Bewertung

Review: #5.17 Nachholbedarf

Während viele Serien so kurz vor dem Staffelfinale ein wenig bummeln, um alles für den Endknall vorzubereiten, scheint "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" offenbar den Trend zu setzen, direkt vor dem Staffelfinale noch einmal einen rauszuhauen. Zwar hat diese Episode nur eine richtig starke Storyline, aber diese ist so emotional gestaltet worden, dass sie locker alles überstrahlt. Deswegen fällt mir zwar auf, dass die restlichen Handlungen nicht wirklich auf etwas hinarbeiten, aber es hat mich wenig bis gar nicht gestört, was auch noch einmal unterstreicht, wie stark DIESE eine Storyline war.

Arbeiten wir uns doch von unten nach oben vor. Travis Montgomery als Bürgermeister. Das wird wohl offenbar wirklich wahr; oder schränken wir ein, der Wahlkampf wird zumindest sehr sicher kommen. Ich denke, dass es ein großer Handlungsbogen für die bereits bestellte sechste Staffel wird, aber Begeisterung löst das bei mir nicht aus. Ich habe es oft genug gesagt, Travis ist eigentlich wirklich lange mein Liebling gewesen (Staffel 5 war leider nicht so gut zu ihm), aber ich sehe ihn in so einer Storyline einfach nicht. Als er dann auch noch wie selbstverständlich sagte, dass er Angst hat, wirklich Bürgermeister zu werden, da musste ich doch laut lachen. Klar könnte der Gegensatz zu Michael Dixon nicht größer sein, aber wenn wir uns die US-Wahlen der letzten Jahre anschauen, wie regelmäßig siegt da der Fortschritt? Ich akzeptiere, dass so ein Wahlkampf grundsätzlich ein Mehrwert für die Serie sein kann, gerade weil die gewählten Themen oft gesellschaftspolitisch sind, aber ich weiß einfach nicht, ob Travis wirklich die kluge Wahl ist.

Während die Tatsache, dass Ben Warren nun bald offiziell Pru Miller bei sich aufnehmen darf, fast unter den Tisch fällt, darf er stattdessen als Detektiv agieren und beobachtet den Umgang von Robert Sullivan und Natasha Ross genauer. Letztere verhält sich weiterhin sehr kühl und erhaben gegenüber ihrem Liebhaber, weil Sean Beckett auch ständig seine Kommentare tätigt, doch dabei merkt sie nicht, dass sie gleich so übertrieben in die andere Richtung agiert, dass es erst recht auffällig ist. Auch das ist ein Handlungsbogen, der mich aktuell gar nicht wirklich zu überzeugen weiß, zumal auch wieder nicht viel Bewegung drin ist. Mir tut Sullivan auf jeden Fall leid, denn nicht nur, dass er sich von Natasha so behandeln lassen muss, die dann nach Dienstende wieder angekrochen kommt, diese Spielchen und Geheimnisse helfen nicht, dass er sich im Team mal wirklich bedingungslos angekommen fühlt. In der letzten Episode war es ja süß, wie Victoria "Vic" Hughes seine lustige Seite entdecken durfte, doch schon gibt es wieder einen Rückschritt. Ben glaubt ihm nicht, Carina DeLuca behandelt ihn weiterhin auf Distanz, aus Loyalität zu Maya Bishop und diese weiß eben auch nicht wirklich, was seine Agenda ist und unterstellt ihm lieber das Schlimmste, ohne es ihm aber wirklich vorzuwerfen, da Maya schließlich selbst ein (tendenziell) ungesundes Karrierestreben hat. Es ist langsam etwas ermüdend, dass Sullivan doch immer wieder in dieser Ecke landet, obwohl er seinen kollegialen Wert immer öfters unterstreicht (und ja, mir fällt auf, dass ich ihn inzwischen echt gut leiden kann!). Bei Carina wiederum geht es weiter mit der Green Card. Noch wirkt alles recht unauffällig, aber arbeitet das auf ein Drama hin? Das ist für mich noch nicht ganz zu erkennen, aber vielleicht wird es dann Thema, wenn sie wirklich schwanger ist…

