Bewertung

Review: #1.01 Genesis

Foto: Milo Ventimiglia, Heroes - Copyright: 2010 Universal Pictures
Milo Ventimiglia, Heroes
© 2010 Universal Pictures

"Woher kommt es, dieses Streben, dieses Verlangen danach, die Rätsel des Lebens zu lüften, während die einfachste aller Fragen nie beantwortet werden kann? Warum sind wir hier? Was ist die Seele? Warum träumen wir? Vielleicht wäre es besser für uns, gar nicht nach einer Antwort zu suchen. Uns nicht damit zu befassen, nicht danach zu verlangen. Das ist nicht die menschliche Natur, nicht das menschliche Wesen. Das ist nicht der Grund, warum wir hier sind."

Wow. Das muss man erstmal verdauen.

"Heroes" liefert in seinen ersten Minuten eine bedeutungsschwere, sehr philosophische Einleitung. Manch einem mag sie gefallen, manch einem nicht. Doch nichtsdestotrotz bleibt der Anfang beeindruckend: Wir sehen Milo Ventimiglia als Peter Petrelli, wie er auf einem alten Hochhaus steht. Der Wind weht ihm durch die schwarzen Haare, man hört entferntes Hupen, Autos, das hektische Großstadtleben in Manhattan, während Sendhil Ramamurthy diese ersten Worte aus dem Voice-Over spricht. Schließlich breitet Peter die Arme aus, langsam, alles in Zeitlupe, man hört jetzt nur noch den Wind, das Flattern des Mantels, den Peter trägt. Und dann springt er.

Ein gelungener Start, wie ich finde. Düster, ein wenig apokalyptisch. Der Zuschauer weiß schnell, auf was er sich hier eingelassen hat: Trotz des Titels "Heroes", der einen wohl eher an herumhüpfende Superhelden wie Spider-Man erinnert und vielmehr Action und Spannung suggeriert, ist davon zunächst mal keine Spur. Der Sinn des Lebens wird hier an den Anfang gesetzt und während das der einen Gruppe von Zuschauern gefallen mag (dazu zähle ich mich), dürfte die andere Gruppe die Augen verdrehen.

Realistische (Anti)Helden

Wie man schnell feststellt, ist diese Eingangsszene aus einem Traum, der Peter Petrelli, unserem ersten Helden, ständig verfolgt. Mit Peter haben die Autoren wohl bewusst einen sehr realistischen Charakter an den Anfang gesetzt: Er ist Krankenpfleger, jung, ein wenig naiv und scheint ein wenig verloren im großen Chaos von New York City. Eine Karriere interessiert ihn nicht, ihm ist es wichtiger, den Menschen um ihn herum zu helfen. Ganz im Gegensatz zu seinem großen Bruder Nathan (Adrian Pasdar), der mit seiner Kandidatur zum Senator der Stadt alle Hände voll zu tun hat und kurz davor steht, auf der Karriereleiter ganz oben zu stehen. Dass Peter schon immer im Schatten seines großen Bruders stand, ist nicht nur ihm selbst, sondern auch Nathan bewusst. Sogar deren Mutter will, dass Peter sich endlich von Nathan loslöst.

Sieht man von den Superkräften ab, so kann sich der Zuschauer nicht nur mit Peter selbst, sondern auch mit seiner Situation gut identifizieren. Wer kennt es nicht, im Schatten von jemandem zu stehen und das Gefühl zu haben, irgendetwas fehle im Leben?

Man erinnert sich an dieser Stelle an eine Aussage von Serienmacher Tim Kring, der im Interview mit Michael Ausiello von TV Guide meinte: "Wir wollen von dem Superheldenkram eher wegbleiben. Die Story handelt von normalen Leuten auf der ganzen Welt, die entdecken, dass sie besondere Fähigkeiten haben und wie sie damit umgehen." – Das hat Kring in dieser Pilotfolge zu etwa 90 Prozent umgesetzt.

Doch gehen wir weiter. Drei Tage früher in Madras, Indien: Wir sehen nun Professor Mohinder Suresh (Sendhil Ramamurthy), einen äußerst jungen Genetikprofessor, der seinen Studenten von besonderen Fähigkeiten erzählt, die ein Mensch erlangen könnte, wäre er dazu fähig, mehr von seiner Gehirnkapazität zu nutzen. Aha!, denkt man sich, nun kommen wir der Sache näher. Genetische Mutation, übernatürliche Fähigkeiten. Suresh erinnert mit seinem kleinen Vortrag ein wenig an das Konzept von X-Men, wo ebenfalls der nächste Schritt in der Evolution eine Rolle spielt.

