Bewertung

Review: #16.02 150 Meter

Foto: Chandra Wilson, Grey's Anatomy - Copyright: 2020 ABC Studios; ABC/Ali Goldstein
Chandra Wilson, Grey's Anatomy
© 2020 ABC Studios; ABC/Ali Goldstein

In meiner letzten Review war ich noch mehr als skeptisch, was die Schwangerschaft von Amelia angeht, jetzt war sie für mich die beste Storyline der Folge. Das Timing im großen Serienzusammenhang ist meiner Meinung nach immer noch alles andere als optimal, doch hier sind es die Charaktere, die in #16.02 Back in the Saddle absolut überzeugen konnten. Auf der einen Seite Amelia, die mit den Neuigkeiten auf den ersten Blick überraschend locker umgeht. Dabei wäre ihre anfängliche Idee, Link einfach per Kurznachricht aufzuklären, im Nachhinein wohl doch noch besser gewesen, als ihr Überfall im Treppenhaus. Was war das denn bitte für eine Aktion? Klar, sie wollte die ganze Sache möglichst schnell und schmerzlos hinter sich bringen, ohne Link irgendwie groß in die Verantwortung zu ziehen. Trotzdem konnte einem Link in der Situation einfach nur leid tun, wie er in Schockstarre zurückbleibt. Doch wo Amelia Maggie hat, hat Link Jo. Es freut mich sehr, dass die lange Freundschaft der beiden weiterhin einen festen Standpunkt in der Serie hat, denn sie können beide jemanden gebrauchen, der ihre ganze Vergangenheit kennt. Von seiner früheren Krebserkrankung bis hin zur eher allgemeinen Frage, ob man ein Kind in diese Welt bringen sollte, ist es vor allem eines, was Link beschäftigt: Angst. Aber trotz dieser Angst hat Link immer Amelia im Fokus. Für ihn ist es Amelias Entscheidung, noch bevor die beiden überhaupt Zeit hatten, ordentlich über die ganze Sache zu sprechen und er sieht sich in diesem Entschluss bestätigt, nachdem sie ihm ihre Vorgeschichte erzählt hat. Es ist letztlich genau diese bedingungslose Unterstützung, die Amelia davon überzeugt, ihre eigenen Ängste zu überwinden. Meine Güte, sie hat den Rückhalt wirklich mehr als verdient. Daher bietet dieses doch eigentlich recht abgedroschene Thema einiges an Entwicklungspotential sowohl für Amelia und Link als eigenständige Charaktere als auch für sie als Paar.

Ebenso glücklich bin ich über Jo, die mit frischer Energie zurück an die Arbeit geht. Noch besser ist aber ihr Selbstbewusstsein, mit dem sie ihre neue Position aushandelt. Mit dem Pac Gen als Druckmittel und ihren herausragenden Leistungen kann sie sogar Bailey von sich überzeugen. Verdient hat Jo das auf alle mal, trotzdem ist es nur wieder ein Zeichen für die stetige Veränderung, die gerade im Grey + Sloan Memorial Hospital vollzogen wird. Am meisten fällt das natürlich nach wie vor bei dem Fehlen der "Big Three", dem Originalcast mit Meredith, Alex und Richard auf. Natürlich haben sie alle ihre eigenen Handlungsstränge und sind so immer noch zu genüge zu sehen, doch es ist einfach nicht das Gleiche. Alex und Richard haben gewissermaßen beim Feind anfangen und müssen nun das anscheinend schlecht geführte Pac Gen wieder auf Vordermann bringen. Ähnlich wie auch bei Bailey fällt hier auf, dass Richard sich anfangs etwas kindisch und widerwillig präsentiert, während Alex souverän das Beste aus der Situation machen will. Zugegebenerweise ist seine Verbitterung verständlich und ich mache auch schon seit Jahren Witze darüber, dass bei den ganzen Castwechseln am Ende der Serie wohl nur noch Webber alleine durch die Gänge des Krankenhauses geistern wird. Trotzdem muss er nun eben die Konsequenzen für sein Handeln tragen, ob die nun gerechtfertigt sind oder nicht. Umso besser, dass Alex und Richard sich am Ende dazu entschließen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und das Krankenhaus zu retten. Interessant wird die Geschichte sicherlich, trotzdem fühlt sich diese räumliche Trennung der Handlung vom Hauptgeschehen der Serie irgendwie falsch an.

