Bewertung

Review: #2.05 Schatten der Vergangenheit

Der Titel der dieswöchigen Folge verspricht einiges. Zum Einen erwartet man natürlich, dass die Geschichte um Wallaces Vater weitergesponnen wird, aber zum Anderen hofft man inständig darauf, dass einige Dinge der Staffel 1 wieder aufgegriffen werden. Leider bleibt eine kurze "Botschaft" Lillys das Einzige, was hier an die 1. Staffel erinnert und diese wird lediglich als Mittel zum Zweck genutzt um die Geschichte zwischen Jackie und Veronica zuzuspitzen. Dennoch hält sich die Enttäuschung in Grenzen, denn eine weitere Botschaft einer Toten schüttelt die Folge und die gesamte Geschichte um den Buscrash ordentlich durch.

Geisternachricht

Nein, hier geht es mir nicht vorrangig um die kurze "Botschaft" Lillys, sondern um die Voicemail, die in den letzten Sekunden eines Lebens aufgezeichnet wurde, dass durch das Busunglück jäh verkürzt wurde. Die Nachricht kann nicht nur als Beweis gelten, dass nicht der Busfahrer der Schuldige an dem Unfall ist (etwas, dass wir und Veronica schon seit der zweiten Folge wissen und dennoch nie bis zum Esel an der Spitze des Sheriffs Departments Neptunes durchdrang), sondern er bestärkt den Verdacht, dass der Bus sabotiert wurde, weil jemand darin sterben sollte. Wer erinnert sich nicht an Veronicas egozentrische Annahme, dass dieser Unfall ihr galt? Hier kommt nun also ein deutlicher Hinweis in diese Richtung auf und Veronica fühlt sich nicht in ihrer Rolle als Schuldige und erwünschtes Opfer bestärkt – inkonsequente Storyführung, denn noch in den vergangenen Folgen war Veronica darauf erpicht diesen Unfall nur auf sich zu beziehen. Warum hier mit dieser (beinahe schon) Charaktereigenschaft Veronicas gebrochen wird, ist mir völlig unklar. Darüber hinaus ist es dennoch schön zu sehen, dass endlich wieder Bewegung in diesen Fall kommt, auch wenn er in dieser Folge vor allem dafür genutzt wird, eine weiter Story voranzutreiben.

Wahlkampf

In dieser Folge wird erneut deutlich, warum Keith stets am Rande der Gesellschaft steht und versucht sie zu verbessern, anstatt in ihrem Mittelpunkt zu stehen. Er ist über alle Maßen moralisch (das meine ich durchaus positiv) und nicht gewillt andere Menschen (oder in diesem Fall den Tod anderer Menschen) für seine persönlichen Vorteile zu nutzen. Er bleibt somit der moralische Fixpunkt dieser Serie, denn nicht nur sein Kontrahent (Lamb) ist durchaus bereit dazu, die Schuld an dem Tod neun Unschuldiger auf seinem Widersacher abzuladen um seine eigene Position zu sichern, sondern auch Veronica lässt ja des Öfteren ein gewisses Spektrum an Skrupellosigkeit erkennen. Keith hingegen ist bereit seine eigenen Interessen hinter das zu stellen, was in seinen Augen richtig ist. Eine sympathische Eigenschaft, die ihn schon einmal zum Deppen Neptunes machte und nun auch droht dies wieder zu tun.

Hier eine wunderbare Veranschaulichung dessen, was es einem einbringt das Richtige zu tun (auch wenn es ja noch nicht endgültig geklärt ist, wer die Wahl zum Sheriff nun gewinnen wird, wird doch in dieser Folge ein starker Verdacht geschürt). Ob dies nun so von Rob Thomas beabsichtigt war bleibt offen, aber er stellt hier etwas dar, was er immer wieder in dieser Serie durchschimmern lässt: wer oben ist, ist dort durch Skrupellosigkeit hingekommen und erhält diese Position durch Skrupellosigkeit. Und während es in so manch vergangener Folge ab und zu ein wenig wie mit dem Vorschlaghammer gemeißelt schien, so inszeniert er hier diese Botschaft auf wunderbare, subtile Weise. Wirklich hervorragend.

Lebenskrise

Wallaces Leben zerfällt. Seine Mutter hat ihn sein Leben lang belogen und ihn in dem Glauben gelassen, dass der Mann, der ihn erzogen hat, auch sein biologische Vater ist. (Wann man jemanden als "Vater" bezeichnet wird hier erneut aufgeworfen und wie schon in der ersten Staffel machen die Schreiberlinge hier ihre Position deutlich: der Vater ist derjenige, der sich sein Leben lang um einen gekümmert hat. Schöne Reprise eines einst noch so zentralen Themas der Staffel 1.) Als Wallace herausfindet, dass dies nicht der Wahrheit entspricht, tischt ihm seine Mutter eine weitere Lüge auf und so muss er sich durch ein wirres Gestrüpp an die Wahrheit kämpfen, die sein Leben sein soll.