Auch der Charakter Suresh, der bisher ein Nicht-Hero zu sein scheint, sondern vielmehr der Kopf hinter allem, überzeugt: Wie sein Vater hat sich Suresh der Genetik verschrieben, den Theorien der übermenschlichen Fähigkeiten, die sein Vater aufgestellt hat. Aufgrund des Todes seines Vaters durch eine unbekannte Organisation – deren Motive wir noch nicht kennen – hängt Suresh seinen Job vorerst an den Nagel, geht nach New York und nimmt einen Job als Taxifahrer an, um herauszufinden, was es mit der Arbeit seines Vaters und der bevorstehenden Sonnenfinsternis auf sich hat.

Gut porträtiert ist auch Claire, gespielt von einer sehr sympathischen Hayden Panettiere, die unverwundbar zu sein scheint. Claire spricht vor allem die Zielgruppe der Teenager an, sie ist Cheerleaderin, sie ist beliebt, doch fühlt sie sich von ihrer Mutter unverstanden.

Der für mich neben Peter Petrelli überzeugendste Charakter ist Hiro Nakamura, der von dem Newcomer Masi Oka dargestellt wird: Hiro ist aus Tokyo, wo er von früh bis spät in einem Büro arbeitet. Er ist unzufrieden mit seinem gewöhnlichen, durchschnittlichen Leben. Als Fan von "Star Trek" und Superheldencomics will er mehr aus seinem Leben machen, er träumt davon, ein Held zu sein. Wenn er seinen Freund Ando davon überzeugen will, dass er die Zeit anhalten kann, ist das jedes Mal ein köstliches japanisches Wortgefecht, das für die Lacher im Piloten sorgt.

Bislang am schwächsten ausgereift und überzeugend erscheint in der Pilotfolge Niki (Ali Larter), eine allein erziehende Mutter, die als Stripperin versucht, sich und ihren Sohn Micah (Noah Gray-Cabey) finanziell über die Runden zu bringen: Das Mutter-Sohn Gespann ist noch nicht wirklich ausgereift, Niki wird bisher als eine völlig überforderte junge Frau dargestellt, bei der man sich fragt, wie sie ihr bisheriges Leben eigentlich gemeistert hat. Interessant jedoch ihre Fähigkeit: Ihr Spiegelbild macht sich selbstständig und entzieht sich völlig ihrem Willen. So wacht Niki plötzlich eines Morgens in einem Blutbad auf.

Was die restlichen Charaktere von "Heroes" angeht, so müssen diese noch mehr beleuchtet werden, damit man ein Urteil fällen kann: Isaac (Santiago Cabrera) ist ein talentierter Maler, der durch seine Drogenabhängigkeit nicht nur sein Leben in Gefahr bringt, sondern auch die Beziehung zu seiner Freundin Simone (Tawny Cypress); er kann Bilder der Zukunft malen. Ein eindeutiges Manko ist die gänzliche Abwesenheit der zwei Hauptcharaktere Matt Parkman (Greg Grunberg), ein Polizist, der Gedanken lesen kann, sowie D.L Hawkins (Leonard Roberts), ein Gefangener, der durch Wände spaziert. Schade, denn von diesen beiden Helden hätte ich gerne etwas gesehen.

Großartig ist jedoch die Verstrickung der Charaktere, die zwar überall auf der Welt verstreut sind, jedoch alle über eine oder mehrere Personen miteinander zu tun haben und, ohne es zu wissen, das Leben der anderen beeinflussen. So betreut Peter Petrelli den im Sterben liegenden Vater von Simone und Claires Vater ist viel tiefer in die dunklen Geheimnisse des verstorbenen Vaters von Mohinder Suresh verwickelt, als sie es je denken würde.

Fazit: Unbedingt einschalten

Danke Tim Kring! Endlich bekommen wir Superhelden im Serienformat und was diese ersten 54 Minuten der Pilotfolge gezeigt haben, verspricht auf jeden Fall eine gute Serie, die man mit dem richtigen Händchen zu einer sehr erfolgreichen und großartigen Show ausbauen kann. Tolle Charaktere, ein spannendes Thema und überraschende Wendungen sorgen für beste Unterhaltung. Trotz einiger Mängel überzeugt der Pilot von Anfang an und macht Lust auf mehr!

Maria Gruber - myFanbase

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