieder die gleiche Konstellation wie nach der Operation an Callie: Cristina steht als Siegerin dar, während Teddy als Zweitplatzierte nur ihr Missfallen zum Ausdruck bringen kann. Man spürt richtig, wie Cristina mehr und mehr den Respekt vor Teddy verliert und Teddy wiederum von ihrer einstigen Musterschülerin ins Abseits gedrängt und gedemütigt wird. Noch vor einigen Episoden hat nichts darauf hingedeutet, dass die beiden Ärztinnen sich am Ende der Staffel an einem solchen Punkt befinden würden, aber es ist passiert.

Crack Baby(s)

Die Castingabteilung von "Grey's Anatomy" hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Statt einfach nur süße Babys in die Serie zu setzen, haben sich gleich die süßesten Babys von ganz Kalifornien genommen. Sofia und Zola sind so niedlich, dass man sie auf der Stelle mit nach Hause nehmen möchte. Da passt Callies Ausdruck "Crack Baby" richtig gut: Babys, die süchtig machen. Natürlich wäre es schön, wenn Meredith und Derek die kleine Zola behalten dürften, aber trotz der positiven Signale von der Sozialarbeiterin bin ich weiterhin skeptisch. Der Ärger, der nun auf Meredith zukommt, wird den Adoptionsplänen wohl kaum zuträglich sein.

Die Prinzessin, der Ritter und der Bettelsmann

Das Beziehungsdreieck aus Teddy, Henry und Andrew erinnert ein wenig an ein Märchen. Teddy ist die schöne, blonde Prinzessin (wenn auch eine Prinzessin, die beim Militär war und Menschen aufschneidet) mit zwei gegensätzlichen Verehrern: Andrew, der Ritter in strahlender Rüstung, der rund um die Welt galoppiert, um an den Schauplätzen schlimmster Katastrophen zu helfen, und Henry, der Bettler, der keinen Job hat und nur dank Teddys Krankenversicherung noch lebt. Da Henrys Chancen auf die Eroberung der Prinzessin so schlecht stehen, spielt Chief Webber den gütigen König, der dem Bettler hilft. Letztlich stehen sich Teddy und Henry gegenüber und wissen beide nicht, wie sie sich ein Happy End schreiben sollen. Teddy will mit Andrew nach Deutschland auswandern und Henry bittet um die Scheidung. Glücklich ist keiner von beiden. Es fällt auf, dass Andrew auch weiterhin ein nichts sagender Charakter mit viel zu wenigen Szenen bleibt, während Henry echtes Profil hat und den Zuschauern ans Herz gewachsen ist.

Wer wird überleben?

Der Originaltitel dieser Episode lautet "I Will Survive", doch werden wirklich alle – metaphorisch gesprochen - überleben? Geht Teddy nun weg oder nicht? Und wenn nicht, wie soll in Zukunft die Zusammenarbeit mit Cristina aussehen? Welche Konsequenzen warten auf Meredith, sowohl beruflich als auch privat? Und wer wird nun eigentlich Chief Resident? Owens Argumente, warum Cristina es nicht werden sollte, sind auf jeden Fall schon mal einleuchtend. Cristina will operieren und nicht stundenlang über Terminpläne und anderen organisatorischen Aufgaben brüten. In der vierten Staffel hat ja schon Callie die Erfahrung gemacht, dass der Posten des Chief Resident mehr für Leute geeignet ist, die sich auch am Schreibtisch wohl fühlen und auf OP's verzichten können. Da Cristina sogar noch deutlich mehr auf die chirurgische Arbeit fixiert ist als Callie, kann man Owens Einschätzung folgen. Wenn man Stichworte wie "Organisation" und "Schreibtischarbeit" dann weiter denkt, stößt man unweigerlich auf den Namen April. Sie wollte ja sogar schon für den Haushalt im Grey-Anwesen einen Plan erstellen, was Lexie unter Androhung von Gewalt verhindert hat. In organisatorischer Hinsicht wäre April also die perfekte Wahl für die Stelle, doch es mangelt ihr natürlich an Selbstvertrauen und Führungsqualitäten. Sie kann Pläne entwerfen, aber sie auch durchzusetzen gelingt ihr nicht sonderlich gut.

Maret Hosemann – myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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