Bewertung

Review: #4.12 Entmündigt

"Chicago Med" macht es uns Zuschauern in Staffel 4 wirklich nicht leicht, da vor allem im Bereich der privaten Dramen bei allen Figuren konstant das gleiche erzählt wird. Man kann es sogar noch weiter fassen, da sogar Staffel 3 meist schon dieselben Handlungen geboten hat, so dass man zur Erkenntnis kommen kann, dass man mit den Charakteren stets auf der Stelle verharrt. Abwechslung bieten da meist nur die Patientenfälle, die aber ebenfalls in dieser Staffel wenig Überzeugungskraft entwickeln. #4.11 Who Can You Trust hat es dagegen richtig gut gemacht, so dass sich nun natürlich die Frage stellte, wie sich denn wohl die neuste Folge schlagen wird.

Beginnen wir mit April Sexton und Dr. Ethan Choi, die in ihren privaten Verwicklungen relativ schnell abgehakt sind. April weicht ihm konsequent aus, vermutlich auch weil sie ahnt, in welch großen Gefühlsdilemma er steckt und ich finde es aller Ehren wert, dass April nicht aktiv seine Beziehung mit Vicky Glass torpedieren will. Dennoch bleibt so nun offen, was Ethan empfindet, aber ich denke, dass es bald schon zu einem Showdown kommen wird, bei dem er sich endgültig für eine der beiden Frauen entscheiden muss. April ist ausnahmsweise mal nicht Ethan zugewiesen, da sie ihm ja ansonsten nicht aus dem Weg hätte gehen können. Stattdessen unterstützt sie Elsa Curry, die ihren ersten Patienten verliert. Ich fand es auf jeden Fall ansprechend, mal ihre emotionale Seite zu erleben, da sie ansonsten wie ein Roboter agiert, aber insgesamt hatte ich mir doch mehr aus ihrer Zusammenarbeit mit April erhofft. Man merkt überdeutlich, wie unterschiedlich die beiden Frauen sind und gerade diese Kontraste hätte man in ihm intensiven Gespräch auflösen können. Schade um die vertane Chance!

Ethan ist in dieser Episode auch auf medizinischer Ebene eher untergeordnet, da er seinen Fall mit Dr. Daniel Charles teilt, der doch die entscheidendere Rolle letztlich einnimmt, weswegen ich nachfolgend auch nur noch auf ihn eingehen will. Zunächst gewann man den Eindruck, dass es vorrangig um einen alkoholabhängigen Familienvater gehen würde, der die Motivation finden muss, seine Sucht zu bekämpfen. Still und heimlich entwickelt sich jedoch ein ganz anderer Patientenfall mit einer unheimlichen emotionalen Wucht. Schon zu Beginn erlebt man Bruces Sohn Jesse, der den Arm gebrochen hat. Natürlich reifte bei mir sofort der Verdacht, dass der Vater möglicherweise im Rausch seinen Sohn verletzt hat, aber ich hätte niemals gedacht, dass wir stattdessen ein depressives Kind erleben, das schon einen Selbstmordversuch hinter sich hat. Diese Wendung hat mich schockiert, aber auch fasziniert, weil der Einblick in die seelischen Qualen von Jesse überzeugend dargestellt wurde.

Ihm zur Seite steht Daniel, der von Anfang an eine Ahnung hat, was in dem Jungen vorgeht, sich ihm behutsam nähert und so Vertrauen zu ihm aufbaut. Das Gespräch zwischen den beiden auf dem Krankenhausdach war unheimlich einnehmend, aber gleichzeitig auch so traurig, da man solche Gedanken bei einem Kind, das eigentlich unbeschwert sein sollte, nicht erleben will. Aber es bildet die Realität ab, in der immer mehr Kinder und Jugendliche an Depressionen erkranken. Gut, dass das Thema nun auch mal aufgegriffen wurde! Bei Daniel wird aber noch ein anderes Thema angegangen, das in #4.10 All The Lonely People initiiert wurde. Dort hat er erkannt, dass er ein einsamer Mensch geworden ist und nachdem sich auch Sharon Goodwin wieder ins Datingleben wagt, fasst auch er sich ein Herz und richtet sich mit ihrer Hilfe ein Online-Profil ein. Zwar ist noch nicht abzusehen, ob diese Datingthematik wirklich irgendwo hinführt, aber wenn ja, dann ist das genau das, was ich meine. Die Charaktere brauchen neue Impulse und das könnte gut über Nebendarsteller gelingen. In jedem Fall war es auch mal wieder nett, die Freundschaft von Sharon und Daniel abgebildet zu sehen.