Am gemeinsamen Kriseneinsatz von Vic und Theo Ruiz hatte ich eigentlich nichts zu meckern, aber er war mehr als ein generelles Statement als fortschrittlich für die Handlung zu sehen. Eigentlich hatte ich den Handlungsbogen deswegen auch etwas anders erwartet, denn ich hätte eher gedacht, dass vielleicht mal die Herausforderungen in den Vordergrund gestellt werden, wenn Lebenspartner auch beruflich so eng miteinander agieren müssen. Stattdessen geht es um den transsexuellen Matt, der von seiner Mutter und ihrem neuen Partner nicht als junger Mann akzeptiert wird. Es war interessant, die Sichtweise von beiden Seiten in einem so extremen Ausmaß präsentiert zu bekommen, denn so wurde nicht lange herumgefackelt und dennoch ist Matts Geschichte gut auf den Punkt gebracht worden. Ergänzt wurde das Ganze von einer persönlichen Geschichte von Theo. Wer weiß, ob wir seinen Freund in der neuen Staffel vielleicht mal kennenlernen (vielleicht was für Travis?), aber vielleicht wurde es einfach nur eingestreut, um noch einmal eine weitere Sichtweise zu haben, wie schlimm es Menschen ergeht, die nach der Meinung einiger nicht so leben dürfen, wie sie es wollen. Hiermit ist die gesellschaftspolitische Seite von "Seattle Firefighters" wieder betont, doch vielleicht wäre es wirklich besser, auf diese Art bei der Verarbeitung zu bleiben, als sich gleich in den Wahlkampf zu stürzen.

Zuletzt haben wir dann noch die Storyline rund um Jack Gibson, die mich jetzt noch mit etwas zeitlichem Abstand sehr berührt, auch weil sie in diesem Ausmaß so unerwartet kam. Ich bin eiskalt erwischt worden, aber feiere diese negative Überraschung doch sehr, weil es uns zum einen diese tolle schauspielerische Leistung von Grey Damon und Jaina Lee Ortiz in Kombination beschert, sondern weil es auch für die Zukunft sehr viele Möglichkeiten, neue Figuren und alles eröffnet. Aber kommen wir zum Kern der Handlung. Es war schön, Andy Herrera und Jack bei diesem kleinen Roadtrip zu seinem Bruder Joshua zu sehen, denn die beiden sind sich wirklich ganz tolle Freunde geworden. Sie hat erkannt, dass er diesen Besuch nicht alleine durchstehen wird und er wiederum ahnt, dass es auch Andy gut tut, Ablenkung zu finden. Die Gedankenspiralen, die beide auf der Hinfahrt durchmachen, sind gut beleuchtet worden und gerade bei Jack war deutlich, wie verunsichert er wegen seiner selbst ist, weswegen er zahlreiche Kleinigkeiten vorbereitet hat, um sich selbst beweisen zu können. Er weiß einfach, wie ungewöhnlich seine Kindheit war und will keinesfalls, dass ihm das als Makel ausgelegt wird. Andy wiederum hat sich damit zu beschäftigen, dass der Prozess näher rückt und sie weiterhin wie eine Täterin behandelt wird, obwohl die Nachwirkungen des sexuellen Missbrauchs immer noch in ihr nachwirken und sie sich als Opfer empfindet. Doch ihr wird gar nicht so viel Raum gelassen, sich so wirklich fühlen zu dürfen, weil von außen überall die Anzeichen kommen, was alles gegen sie spricht. Die beiden sind wirklich in einem emotionalen Schwebezustand ohne Boden und das setzt ihnen schon deutlich zu.

