Bewertung

Review: #1.12 Aufbruch

Foto: Isaiah Washington, The 100 - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Isaiah Washington, The 100
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Sowohl auf der Erde als auch auf der Ark ist absoluter Katastrophen-Alarm angesagt: Nach dem Abkoppeln des Exodus-Schiffs müssen die Überlebenden auf der Ark die dramatische Tatsache akzeptieren, dass die Weltraumstation in zwei Tagen nicht mehr lebensfähig sein wird – und dass es keinen Ausweg für sie gibt. Den Jugendlichen im Camp steht hingegen der drohende Angriff der Grounder bevor, dem sie zahlen- und kampfmäßig kaum etwas entgegen setzen können. Doch so kurz vor dem Finale geben sich die Autoren natürlich nicht nur mit diesen Szenarien ab, die durchaus Stoff für mindestens drei Folgen liefern könnten, sondern setzen noch eine gehörige Portion Spannung drauf.

"If you go in, he'll kill you." – "If I don't, he'll kill Jasper."

Bellamy ist in dieser Folge wahrlich nicht zu beneiden: Er hat nicht nur alle Mühe, seine Leute bei Laune zu halten und zur Vorbereitung des Kampfes gegen die Grounder anzuhalten, sondern muss sich auch gegen Raven, Jasper und Octavia zur Wehr setzen, die wild entschlossen sind, nach Clarke, Finn und Monty zu suchen, die nach wie vor verschollen sind. Mit der Abwesenheit von Clarke (und der Befürchtung, dass der Grund dafür ihr Tod ist) steht Bellamy wieder als einsamer Anführer da und versucht, seine Handlungen danach auszurichten, was am besten für die Gruppe ist. Doch dann greift Murphy auf dramatische Art und Weise ins Geschehen ein und macht dem Zuschauer und Bellamy im Rückblick auf den Lynchversuch der Jugendlichen deutlich, dass Bellamys Entscheidungen nicht immer die besten sind, selbst wenn er versucht, im Sinn der Gruppe und nicht eines Einzelnen zu handeln.

Ich bin zwar nicht gerade glücklich darüber, wie durchgeknallt und überspitzt der Charakter Murphy in dieser Folge dargestellt wird – aus dem schlichten Grund, dass es den Autoren kaum möglich sein wird, ihn nach diesen Handlungen (die Ermordung von Myles, das Kidnappen von Jasper, den Mordversuch an Bellamy, der Diebstahl des Sprengstoffs und die Schüsse auf Raven) wieder zu rehabilitieren. Doch andererseits waren die klaustrophobischen und an der Grenze des Wahnsinns spielenden Szenen zwischen Murphy und Bellamy mein absolutes Highlight dieser Folge! Richard Harmon und Bob Morley schaffen es, beiden Figuren trotz der Brutalität der Szenen eine Menschlichkeit und Verletzlichkeit zu bewahren, die zu einer beklemmenden Intensität führt. Denn so abstoßend Murphys Handlungen in dieser Folge auch sind: Man kommt als Zuschauer nicht umhin, auch ein gewisses Verständnis für ihn und seine Sicht der Situation zu entwickeln.

Was mir an diesem Handlungsstrang außerdem sehr gut gefallen hat, war die Zusammenarbeit zwischen Raven, Jasper und Bellamy. Sie sind keineswegs immer einer Meinung, wie man an den Differenzen bezüglich der Suche nach Clarke, Finn und Monty sehen kann, aber wenn es darauf ankommt, sind sie füreinander da – und das mittlerweile fast schon bedingungslos: Bellamy riskiert sein Leben, um Jasper zu retten, und Raven bezahlt die Befreiung von Bellamy mit einer schweren Schussverletzung. Das bringt schließlich sogar Bellamy zu der Erkenntnis, dass dieser Zusammenhalt der einzelnen Jugendlichen unerlässlich für das Überleben der Gruppe ist und er ist bereit, Jaspers Drängen nachzugeben und sich auf die Suche nach ihren verschwundenen Freunden zu machen. Das ist allerdings nicht mehr nötig, denn zumindest Clarke und Finn schaffen es nach einer kleinen Odyssee wieder zurück ins Lager.

"What are Reapers?" – "Pray you never find out."