Etwas vertan ist in dieser Episode auch die Hubschraubernotlandung, bei der Dr. Natalie Manning dabei ist, die den Transport eines Kindes überwacht, der an der ECMO angeschlossen ist. Hier hätte man wirklich eine dramatische Geschichte draus machen können, in der Dr. Will Halstead als Retter herangeeilt kommt und zum Held der Stunde wird. Er kommt auch angeeilt, aber Dramatik war in meinen Augen nicht einen Moment zu empfinden, da Natalie nur mit einer ausgekugelten Schulter davongekommen ist. Der Handlungsbogen wurde also nur dafür genutzt, um uns vor Augen zu führen, wie sehr die beiden einander lieben, aber dass sie durch Prinzipien nicht endgültig zueinander finden.

Zudem wird in dieser Episode leider deutlich, dass meine Hoffnung, dass Will von Daniel therapiert wird, zerschlagen wurde. Er ist bei einer Therapeutin, die nicht eingeführt wird, so dass wir folglich bei seiner ersten Sitzung auch gar nicht dabei sein durften. Das finde ich wirklich jammerschade, da mich der Genesungsprozess von Will wirklich interessiert. Wenigstens bekommen wir auch ohne Therapiestunde das erste Mal einen Riss in seiner Fassade gezeigt, der auch gleich zur Versöhnung von ihm und Natalie führt. Innerlich war ich an dieser Stelle schon am Jubeln, weil ich dachte, ah, endlich haben wir den Durchbruch, nun können wir uns also neuen Themen widmen. Aber Pustekuchen! Obwohl Will Natalie verspricht, dass er die Waffe an einer Polizeistation abgibt, behält er diese. Zwar war klar, dass Will sein Trauma definitiv noch nicht überwunden hat, aber dass er direkt wieder Natalie anlügt, das geht mir doch gehörig gegen den Strich! Hier gibt es definitiv keine neuen Impulse.

Abschließend kommen wir zu einem zweiten starken Patientenfall, der aber leider mit einer weiteren Etappe im Beziehungsdrama von Dr. Connor Rhodes und Dr. Ava Bekker begleitet war. Zum Glück konnte man die beiden größtenteils ausblenden, da sie doch irgendwie ihr eigenes Thema hatten. Für die Episode konnte die aus "Glee" bekannte Lauren Potter als Gastdarstellerin verpflichtet werden, die eine junge Frau mit Down-Syndrom spielt, die ein Kind bekommt, das aber ihre Gesundheit bedroht. Ihre Figur der Barbara war aber gar nicht im zentralen Fokus, da es viel mehr um deren Mutter Kathy ging, die sich eingestehen muss, dass sie gar nicht sicher ist, ob sie ihr Enkelkind wirklich zur Welt gebracht sehen will, da sie bereits ahnt, dass auf sie eine noch viel größere psychische und physische Belastung hinzukommt. Dieses moralische Dilemma war sehr nahbar inszeniert, da die Frau ihre Gedanken selbst als hässlich empfindet und sich ihrer dennoch nicht erwehren kann. Wer hat solch eine Situation nicht auch schon einmal erlebt? Man schämt sich für seine Gedanken, kann aber doch nichts dagegen machen? Am Ende als der Fötus vorerst gerettet ist, kann man bei Kathy nicht absehen, wie sie wirklich fühlt, aber man kann resultieren, dass sie ihrer Tochter und ihrem Enkelkind in jedem Fall beistehen wird, selbst wenn es sie an eine weitere Belastbarkeitsgrenze bringt.

Bei Connor und Ava wiederum kristallisiert sich immer mehr heraus, dass das zentrale Problem ist, dass wir nicht wissen, was damals wirklich zwischen ihr und Cornelius Rhodes abgelaufen ist. Erneut wird uns Zuschauern eine definitive Antwort verwehrt und daher finde ich es sehr schwer, Avas Handeln in dieser Folge zu bewerten. Denn wenn sie wirklich mit ihrem Schwiegervater in Spe geschlafen hat, dann sind ihre Appelle eine totale Farce. Spricht sie aber die Wahrheit, kann sie einem nur leidtun. In jedem Fall zeigt sich aber auch hier, dass wir keinen Schritt weiterkommen mit den beiden. Die Storyline, was nun genau zwischen Ava und Cornelius abgelaufen ist, muss endlich ad acta gelegt werden. Es ist kaum noch zu ertragen, so wie es hinausgezögert wird.

Fazit

"Chicago Med" gibt exakt dasselbe Bild wie in der Vorwoche ab, da bei den Patientenfällen emotionale Momente zu sehen sind, die aber im Privatleben vollkommen fehlen. Man dreht sich oftmals im Kreis und traut sich einfach nicht, neue Wege zu gehen. Bitte gebt dieser Staffel endlich neue Impulse!

Lena Donth – myFanbase

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