Bewertung

Review: #1.02 Burg Leoch

Zweite Episoden neuer Serien sind ja manchmal noch etwas schwieriger als die eigentlichen Piloten, diese Tatsache trifft sowohl auf die Serienmacher zu, als auch auf uns Zuschauer, die wir uns versuchen mit einer neuen Serie intensiv auseinanderzusetzen und dabei deren Stärken und Schwächen einzuschätzen. Zu vieles ist noch neu, zu unklar ist, was nun wirklich auf lange Sicht wichtig und was eher unwichtig sein wird. So hat man oft den Effekt, dass man frühe Episoden, die man anfangs noch etwas schwächer in Erinnerung hatte, beim wiederholten Schauen plötzlich viel besser empfindet, einfach weil man dann mit der Welt der Geschichte und den Figuren viel vertrauter ist und man so auch viele der kleineren Nuancen zu schätzen weiß, die einem beim ersten Sehen wohl leider entgangen sind.

Diese lange Vorrede soll eigentlich nur dazu dienen, meine Worte hier mit gewissen Vorbehalten zu sehen, denn auch wenn mich die Welt von "Outlander" nach nur zwei Episoden wirklich sehr fasziniert und ich unheimlich gespannt auf mehr bin, kann ich das Gesehene doch noch nicht wirklich richtig einschätzen. Dabei fehlt mir auch das Vorwissen der Bücher meiner Kollegin Lena, die für myFanbase die Auftaktepisode bewertet hat. Ich lasse mich hier momentan vom Geschehen überraschen und werde das wohl auch in Zukunft so handhaben. Was diese zweite Episode sich aber von anderen zweiten Folgen von Serien unterscheidet, und was sie durchaus auch zu ihrem Vorteil nutzt, ist das man eigentlich einen komplett neuen Piloten abliefert. Denn Claires Zeitreise in die Vergangenheit hat in #1.01 Sassenach derart spät stattgefunden, so dass die Folge nahezu ausschließlich im Jahre 1945 gespielt hat und wir hier noch einmal in eine vollkommen neue Welt geworfen werden. Diese neue Welt ist Burg Leoch, auf der der Clan MacKenzie die Führung hat und zu der Claire gebracht wird. Sie stellt sich dabei durchaus als sehr clevere Zeitreisende heraus, die beeindruckend viel über die sehr spezifische und regionale Vergangenheit weiß und dies auch für sich nutzen kann (ganz im Ernst, wenn ich mich in eine ähnliche Situation hineinversetze könnte ich nicht mit Dingen wie dem aktuell regierenden König sowie den genauen politischen Gegebenheiten, wie wer gerade gegen wen Krieg führt, aufwarten). Und Claire ist zwar durchaus überwältigt von der neuen und sehr seltsamen Situation, in der sie sich befindet, was vor allem bei ihrer Ankunft im Schluss dank Caitriona Balfes wunderbarem Mimenspiels und Körpersprache sehr deutlich wird, aber sie bleibt immer in der Lage, sich auf dieses neues Leben einzustellen und nach der anfänglichen Verwirrung durchaus auch ein wenig zu genießen.

Dabei kommt der Geschichte natürlich zugute, dass Schottland hier weiterhin in wunderschönen Bildern dargestellt wird, die es einem sehr leicht machen, ihre Faszination für diesen Geschichtsunterricht am lebendigen Leibe nachzuvollziehen. Und Claire lässt sich auch überraschend wenig von den Plausibilitätsfragen in Sachen Zeitreise beeindrucken, sie scheint überzeugt davon, dass sie nur zu den magischen Steinen zurückkehren muss, um in ihre Zeit zurückzugelangen. Ich als Zuschauer bin da schon skeptischer (durchaus auch mit dem Gedanken, dass so die Serie ja furchtbar schnell wieder vorbei wäre), und ich bin mir momentan noch nicht ganz sicher, ob ich Claires Zuversicht als zu naiv, oder wunderbar unkompliziert einstufen soll. Meine leichten Zweifel, ob Claire die Sache zu leicht verkraftet, kann aber ihr Zusammenbruch an Jaimes Seite, als sie sich zum ersten Mal Gedanken um ihren Ehemann Frank und dessen Reaktion auf ihr Verschwinden macht, zumindest vorerst zerstreuen. Ich interpretiere Claires nur temporäre Verzweiflung zumindest vorerst als Zeichen der Stärke, die sich ja auch sehr gut aus ihrem gesamten Charakter ableiten lässt.