Ähnlich ist es bei Meredith. Die untersucht munter ihre neuen Kollegen, was zusammen mit ihren Geheimnachrichten an die anderen Ärzte herrlich amüsant anzusehen war. Trotzdem wurde ziemlich schnell offensichtlich, in welche Richtung sich die Geschichte eigentlich bewegt: Das große Problem der amerikanischen Krankenversicherung. Damit widmet sich "Grey's Anatomy" einem Thema, wie es im Land zur Zeit nicht aktueller sein könnte, noch dazu, wo man sich stetig der Präsidentschaftswahl nähert. Dort sind Schicksale, wie die von Robin, die sich keine Behandlung leisten kann und letztlich zwischen dem Bankrott und dem Tod wählen muss, an der Tagesordnung. Von dem her ist es eine gute Entscheidung, diese Problematik in der Serie zu thematisieren. Inwieweit aber Merediths Idee, ihre Entdeckungen zu veröffentlichen, funktionieren soll, da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Irgendwie kommt man damit zu weit vom eigentlichen Inhalt der Serie, oder zumindest von Merediths Rolle darin weg.

So entstehen langsam aber sicher zwei Handlungsstränge, die sich zum Teil abgesondert vom Krankenhaus abspielen. Da es ganz danach aussieht, als würden diese Entwicklungen auch erst einmal von Dauer sein, frage ich mich nun, ob es gelingt, diese Geschichten unter einen Hut zu bekommen. Läuft es womöglich darauf hinaus, dass man das Pac Gen und Merediths Kampf gegen die Ungerechtigkeit gewissermaßen als Gegenspieler zum Alltag am GSMH einsetzen wird? Dass ein Konkurrenzkampf zwischen den Krankenhäusern beginnt und Meredith weiterhin unerwünscht im eigenen Krankenhaus ist? Oder gibt es bald wieder einen Zeitsprung und alles kommt zurück in die Normalität?

Randnotizen:

  • Was war das für eine Achterbahnfahrt, was die Szenen mit Tom und Owen anging? Erst der herrliche Schlagabtausch im Fahrstuhl. Dann diese Szene im Schockraum (okay, ich gestehe - ich musste sehr lachen, auch wenn die ganze Sache auf medizinische bzw. professionelle Sicht ein absolutes No-Go war. Wie kann man denn bitteschön vergessen, dass die Paddles geladen sind?!). Und abschließend die einstweilige Verfügung. Das passt irgendwie so gar nicht. So blöd die Aktion auch war, scheint Owen definitiv nicht absichtlich gehandelt zu haben und Tom ist eigentlich doch viel zu selbstbewusst, um aus Gemeinheit auf solche Tricks zurückzugreifen. Ist die Verfügung also nur ein Plot Device? Soll Tom so an Sympathien verlieren und sich gewissermaßen in einen Gegenspieler verwandeln? Oder wird die Verfügung durchgesetzt und Owen muss vielleicht das Krankenhaus verlassen – womöglich ebenfalls zum Pac Gen? Auf jeden Fall hoffe ich nur, dass man den tollen Charakter Tom Koracick hier nicht absichtlich an die Wand fährt, um noch etwas zusätzliches Drama im Love Triangle (wenn es denn noch eines ist) zu stiften.
  • Update: Auch frisch getrennt nervt die Beziehung von Maggie und Jackson. Dieses Mal geht das Ganze aber von Maggie aus, die – trotz großer Reden – nicht so wirklich loslassen kann und nun stattdessen Jacksons neue Freundin/Bekannte Vic schlecht macht. Kein schöner Zug von ihr und absolut unnötig.
  • Es ist wirklich amüsant und leicht beleidigend, wie die anderen Krankenhäuser in Seattle immer in so einem schlechten Licht dargestellt werden.
  • Mal sehen, wie es mit Andrew weitergeht. Der ist auf der einen Seite Meredith treu ergeben, auf der anderen mehr als selbstbewusst, was sein medizinisches Können angeht. Hoffentlich tut sich bei ihm beruflich gesehen bald eine richtige Storyline auf, damit er etwas aus der Rolle als Merediths Fan Nummer 1 herauskommt.

Fazit

Nach dem etwas chaotischen Staffelauftakt kann diese Episode einige der neuen Handlungsstränge ordentlich zum Laufen bringen. Dabei ist es vor allem Amelias Schwangerschaft, die überraschenderweise viel Potential birgt. Ähnlich interessant könnten auch Merediths Kampf gegen die Krankenversicherungen und Alex und Richards Großprojekt am Pac Gen werden – vorausgesetzt, man schafft es die externen Geschichten erfolgreich in das Hauptgeschehen am Grey + Sloan Memorial Hospital einzubetten. Auf jeden Fall scheint diese Staffel somit eine andere Dynamik zu bekommen als ihre Vorgänger.

Denise D. - myFanbase

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