Oscarfieber, Teil 10: Unsere Gewinnprognose

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Kein Filmpreis der Welt ist so berühmt und begehrt wie der Oscar. Mit ihm ausgezeichnet zu werden gilt als die höchste Ehrung, die Hollywood einem in der Filmbranche Tätigen entgegenbringen kann. Wer also in die nähere Auswahl für den hart umkämpften Goldjungen gekommen ist, hat in der Regel eine über alle Maßen hervorragende Leistung erbracht. Doch diese spielt bei der letztendlichen Wahl des Gewinners nicht immer die wichtigste Rolle. Andere Faktoren – und das hat oft für Kritik an der Academy gesorgt – können genauso ausschlaggebend sein, wenn nicht gar entscheidend.

Ist der oder die Nominierte ein Newcomer, der auch in späteren Jahren noch gewinnen könnte? Ist er oder sie längst "überfällig" für einen Gewinn? Wurde die betreffende Person in den vergangenen Jahren schmählich bei den Nominierungen oder Auszeichnungen übergangen und verdient eine "Wiedergutmachung"? Man könnte die Fragen noch fortführen.

Ein Überblick über Favoriten und Außenseiter sowie der Versuch einer Gewinnprognose meinerseits für die Kategorien Bester Film, Bester Hauptdarsteller, Beste Hauptdarstellerin, Bester Nebendarsteller, Beste Nebendarstellerin, Beste Regie, Bester Animierter Film und Bester Ausländischer Film findet ihr im Anschluss.

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Die Nominierten:

"Avatar - Aufbruch nach Pandora"
"Blind Side - Die große Chance"
"District 9"
"An Education"
"Tödliches Kommando - The Hurt Locker"
"Inglourious Basterds"
"Precious - Das Leben ist kostbar"
"A Serious Man"
"Oben"
"Up in the Air"

Noch letztes Jahr hätte man folgende Behauptungen aufstellen und sich dabei nahezu in Sicherheit wiegen können: "Oben" wird nicht gewinnen, da es als Animationsfilm seine eigene Kategorie besitzt, während gegen die Mitbewerber "Blind Side", "District 9", "An Education" und "A Serious Man" die geringe Anzahl von Nominierungen spricht. 2010 jedoch stehen diese Schlussfolgerungen wegen einer Regeländerung möglicherweise auf etwas wackligen Beinen. Neu ist, dass – im Gegensatz zu den restlichen Kategorien - nicht mehr die einfache Mehrheit entscheidet. Stattdessen muss jedes Academy-Mitglied seine persönliche Top-Ten aufstellen. Alle Listen werden schließlich miteinander verglichen. Kommt kein Film über 50 Prozent, wird zunächst der Film, welcher sich nun auf dem letzten Platz befindet, ausgeschlossen und die Auszählung beginnt erneut. Das Verfahren dauert so lange an, bis eines der nominierten Werke die absolute Mehrheit erlangt hat.

Das Rennen um die Trophäe für den Besten Film war lange nicht mehr so offen. Als größter Favorit gilt "Tödliches Kommando – The Hurt Locker", der im Vorfeld die meisten Preise gewonnen hat. Gefährlich könnten ihm vor allem "Inglourious Basterds" (gewann, wie der Gewinner von 2006, "L.A. Crash", den SAG-Award für das beste Ensemble) und "Up in the Air" werden. Doch auch "Precious" und "Oben" sind nicht zu unterschätzen. Persönlich denke ich nicht, dass "Avatar – Aufbruch nach Pandora" wirkliche Chancen hat. Die technischen Aspekte des Films haben zwar sein gesamtes Publikum in großes Staunen versetzt, aber gleichzeitig wurde das Drehbuch vielfach kritisiert.

And the Oscar goes to… "Tödliches Kommando – The Hurt Locker" | Alternativ: "Inglourious Basterds"

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Jeff Bridges für "Crazy Heart"
George Clooney für "Up in the Air"
Colin Firth für "A Single Man"
Morgan Freeman für "Invictus - Unbezwungen"
Jeremy Renner für "Tödliches Kommando - The Hurt Locker"

Bridges ist der unumstrittene Frontrunner. Noch ist er, der zum fünften Mal Nominierte, oscarlos. Die fehlende Nominierung für "The Door in the Floor – Die Tür der Versuchung" (2004) wurde von Kritikern sehr bedauert. Bridges gilt nicht nur als großartiger Schauspieler, sondern auch als längst überfällig. Zudem gewann er für "Crazy Heart" bereits den Golden Globe, den SAG-Award sowie den Critics Choice Award.

Renner mag auf den ersten Blick als Außenseiter erscheinen. Sollte aber das hochgelobte "Tödliches Kommando – The Hurt Locker" sich als Abräumer der 82. Verleihung erweisen, dann könnte auch sein Hauptdarsteller davon profitieren. Clooney, zweifellos der bekannteste der Oscarkandidaten, erhielt für seine Leistung beste Kritiken und wurde mit Nominierungen für die wichtigsten Preise der diesjährigen Awardseason bedacht. Clooney durfte jedoch bereits 2006 einen Goldjungen mit nach Hause nehmen. Sein Gewinn liegt also nicht einmal fünf Jahre zurück. Freeman stellt eine reale Figur unserer Zeit dar, was immer ein gewaltiger Pluspunkt ist. Allerdings ist sein Gewinn für "Million Dollar Baby" von 2005 nicht allzu viele Jahre her.

Angesichts der Konkurrenz sehe ich ausgerechnet in Firth den wahren Außenseiter dieser Kategorie und halte seine Gewinnchancen für sehr gering.

And the Oscar goes to… Jeff Bridges | Alternativ: Jeremy Renner

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Sandra Bullock für "Blind Side - Die große Chance"
Helen Mirren für "Ein russischer Sommer"
Carey Mulligan für "An Education"
Gabourey Sidibe für "Precious - Das Leben ist kostbar"
Meryl Streep für "Julie & Julia"

Das Rennen um die Trophäe für die Beste Hauptdarstellerin ist in meinen Augen offener als es zunächst angesichts Bullocks Favoritenstatus wirkt. Bis auf Helen Mirren, die erst 2007 für "Die Queen" gewann und deren jetzige Nominierung im Vorfeld als unsicher galt, könnte meiner Ansicht nach jede der restlichen vier Damen es am 7. März auf die große Bühne schaffen, um sich dort ihren Preis abzuholen.

Für Bullock sprechen der Gewinn des Golden Globes, SAG-Awards und Critics Choice Awards (den sie aber mit Streep teilen musste) sowie ihre überaus große Beliebtheit. Streep, die Königin der Oscar-Nominierungen in den Schauspielerinnenkategorien, mag zwar gleich zwei Goldjungen ihr Eigen nennen dürfen, doch ihr letzter Gewinn war 1982. Seitdem hat Streep großartige Leistungen abgeliefert, die zwar immer wieder und wieder mit einer Nominierung, nie aber mit einem erneuten Gewinn belohnt wurden. Wie oft wollen die Mitglieder der Academy die von ihnen so sehr geschätzte Streep noch verlieren lassen? Mulligan und Sidibe durften Kritikerhymnen en masse sammeln. Mulligan hat den BAFTA gewonnen, Sidibe hat die wichtigsten Nominierungen erhalten. Sollten Bullock und Streep einander die nötigen Stimmen wegschnappen, könnte sich dies zum Vorteil der beiden Oscarneulinge erweisen.

And the Oscar goes to… Sandra Bullock | Alternativ: Carey Mulligan

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