In der Storyline rund um Clarke, Finn und deren Flucht vor den Groundern wird man geradezu erschlagen von neuen Informationen: Es gibt noch eine Führungsinstanz, die über Anya steht, denn plötzlich wird diese von einem Mann namens Tristan ihrer Befehlsgewalt über ihren Clan enthoben. Neben den Groundern existieren auch noch Reaper rund um das Camp – und diese jagen sogar den unerschrockenen Kriegern einen Schauer über den Rücken. Es gibt auch noch weitere Clans der Grounder und Lincoln will die Gruppe der Jugendlichen retten, indem er Clarke und Finn genaue Anweisungen gibt, einen bestimmten dieser Clans zu finden. Und schließlich entdecken Clarke und Finn auf ihrer Flucht noch die Opfer der Reaper, deren furchterregender Anblick nicht nur die beiden, sondern auch die Zuschauer schockiert. Doch dieser kurze Moment des Mitfühlens bleibt in diesem Handlungsstrang singulär, weil man angesichts der hektischen Flucht und der gleichzeitigen Informationsflut gar nicht in der Lage ist, um auch noch Emotionen für die Figuren und ihr Schicksal aufzubringen. Was "The 100" normalerweise so gut gelingt, nämlich spannungsgeladene Action mit Emotionen und Tiefgang in Einklang zu bringen, funktioniert hier leider nicht – hier wäre weniger mehr gewesen.

Nachdem die Flucht durch die Dunkelheit abgeschlossen ist und Finn und Clarke für einen Augenblick durchatmen können, kommt es dann noch zu einer Szene, die mir gut gefallen hat, weil sie so symbolisch für den untypischen Umgang der Serie mit Teenager-Romanzen steht: Finn, der im Trubel der sich überschlagenden Ereignisse bislang noch nicht die Gelegenheit dazu hatte, gesteht Clarke endlich, dass er in sie verliebt ist und dass an diesen Gefühlen auch seine Vergangenheit mit Raven nichts ändern kann. Einfach, simpel, ohne überschwänglichen Monolog. Ebenso einfach, simpel und eindeutig ist Clarkes Antwort: "You broke my heart. I'm sorry. I just can't." Und bevor die beiden noch weiter auf ihre gemeinsame Zukunft (oder auch nicht?) eingehen können, geht es auch schon weiter mit der nächsten Explosion (danke, Murphy!), die dem Gespräch ein jähes Ende bereitet. Aber genau das zeigt, wieso "The 100" in dieser Hinsicht so einzigartig ist: Love interests, Beziehungen, Sex – diese für eine Teenie-Serie so unerlässlichen Komponenten sind vorhanden, aber stehen nie im Zentrum der Handlung, sondern werden ganz natürlich und unaufdringlich in diese eingebunden. Und das ist auch gut so.

"Nothing we've tried will save the Ark." – "Have you tried not saving it?"

Spätestens seit der Hälfte der ersten Staffel konnte die Ark immer wieder mit mitreißenden Folgen punkten und entwickelte sich zu einem nahezu gleichwertigen Gegenpart zu den Handlungen auf der Erde. Doch an diesen Positivtrend können die Autoren mit dem Ark-Handlungsstrang in dieser Episode leider nicht anknüpfen – seit langem habe ich die Szenen im Weltall mal wieder als langweilig und geradezu störend empfunden. Das lag vor allem auch daran, dass Abby und Kane ihre innere Zerrissenheit aus den vorherigen Folgen nach wie vor nicht lösen können, aber auch nur halbherzig bzw. mit sinnlosen Aktionen versuchen, ihr eigenes Gewissen zu beruhigen. Eine Entwicklung der Charaktere war in dieser Folge nicht vorhanden und insgesamt wurde aus der dramatischen Lage auf der Ark nicht das gemacht, was ich mir nach den letzten intensiven Folgen erhofft hatte. Der Twist am Ende, dass Jaha plötzlich die Idee hat, die Ark selbst als Rettungsraumschiff zur Erde zu nutzen, stellt zwar interessante Weichen für das Finale, doch er ändert auch nichts daran, dass die Ark-Storyline in dieser Episode nicht überzeugen kann.

Fazit

In der vorletzten Folge der Staffel lässt "The 100" ein bisschen nach: Auch wenn die Szenen zwischen Bellamy und Murphy zwischenmenschlich zu den intensivsten gehören, die wir bislang in der Serie gesehen haben, kann insgesamt nicht an die hohe Qualität der vorherigen Episoden angeknüpft werden. Trotzdem werden einige spannende Grundlagen für das Finale geschaffen und die ganzen Informationen, die wir im Handlungsstrang rund um Clarke und Finn erhalten, erwecken den beruhigenden Eindruck, dass die Autoren auch noch genügend Stoff in ihrem Erzähluniversum haben.

Lena Stadelmann - myFanbase

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