Überhaupt ist Claire eine wunderbare Hauptfigur und dass sie als Protagonistin wie selbstverständlich in die sonst so oft von Männern besetzte Rolle der Heldin eines solchen Epos tritt, ist sehr erfrischend. Bisher gefällt mir ihre Charakterzeichnung sehr, vor allem da sie klug und selbstbewusst, durchaus auch emanzipiert für ihre Zeit ist, aber dennoch glaubhaft aus einer anderen Epoche als wir stammt. Besonders angetan haben mir es ihre kleinen Seitenhiebe auf die Selbstverständlichkeiten einer männerdominierten Welt, wie das Recht auf Vergewaltigung, dass sie so vehement gegenüber Colum MacKenzie in Frage stellt und ihre Erwiderung auf den Spion von Dougal MacKenzie. Vor allem konnte man mit Claires so leidenschaftlich vorgetragener Gegenwehr gegen die Vorstellung, es gäbe eine rechtmäßige Art von Vergewaltigung auch den Eindruck abwenden, dass die Serie die Bedrohung durch sexuelle Gewalt auf Frauen, hier vor allem am Beispiel von Jamies Schwester vorgeführt wird, als billiger und gedankenlos eingesetzter Schockeffekt und lediglich zur Motivation männlicher Figuren nutzt. Natürlich ist in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen und gerade mit dem legendären Ruf von Black Jack, der offensichtlich berühmt berüchtigt für seine Übergriffe ist, wird das Thema noch öfter zur Sprache kommen. Aber bisher präsentiert sich "Outlander" sehr auf Claires Sicht fokussiert, und damit auf die einer Frau in einer von männlichen Gesetzten dominierten Welt und wenn man dabei weiterhin ihre spezifische Art auf die Dinge zu blicken, was man ja auch gut auf ihre Funktion als kriegserprobte Krankenschwester anwenden kann, im Auge behält, habe ich da wenig Bedenken.

Betrachtet man die Episode im Gesamten wird klar, dass hier einiges an Exposition abgeliefert wurde. Das war besonders in Jamies Geschichte der Fall, die aber wohl um den Langeweilefaktor möglichst gering zu halten, vorgeführt wurde, während der sehr sexy seine Wunden präsentierte. Wir wissen nun einiges über Jamies Vergangenheit, haben aber noch lange nicht das gesamte Bild, aber es wird klar, dass zwischen ihm und Claire eine besondere Verbindung besteht, auch weil er ihr so einfach vertraut. Ob sie ihm auch ebenso vertrauen kann, wird sich wohl erst noch zeigen müssen. Denn Claires Version der Geschichte, sich als verlorene Engländerin darzustellen, birgt auch einige Gefahren, schließlich steht sie hier im Verdacht, eine englische Spionin zu sein. Wie man das Gefüge der Charaktere rund um die Familie MacKenzie, den Lord der Burg Leoch, seinen Bruder Dougal, sowie deren gesamte Anhängerschaft einzuordnen hat, muss erst die Zeit noch zeigen.

Wobei mir persönlich die Figuren wie die junge Geillies, die so etwas wie eine Heilerin zu sein scheint oder zumindest in Praktiken wie die Abtreibung eingeweiht ist, und die sich hier mit Claire anfreundet, mehr interessieren. Zumal sie einen dringend benötigten Ausgleich zum ansonsten sehr männlichen Hauptcast bietet. Dass Claire am Ende dieser Folge nicht so einfach abreisen kann, wie sie sich das vorgestellt hat, war dem Zuschauer eigentlich von Beginn an klar. Zwar konnte sie sich dank ihrer guten historischen Kenntnisse, einer gewissen Vorbereitung durch Frank den Spion auf das Leben undercover und ihre Fähigkeiten als Heilerin, recht gut in diesen schwierigen Fahrwassern bewegen, aber am Ende wird ihr doch die Abreise verweigert und damit die kommende Handlung in Gang gesetzt. Nun heißt es auf die nächste Folge warten, um zu erfahren, wie es ihr im weiteren Verlauf widerfährt.

Cindy Scholz - myFanbase

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