Bewertung
Jay Roach

Bombshell - Das Ende des Schweigens

Mitte Mai schlug "Männerwelten", ein fünfzehnminütiger TV-Beitrag von Joko & Klaas, hohe Wellen. Vor allem deswegen, weil er Aufmerksamkeit für ein Thema schaffte, das eigentlich seit Jahren versucht, Beachtung zu finden, speziell durch die #MeToo-Bewegung: Sexuelle Belästigung findet vielfältig statt. "Bombshell" setzt hier bei unzähligen Fällen in den vergangenen Dekaden an: Der Fall Fox News unter Roger Ailes.

Foto: Copyright: 2020 EuroVideo Medien GmbH
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"Jemand muss dem Einhalt gebieten. Jemand muss wütend werden."

Inhalt

Die TV-Journalistin Megyn Kelly (Charlize Theron) geht 2016 hart mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Präsidentschaftskandidat Donald Trump ins Gericht. Gleichzeitig brodeln dieselben Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber Fox News, genauer: Roger Ailes (John Lithgow). Gretchen Carlson (Nicole Kidman) sucht Frauen, die ebenso wie sie von ihrem Senderchef sexuell belästigt wurden.

Kritik

Zunächst sei gesagt: "Bombshell" trumpft mit einem Cast auf, der bis in die kleinste Nebenrolle hochkarätig besetzt ist. Neben den Leading Ladies Charlize Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie ergänzt die Reihe Kate McKinnon, die zwar manch lustiges "Saturday Night Live"-Gesicht zieht, aber auch beweist, dass sie durchaus das ernste Fach beherrscht. Für Roger Ailes fiel die Wahl auf John Lithgow, bekannt zum Beispiel als Winston Churchill aus "The Crown", an den er in Ailes' Schwerfälligkeit immer wieder erinnert. Außerdem unter anderem mit dabei: Allison Janney ("Mom") vertritt Ailes juristisch, Madeline Zima aus "Die Nanny" spielt eine Visagistin.

Darüber hinaus arbeitet der Streifen mit einer Mischung aus echten Szenen von Donald Trump – und auch seine Tweets werden reingeschnitten – und Montagen mit dem Cast. Immer wieder durchbricht Megyn Kelly die vierte Wand, um sich an die Zuschauerschaft zu wenden und sie abzuholen. Das ist leider auch das Problem des Films: Es fehlt eine klare Struktur. Während sich zunächst eigentlich alles um den Krieg zwischen Kelly und Trump dreht ("Der wird niemals Präsident!"), wird Trump schnell komplett gar nicht mehr beachtet. Zwar schließt sich am Schluss der Kreis, aber grundsätzlich scheint es, als hätte der Film einfach mehr Laufzeit gebraucht. Man versucht zwar, die Familienumstände der verschiedenen Figuren aufzuzeigen und ihre Herkunft und Motivation dadurch einzuordnen, das kommt aber teilweise so kurz, dass man es sich fast gleich hätte sparen können.

Am besten gelingt das noch bei Kayla Pospisil, die für eine Karriere bei Fox News sterben würde. Sie freundet sich bei einem Redaktionswechsel mit Kate MacKinnons Jess an, die beiden landen im Bett. Lesbisch sei Kayla aber dadurch nicht, logisch. Jess erzählt Kayla davon, dass sie eigentlich Clinton unterstützt. Im Grunde spricht alles dagegen, dass Jess überhaupt bei Trumps Lieblingssender arbeitet. Denn immerhin ist Ailes' Erfolgsstrategie für den Kanal: Sex sells. Die Moderatorinnen zeigen viel Bein und die transparenten Tische unterstreichen das. Kayla schießt alle Warnungen gegen den Wind – und stellt sich Roger persönlich vor. Und der will genau das – Bein sehen. Bis zum Höschen. Margot Robbie spielt Kaylas Scham schmerzhaft authentisch. Zuvor war die sexuelle Belästigung nur sehr subtil, so auch Kaylas Beförderung selbst.

Stilistisch wurden zudem Entscheidungen getroffen, die das Verstehen noch weiter komplizieren. Man hätte beispielsweise die vorhergehenden Probleme zwischen den Murdochs und Roger besser mit zwei Sätzen erzählen könnten, als mit einer Rückblicksszene ins Jahr 2001.

Und auch Kaylas sexuelle Orientierung hätte man anders aufrollen können. Stattdessen ruft Kayla während eines Dates mit einem Typen Jess an, um am Handy auf der Straße wegen ihrer Erfahrungen mit Roger zusammenzubrechen. Hier will der Film zu viel auf einmal.

Wackelnde Kamerazooms unterstreichen einen gelegentlichen Dokumentationsstil, irritieren aber auch. Der kaum eingebrachte Soundtrack unterstützt aber das furchtbare Schweigen der Beteiligten, das sich Roger durch seinen Spruch zum Thema Loyalität erkauft.

Fazit

Wer den Fall von Roger Ailes damals über die Medien mitbekommen hat, wird es definitiv leichter haben, "Bombshell" zu folgen. Ein Problem, das bereits "Die Verlegerin" hatte – Vorkenntnisse sind von großem Vorteil. Leider wird zum Beispiel nie richtig klar, warum Roger Megyn gegen Trump, zumindest auf privater Schiene, unterstützt. Die schauspielerische Leistung des gesamten Casts begeistert jedoch, vor allem eine Aufzugsszene, in der Nicole Kidman, Charlize Theron und Margot Robbie, deren Kayla gerade auf dem Weg zu einem weiteren sexuellen Übergriff ist, sich gegenseitig an die Wand spielen, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.

Simone Bauer - myFanbase
25.05.2020

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