Als die beiden dann wirklich bei Joshua angekommen sind, begegnen wir einem doch wirklich sympathisch erscheinenden jungen Mann und dennoch sagen die Signale sofort, irgendetwas stimmt nicht, denn er lädt die beiden nicht ins Haus ein, sondern führt sie einmal drum herum, um sie im Garten zu bewirten. Das Plaudern geht zunächst gut los, auch wenn schnell zu merken ist, wie klein sich Jack sofort fühlt, als er die ganzen beruflichen und persönlichen Erfolge seines Bruders zu hören bekommt. Es ist nicht so, dass er es ihm nicht gönnen würde, denn jedes Kind, das nicht auf die brutal hässliche Art und Weise wie er selbst das Pflegesystem durchlaufen muss, wird auch er als Gewinn betrachten, und dennoch taucht sofort ein 'Was wäre, wenn…?' im Kopf auf. Doch das eigentlich Schlimme ist dann eben, dass Joshua nicht einfach Glück hatte, tolle Adoptiveltern zu erwischen, sondern er wurde gar nie adoptiert. Stattdessen ist er mit zwei weiteren Geschwistern glücklich bei ihren gemeinsamen leiblichen Eltern aufgewachsen, die sich wegen ihres jungen Alters bei Jack gegen ihn entschieden haben. Das waren wirklich emotionale Tiefschläge, die Jack innerhalb kürzester Zeit verdauen musste und man hat richtig gemerkt, wie er immer mehr innerlich zugemacht hat, weil er das alles gar nicht verarbeiten konnte. An dieser Stelle kommt Andy ins Spiel, die über den Verlauf von "Seattle Firefighters" hinweg mir als Freundin oft genug sehr selbstsüchtig agiert hat, aber hier hat sie Selbstlosigkeit, gute Instinkte und einfach Empathie für ihren besten Freund gezeigt und das Treffen abgebrochen. Es waren sehr berührende Szenen und es tat mir unweigerlich für Jack weh, denn sein Leben ist definitiv in allen Grundfesten nun eingestürzt. Alles, was er sich vermutlich ausgemalt hat, um zu rechtfertigen, dass er als Baby weggegeben wurde, zerfällt einfach zu Asche und zurück bleibt: Leere. Hinzu kommt eben, dass Jack eine Erdung gehabt hätte, wenn er eine tolle Adoptivfamilie gefunden hätte, doch dem war nicht so und so ist er in ein Schicksal weitergegeben worden, das viel schlimmer war als das, was sich seine leiblichen Eltern MIT ihm ausgemalt haben.

Schon oft genug ist Jacks Vergangenheit im Pflegesystem angesprochen worden und schon durch sein Gespräch mit Carina nach dem Angriff auf Andy war deutlich geworden, dass mehrfacher Missbrauch stattgefunden haben muss. Das hat er nun noch einmal bestätigt und mit dieser Vorstellung im Kopf muss es wirklich schlimm sein, dass seine drei leiblichen Geschwister ein Leben hatten, von dem er nur träumen konnte. Es ist gut, dass Jack fürs Erste etwas rauslassen konnte, aber es ist klar, dass noch viel mehr nachkommen wird. In einer Staffel, in der Jack doch eher für die lustigen Momente zuständig war und wo er vor allem in Bezug auf die Vaterschaft mit seinem Sperma immer sehr unbeholfen agiert hat, erleben wir nun eine ganz andere Seite und ich bin wirklich stolz auf Damon, dass er diesen Spagat gut darstellen kann und diese verletzliche Seite nun so anbieten kann, dass sie dorthin geht, wo es hingehört: mitten ins Herz.

Fazit

Die Wendung rund um Jack Gibsons Familiengeschichte war wirklich eine riesige Überraschung, die aber emotional alles ausgereizt hat, was eine solche Episode benötigt. Zudem bietet diese neue Ausgangslage natürlich viel Potenzial für die Zukunft. Der Rest führt zwar nur auf Sparflamme die anderen Handlungsbögen fort, aber das stört in dieser einnehmenden Episode wenig.

Lena Donth – myFanbase

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