Bewertung

Review: #3.22 Der Tag, an dem wir starben

Foto: Joshua Jackson, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Joshua Jackson, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Es gibt Staffelfinale, die hinterlassen und mit enorm vielen Antworten, also mit einem "!". Dann gibt es Staffelfinale, die uns mit vielen Fragen hinterlassen, also mit einem dicken "?". Doch weder ein "!" noch ein "?" sind wirklich passend, wenn es darum geht, das dritte Staffelfinale von „Fringe“ zu beschreiben. Sehr viel passender wäre da schon ein "¿", denn #3.22 The Day We Died hinterlässt uns nicht nur mit Unsummen an Fragen, sondern stellt gleichzeitig auch noch die ganze bisherige Mythologie der Serie und eigentlich alles, was bisher passiert ist, gewaltig auf den Kopf.

"When their world was destroyed, that was the day we sealed our fate. For all intent and purposes: That was the day we died."

#3.21 The Last Sam Weiss hinterließ und mit einem überraschendem Ende: Peter betritt die Maschine, das Vakuum, und befindet sich plötzlich 15 Jahre in der Zukunft, nämlich im Jahre 2026, wo nun auch ein Großteil des Staffelfinales spielt. Da es bereits in #2.16 Peter und #3.15 Subject 13, die beide in der Vergangenheit spielten, ein besonderes Retro-Intro gab, war es schön zu sehen, dass man sich für diese Episode ein Art Zukunfts-Intro ausgedacht hatte. So bekamen wir zwar im Groben das obligatorische Intro zu sehen, nur dass es diesmal grau unterlegt war und die Wörter, die während des Intros erschienen, durch solche ausgetauscht wurden, die zukünftige Forschungsgebiete beschreiben. Und so begegnen uns Begriffe wie "Cellular Rejuvenation", "Chaos Structure" und "Clonal Transplantation". Doch ein Begriff taucht auf, der aus all diesem Kauderwelsch heraussticht: "Hope".

Dass Hoffnung am Ende der Folge, und vermutlich auch in Staffel 4, eine große Rolle spielen wird, war am Anfang des Finales noch nicht abzusehen. Denn Peter befindet sich im Jahre 2026 in einer Welt, die kurz vor dem Untergang steht. Wir erfahren, dass Peter im Jahr 2011 die Maschine betreten und damit Walternates Universum zerstört hat. Doch leider war dies auch das Todesurteil für unser Universum, denn ohne Universum B kann Universum A nicht mehr weiterexistieren. Noch dazu macht ein Terrorist namens Moreau Ärger, der Anhänger einer Gruppe von Menschen ist, die sich "End of Dayers" nennen und das Ziel haben, unser Universum so schnell es geht zu zerstören.

Das war im Prinzip die Ausgangssituation, mit der das Staffelfinal aufwartete. Besonders überzeugend war dabei die Inszenierung der Zukunft, was allerdings nicht wirklich überraschend war. Denn schon im letzten Staffelfinale, als uns das erste Mal ein tieferer Einblick in das Paralleluniversum geboten wurde, überraschten die Autoren mit einer ideenreichen und sehr kreativen Inszenierung. In diesem Finale ist es dabei weniger die visuelle Umsetzung ihrer Ideen, sondern die Darstellung der Charaktere und deren Beziehungen untereinander Olivia und Peter in der Zukunft als Ehepaar darzustellen, war zwar nicht unbedingt originell, aber doch wunderschön anzusehen. Besonders ihre Unterhaltung über Nachwuchs war, in Anbetracht der späteren Ereignisse, eine sehr emotionale Szene und in keinem Moment hatte man das Gefühl, die beiden als Ehepaar zu sehen sei befremdlich oder gar unpassend.