In dieser Folge kommt es also endlich zu der so lang erwarteten Explosion der Freundschaft zwischen Veronica und Wallace. Erstmals stellt er sie vor die Wahrheit, die er wie wir auch als Zuschauer, erkannt hat: er ist stets derjenige, der Veronica mit seinem ganzen Dasein unterstützt. Im Gegenzug erhält er nichts. In der Zeit, in der er Veronica am meisten braucht, drischt sie eine Phrase aus ihrer eigenen Lebenserfahrung und lässt ihn mit seinen Problemen allein um sich einem sinnlosen Kleinkrieg mit (ausgerechnet!) Wallaces Freundin zu widmen. Die Ignoranz und den Egoismus, den sie in dieser Freundschaft schon des Öfteren erkennen ließ, gipfelt hier auf dramatische Weise. Auch wenn Wallace es falsch einschätzt und glaubt, dass Veronica nicht in der Lage war seine Bitte zu akzeptieren und auf Konfrontation mit Jackie geht, weil sie sich von ihr gedemütigt fühlt, während sie in Wirklichkeit ihn verteidigt, so kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie lange davor nicht bereit war sich in manchen Belangen in der Freundschaft zurückzunehmen und auch Wallace einmal zum Kernpunkt der "Beziehung" zu machen. Auch ihr leichtes Zurückstecken in dieser Folge (immerhin kreuzigt sie Jackies Vater nicht öffentlich) kann da nicht mehr viel reißen. Ein wunderschönes Zitat: "It’s your world, I just live in it."

So verliert Veronica letztlich ihren einzig wahren Freund, Wallace verliert alles und ist fast gänzlich auf sich gestellt. Auch die letzte Aussage Veronicas zeigt selbst nach der Erkenntnis keine Anzeichen der Besserung, denn auch ihre Entschuldigung bezieht sie erneut nur auf sich ("I can’t lose another friend."). Auch hier keinerlei Anstalten die Krise auf Wallace zu beziehen und ihm dabei unter die Arme zu greifen, sein Leben zu sortieren und wieder in den Griff zu kriegen.

Auch wenn dieser Abschnitt klingt, als würde ich Veronica für ihre Handlugen verachten (wenn das auch ein wenig überspitzt formuliert ist, so ist es doch nicht ganz aus der Luft gegriffen), so liebe ich dennoch diese Serie. Denn genau das ist es, was für mich gutes Fernsehen auszeichnet. Wer will schon eine Protagonisten ohne Fehler? Veronica ist hier wunderbar gezeichnet, sie hat immense Charakterzüge, die ihr erlauben stark und gerissen zu sein und sie gleichzeitig auf freundschaftlicher Ebene zu einem Wrack machen. Rob Thomas hat hier einen Charakter erschaffen, deren größte Stärken gleichzeitig ihre größten Schwächen sind. Wunderbar.

Schnipsel

Diesen Abschnitt hatte ich lange nicht mehr, aber es wird mal wieder nötig, einige Dinge nur kurz anzureißen:

- Der Zickenkrieg zwischen Veronica und Jackie hatte hier die Chance beigelegt zu werden. Die CotW bietet beiden die Möglichkeit sich zu vertragen, stattdessen muss Jackie ihre Überlegenheit gegenüber Veronica demonstrieren (ja, nicht nur Veronica ist so!) und zerstört so alles, was im Verlauf der Folge an "potentieller Verträglichkeit" aufgebaut wurde. Veronica platzt der Kragen und ich glaube, es ist relativ sicher zu sagen, dass wir diese beiden eine ganze Weile nicht mehr im besonnenen Umgang mit einander sehen werden

- Schön zu sehen in dieser Folge (und erneut ein wenig "überflogen"), dass Duncan und Logan sich wieder näher kommen. Wie es bei Kerlen (und besonders bei den beiden) nun einmal ist, kommt kein alles aufklärendes Gespräch, sondern sie tasten sich langsam wieder aneinander heran.

Fazit

Eine wunderbare Folge, die endlich einmal die Freundschaft zwischen Veronica und Wallace kräftig durchschüttelt und gleichzeitig wieder Bewegung in den Seasonarch bringt.

Ich muss sagen, mir hat diese Folge außerordentlich gefallen. Sicherlich gibt es noch kleinere Mängel (so die Inkonsequenz bei Veronicas Selbstbezogenheit in Dingen Buscrash), aber an sich kann diese Folge mit drei wunderbaren Dingen aufwarten: der Emanzipation von Wallace Fennel, dem Vorantreiben des Seasonarch um den Buscrash und der Moral um die (fehlende) Skrupellosigkeit des Keith Mars. Drei wirklich wunderschön inszenierte Schauplätze, die dieser Folge einen besonderen Flair geben, den ich in dieser Staffel bislang vermisst habe. Zudem wird (im Gegensatz zu vergangenen Folgen) nicht zu viel auf einmal getan und die CotW geschickt instrumentalisiert um in der Story voranzukommen. Für die bislang beste Folge der Staffel: volle Punktzahl, wenn auch etwas großzügig, denn sie befindet sich noch nicht auf dem absoluten Topniveau der ersten Staffel.

Martin Schultze - myFanbase

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