Bewertung

Review: #8.02 Kurzschlussentscheidung

Im Laufe der bisherigen sieben Staffeln von "Grey's Anatomy" hat mich kein Charakter durch seine Entscheidungen und sein Verhalten öfter enttäuscht als Derek - und doch will ich unbedingt, dass er und Meredith zusammen sind. Was im Prinzip unlogisch klingt, ist eigentlich ganz plausibel. Erstens: Meredith braucht Derek, um glücklich zu sein, und wer will nicht, dass Meredith glücklich ist? Zweitens: Derek ist immer nur dann ein wirklich sympathischer Charakter, wenn er mit Meredith zusammen ist, denn wenn die beiden gerade getrennt sind, macht er Meredith unglücklich. Drittens: das permanente Hin und Her zwischen den beiden hätte eigentlich spätestens seit der vierten Staffel beendet sein müssen. Momentan aber stecken Meredith und Derek wieder einmal in einer Krise und Derek regt mich gewaltig auf. Mit der selbstgerechten Schwarz-Weiß-Sicht, die er momentan an den Tag legt, gewinnt er vielleicht einen Moralitätspreis, aber disqualifiziert sich als Ehemann total. Wie man es richtig macht, zeigt Owen, der für Cristina da ist, auch wenn er eine andere Entscheidung getroffen hätte als sie. Auch Derek darf anderer Meinung sein als seine Frau, aber sich selbst so auf ein "Ich bin gut, du bist böse"-Podest zu stellen und Meredith alleine zu lassen, ist reichlich erbärmlich.

Webber springt schließlich in die Bresche und nimmt die Schuld auf sich, um Meredith zu schützen. Derek kann diese Tat natürlich nicht nachvollziehen. Er wäre nie auf die Idee gekommen, die Frau zu decken, die vor nicht allzu langer Zeit bereit war, sich erschießen zu lassen, um sein Leben zu retten. Wenn ich mir das Finale der sechsten Staffel in Erinnerung rufe und dann die beiden Auftaktepisoden der achten Staffel betrachte, muss ich mir ein seitenlanges Derek-Bashing schon mühsam verkneifen.

Auch auf Alex war ich am Ende der letzten Staffel ziemlich wütend, doch allein schon, wie er Meredith wegen Zola beisteht, verdeutlicht, dass er seinen Aussetzer ehrlich bereut und dass ihm Meredith viel bedeutet. Meredith stößt ihn nicht weg – und zeigt damit wieder diese Bereitschaft, die Welt nicht nur in schwarz und weiß zu kategorisieren, die wir so gerne von Derek sehen würden. Bei Alex hat man zudem das Gefühl, dass er für seinen Verrat ordentlich bestraft wurde: Beförderung weg, campieren im Krankenhaus, allgemeine Unbeliebtheit und dann auch noch der Knockout im OP. Man kann ihm irgendwie nicht mehr richtig böse sein.

Es ist schon mutig von "Grey's Anatomy", so offen mit dem heiklen Thema Abtreibung umzugehen, das in den USA noch kritischer betrachtet wird als in Westeuropa. Nach wie vor kann ich mich zwar nicht aus ganzem Herzen mit Cristina identifizieren, weil man von ihr als Ärztin, die genau weiß, dass sie keine Kinder will und die schon einmal ungewollt schwanger war, mehr Vorsicht erwarten darf, doch Merediths Worte aus der vorherigen Episode, die sich auch Owen zu Herzen genommen hat, lassen uns einiges klarer sehen. Cristina wäre eine ähnliche Mutter wie Ellis Grey geworden, oder andersherum ausgedrückt, das Kind wäre ähnlich aufgewachsen wie Meredith. Dass dies nicht erstrebenswert ist, wissen wir. Man neigt zwar zu der Überzeugung, dass Cristina weichere Seiten als Ellis besitzt, wie sich zum Beispiel in ihrer Freundschaft mit Meredith zeigt, aber zu dem, was Cristina Ellis voraus hat, zählt eben auch, genau zu wissen, dass sie keine Mutter sein kann und will. Sie ist Chirurgin, das wollte sie immer sein, und wenn sie ein Kind hätte, dann wäre sie eine Chirurgin, die nebenher ein Kind aufzieht, keine Mutter, für die das Kind an erster Stelle steht.

Zweifellos ist Cristinas Ehemann Owen eine stärkere Persönlichkeit als Thatcher, aber ein glückliches Familienleben erzwingen kann auch er nicht. Es wird für Owen und Cristina nun sicherlich nicht einfach, zur Normalität zurückzukehren und herauszufinden, wie es weitergehen soll. Owens Kinderwunsch ist nicht von jetzt auf gleich komplett weggeblasen und vielleicht scheitert die Ehe daran, aber dass er für Cristina da ist, dass er ihre Gefühle wahrnimmt und versteht, rechne ich ihm schon sehr hoch an. Vor allem weil ein gewisser anderer Ehemann in dieser Serie genau dies nicht schafft.

Die ganze "Gunther"-Geschichte ist ein netter Einfall, der aber keine überraschenden Erkenntnisse bringt. Es war abzusehen, dass Jackson gewinnen würde, da sich alles nur auf Cristina, Alex und die als Chief Resident überforderte April konzentriert hat. Bei der ganzen Aufregung um diese drei musste man damit rechnen, dass der vergleichsweise unauffällige Jackson das Rennen macht. Auf diese Weise laufen solche Storys fast immer ab. Mark scheint Jackson nun fördern zu wollen, was man nicht unbedingt als gute Nachricht bezeichnen kann. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Mark Jackson nicht als eigenständige Person wahrnimmt, sondern vor allem als Lexies Freund. Alles, was Mark in Bezug auf Jackson sagt, denkt oder tut, hängt maßgeblich damit zusammen, dass dieser nun mit Lexie liiert ist.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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