Walter hingegen wurde 2011, da er Mitverantwortlich für das Aktivieren der Maschine war, verhaftet und man könnte sagen, dass seine schlimmsten Befürchtungen in diesem Zukunftsszenario wahrgeworden sind: Nicht nur, dass ihr Universum zerstört wird und zahlreiche unschuldige Menschen bereits sterben mussten, sondern auch, wer letztendlich die Schuld daran trägt – nämlich Walter selbst. Wie oft hatten wir besonders in der zweiten und dritten Staffel erlebt, welch große Vorwürfe Walter sich macht und wie er mit den Konsequenzen seines Weltenwechsels 1985 zu kämpfen hat, wodurch es überhaupt erst zur Instabilität der Universen kam. Es ist also kaum vorstellbar, wie sehr Walter in dieser Zukunft nun zu leiden hat, denn wie Broyles zu Peter sagte: "There's not a single person out there who hasn't lost someone they love because of your father." Somit waren die Szenen zwischen Peter und Walter vor allem durch Walters Schuldgefühle geprägt und seine Intention, alles wieder gut zu machen, obwohl er doch genau weiß, dass es dafür eigentlich zu spät ist. Gleichzeitig sorgte Walter aber auch wieder für einige Momente, welche die deprimierende Atmosphäre des Staffelfinals ein wenig auflockerte, wie seine Freude über das Wiedersehen mit Olivia oder darüber, endlich wieder auf einem Drehstuhl sitzen zu können: "I didn't realize how much I missed swivel chairs. I also missed swiveling." Auffällig waren im Übrigen die Parallelen zur Pilotfolge der Serie: Dort hatte man Walter aus einer Irrenanstalt geholt, um den Massentod mehrerer Flugpassagiere aufzuklären, nun holte man ihn aus dem Gefängnis, um die mysteriösen Lichtbomben zu verstehen, mit denen Moreau versucht, die Stabilität der Struktur unseres Universums noch weiter zu schädigen.

Weitere nette Ideen waren die Entwicklungen von Astrid und Broyles – erstere nun FBI-Agent, was Walter wenig glücklich macht, da sie nun schließlich nicht mehr seine Gehilfin sein kann, während Broyles zum Senator aufgestiegen ist und eines seiner Augen bei einem Fringe-Fall großen Schaden genommen hat. Außerdem war es auch schön, Olivia zu zeigen, die nun mit ihren telekinetischen Fähigkeiten umzugehen weiß, auch wenn das letztendlich für die Folge ein irrelevantes Detail war. Trotzdem hatte man es der Folge insgesamt angemerkt, dass sich die Autoren viele Gedanken gemacht haben. Eine in meinen Augen besonders witzige Idee war es, Olivias fast schon in Vergessenheit geratene Nichte Ella in der Zukunft als Junior-FBI-Agentin darzustellen. Über die Daseinsberechtigung dieses Charakters in der Folge kann man sich selbstverständlich streiten, aber ein schöner Gimmick war das Ganze allemal. Insgesamt war die Inszenierung der Zukunftswelt also vor allem durch kreative Ideen geprägt, wobei das Jahr 2026 auch ruhig ein wenig beklemmender inszeniert hätte werden können. Denn teilweise machte das Zukunftsuniversum nicht gerade den Eindruck, als sei es wirklich dem Untergang nahe. Das hatte "Dollhouse" mit #1.13 Epitaph One und #2.13 Epitaph Two: Return beispielweise besser gemacht.

"You cannot stop the inevitable."

Das größte Manko des Staffelfinals war aber letztendlich etwas anderes. Denn so interessant die Darstellung der Zukunft und so schön die Szenen zwischen den Charakteren auch waren, schlussendlich täuscht das nicht drüber hinweg, dass wir storytechnisch nur in den letzten Minuten des Finales weiterkamen. Und schnell hatte man als Zuschauer im Hinterkopf, dass das Ganze nur ein Zukunftsszenario ist und Peter sicherlich, wie es letztlich auch kam, irgendwann wieder in der Gegenwart erwacht und die Geschehnisse in der Zukunft praktisch irrelevant waren.

Und diese Geschehnisse waren teilweise auch nicht wirklich überzeugend: Anfangs war die Story um den Terroristen Moreau und die "End of Dayers" sehr interessant, doch schnell merkte man dann, dass die ganze Geschichte lediglich eine Nebenhandlung darstellt, was man auch schon daran erkennt, dass man Moreau im Finale vielleicht geradeeinmal eine Minute lang zu Gesicht bekommt. Schade, denn ich hatte durchaus die Hoffnung, dass mit Moreau ein neuer Antagonist in die Serie eingeführt wird. Da das Ganze allerdings recht nebensächlich behandelt wurde, hatten die gesamten Ermittlungen mehr etwas von einem gewöhnlichen "Fall der Woche". Interessanter wurde die Geschichte erst, als Peter herausfindet, dass Walternate hinter Moreau und den "End of Dayers" steckt.

Es kommt daraufhin zum ersten Gespräch zwischen Vater und Sohn seit des Finals der zweiten Staffel. Walternate macht Peter für den Untergang seines Universums verantwortlich, weshalb er es sich jetzt zum Ziel gemacht hat, auch sein Universum zu zerstören. Ganz glücklich bin ich mit dem Umgang mit Walternate nicht. Während der gesamten dritten Staffel versuchte man, uns Walternate als einen Charakter vorzustellen, der nicht den Klischees des typischen Antagonisten entspricht und durchaus auch Reue und Skrupel zeigt. Im Staffelfinale erleben wir Walternate hingegen als verbitterten Mann, der, statt der anderen Seite zu helfen, nur noch Rache im Sinn hat. Schlimmer noch: Seine Rachegedanken richten sich vor allem auf Peter, was Walternate zu einer Tat treibt, die letztendlich dann wieder vollkommen typisch für einen klischeehaften Antagonisten wäre, und irgendwie so gar nicht wirklich in das Bild passt, das wir bisher von Walternate hatten: Er tötet Olivia.

Obwohl man im Hinterkopf wusste, dass Olivias Tod wohl nur ein Momentzustand sein wird und wir am Ende in der Gegenwart wieder eine quicklebendige Olivia sehen werden, war ihr Tod im ersten Moment ein richtiger Schock. Zu verdanken ist das wohl auch der begrüßenden Inszenierung, denn statt, dass Walternate seine Waffe gegen sie richtet und erst einmal einen kleinen Vortrag hält (was in Serien und Filmen ja gerne mal gemacht wird), dreht sich Olivia um, sieht in einen Pistolenlauf und bekommt in der nächsten Sekunde eine Kugel in den Kopf geschossen. Absolut unvorhersehbar, wodurch man als Zuschauer wohl erst einmal große Augen gemacht haben wird.

Aber letztendlich übernimmt dann doch wieder der Gedanke, dass wir Olivia wohl bald wieder in der Gegenwart sehen werden, die Oberhand, wodurch die nachfolgenden Szenen weniger emotional für den Zuschauer werden, als geplant. An den Szenen an sich lag das nicht, denn diese waren wirklich sehr emotional umgesetzt. So war Olivias Beerdigung eine herzzerreißende Angelegenheit und die Idee, Peters Grabesrede auszublenden und stattdessen die Kamera auf die Gesichter der Trauergäste zu fokussieren und allein an deren Mimik sehen zu können, wie bewegend Peters Rede sein muss, war sehr genial und sorgte für richtige Gänsehaut. Wie gesagt: Hätte man nicht irgendwo die ganze Zeit über gewusst, dass Olivias Tod nur ein Momentzustand war, wären frühestens hier die Tränen geflossen. Spätestens dann aber, als Peter voller Trauer die Kinderzeichnung auf seinem Kühlschrank anstarrt, die Olivia, Peter und ihr noch ungeborenes Kind als glückliche Familie zeigt. Relativ am Ende der Folge sagt Peter: "I’ve seen doomsday and it is worse than anything you can possibly imagine." Wir alle können wohl erahnen, auf was sich Peters Aussage hauptsächlich bezieht ...

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Während aber all diese Szenen letztendlich für die eigentliche Handlung bedeutungslos bleiben, sind es die letzten zehn Minuten des Finals, die der Handlung einen kräftigen Tritt nach vorne verpassen und mit einigen sehr überraschenden Entwicklungen und Erkenntnissen aufwartet. So wird das Geheimnis um die "First People" aufgelöst – und das nicht gerade unüberraschend. Fast schon unspektakulär sagt Walter: "We are the First People". Denn Walter hat die Teile der Maschine durch ein Wurmloch in die Vergangenheit geschickt und schuf somit den "First People"-Mythos. Einerseits ist diese Auflösung ein bisschen mager, denn ich für meinen Teil fand die Geschichte rund um einen hochzivilisierten Menschenstamm, der vor über 250 Millionen Jahren existierte, plötzlich verschwand und als einziges Überbleibsel eine hochgefährliche Maschine zurückließ, ungemein interessant und heimlich hatte ich ja die Hoffnung, man würde uns mit einer Episode überraschen, die während der Ära der "First People" spielt – ähnlich wie es "Lost" mit #6.15 Übers Meer getan hat. Andererseits ist die Auflösung, dass die "First People" die ganze Zeit nur ein Mythos waren und Walter selbst dahintersteckt, zwar schlicht, aber einfach zu genial, als dass man deshalb böse sein könnte.

Nach dieser ersten wichtigen Erkenntnis, kommt es dann zu dem, mit dem wir bereits gerechnet hatte: Peter erwacht wieder im Jahre 2011, denn Walter machte uns in Zukunft zuvor klar, dass er lediglich einen Weg finden müsse, Peters Geist beim Betreten der Maschine in die Zukunft zu schicken, um ihn das Ausmaß der Katastrophe erleben zu lassen, sodass er in der Vergangenheit beim Betreten des Vakuums eine andere Entscheidung trifft.

So kommt es dann auch, denn statt das andere Universum zu zerstören, bildet Peter auf Liberty Island eine Brücke zwischen unserem Universum und dem Paralleluniversum, sodass sich plötzlich Walter und Walternate, sowie Olivia und Bolivia gegenüberstehen. Und hier kommt wieder die Hoffnung ins Spiel, denn Peter hofft, beiden Parteien klarmachen zu können, dass beide Universen überleben und sie gemeinsam eine Lösung finden müssen, die Welten zu retten. Wie hochinteressant diese Entwicklung ist, braucht hier eigentlich gar nicht erwähnt werden. Allein schon die Tatsache, dass Walter und Walternate nun gezwungen sind, zusammenzuarbeiten, wird wohl eine ganz spannende Angelegenheit. Zudem müssen nun auch Olivia und Bolivia miteinander klarkommen, zwischen denen noch längst nicht alles geregelt ist.

Mit dem Bild, wie sich Walter, Walternate, Bolivia und Olivia gegenüberstehen, hätte theoretisch das Finale enden können. Doch da wohl einer der Autoren morgens während des Duschens dachte, "Och, stellen wir doch mal eben alles bisher Geschehene auf den Kopf!" hinterlässt uns 2Fringe" mit einem der größten Fragezeichen in der Geschichte der Serienwelt: Peter löst sich plötzlich in Luft auf ... und niemanden scheint es zu interessieren. Der Abschlussknall wird perfekt, als wir in der letzten Szene der Staffel die Beobachter vor der Freiheitsstatue sehen und September und December uns mit folgendem Dialog zurücklassen:

"You were right. They don’t remember Peter."

"How could they? He never existed. He served his purpose."

Jap, ein dickes "¿" also, mit dem sich die Serie in die Sommerpause verabschiedet. Und natürlich könnte man sich jetzt unzählige Fragen stellen, denn die gesamte Logik der Serie scheint mit dieser Erkenntnis fast zerstört, schließlich wäre Walter niemals auf die andere Seite gewechselt und hätte die Zerstörung des anderen Universums in Gang gesetzt, hätte Peter nicht existiert. Und das ist nur eines von vielen Dingen, die nun absolut unlogisch erscheinen. Die Autoren werden sich diesbezüglich auch im Klaren sein, weshalb ich mir sicher bin, dass sie uns in Staffel 4 eine plausible Antwort auf all die Ungereimtheiten geben werden, die sich nach diesem Staffelfinale nun aufgetan haben. Daher lohnt es sich auch gar nicht, jetzt groß mit Spekulieren zu beginnen, denn letztendlich kommt immer alles anders. Für mich war die letzte Szene dieser Staffel jedenfalls eine der verwirrendsten, aber zugleich auch eine der interessantesten seit Jahren.

Fazit

Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe, ein abschließendes Fazit zu ziehen. Zweifelsohne war #3.22 The Day We Died ein würdiges Finale für diese grandiose Staffel, das allein durch das Zukunftsszenario an sich im Gedächtnis bleiben wird, aber auch durch zahlreiche denkwürdige und wunderbar inszenierte Szenen. Leider kann das aber nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass uns das Finale inhaltlich zwar interessante Aspekte lieferte, aber uns storytechnisch größtenteils kaum weitergebracht hat und ein gutes Dreiviertel der Folge letztendlich für den weiteren Handlungsverlauf nicht unbedingt von Bedeutung war. Die wirklich relevanten Szenen kamen dann erst am Schluss, wobei die letzten zehn Minuten von einem überraschenden Moment zum nächsten führten und in einem Cliffhanger der besonders bösen Art gipfelten.

Ein amerikanischer Kritiker, Ramsey Isler, sagte abschließend über die Folge, dass das Finale nicht nur ein neues Kapitel geöffnet habe, sondern gleich ein neues Buch. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Also freuen wir uns darauf, Ende September die erste Seite dieses neuen Buches aufschlagen zu können.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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