Bewertung

Review: #4.11 Geheimversteck

Erst Hanks entwaffnender Schlussmonolog in #4.07 Problem Dog, dann der überaus aufschlussreiche Einblick in Gus' Vergangenheit in #4.08 Hermanos, schließlich die beiden großen Showdowns zwischen Walter und Jesse in #4.09 Bug bzw. Gus und dem Kartell in #4.10 Salud und nun auch noch DAS! Heiliges Methlabor, da servieren uns Captain Gilligan und seine Crew momentan wirklich mit jeder Folge eine neue Schlussszene, die einen mit weit offen stehendem Kinnladen zurücklässt. Doch am Ende sitzt der Schock nicht nur dem Zuschauer in den Knochen. Vielmehr hält #4.11 Crawl Space für fast jeden einzelnen Charakter der Serie eine bitterböse Überraschung bereit.

"Jesus, he thought of everything."

Jesse kommt dabei noch am glimpflichsten davon, was sich auch wunderbar in der so unschuldigen Szene mit Andrea und Brock beim gemeinsamen Videospiel-Zocken in Jesses Haus widerspiegelt. Zwar zeigt er sich am Anfang der Folge noch sichtlich entsetzt, gar regelrecht panisch darüber, dass der angeschossene Mike von den von Gus engagierten Ärzten zunächst einfach links liegen gelassen wird, weil sich alle erstmal bloß um ihren Arbeitgeber kümmern, der ihr Gehalt bezahlt, doch im Endeffekt realisiert er, dass Gus die ganze Geschichte bis ins kleinste Detail geplant hatte und Mike genau deswegen wohl auch überleben wird. So folgt dem ungläubigen Schock über die Geschehnisse auf Don Eladios Anwesen auch schnell die aufbauende Erkenntnis, dass Jesse nicht nur als simple Schachfigur in Gus' Machenschaften fungierte, sondern mittlerweile offenbar vertrauenswürdig und wertvoll genug für Gus ist, dass seine gesamte Krankengeschichte studiert wurde, um im wahrsten Sinne des Wortes für jedes Blutvergießen gewappnet zu sein.

So bleibt Jesse auch verhältnismäßig cool, als Gus ihm indirekt eröffnet, dass er Walt loswerden will, weil er weiß, dass Gus diesem nichts anhaben kann, wenn er seine eigene Loyalität sicherstellen will. So gibt er Gus auch klipp und klar zu verstehen, dass er nur dann sein Labor alleine weiterleiten werde, wenn er Walt unversehrt gehen lasse. Damit zeigt Jesse einmal mehr, dass er sich trotz der Morde, die er zuletzt begehen musste, um seine beiden Mentoren zu schützen, in seinen moralischen Grundfesten nicht erschüttern lässt. Denn auch wenn er Walt insgeheim zur Hölle wünscht, könnte er es einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn Gus ihn ermorden würde. Wie auch der Jesse so verhasste, aber im Kern unschuldige Hank, hat Walt es nämlich trotz allem einfach nicht verdient, zu sterben. Und wieder einmal fragt man sich als Zuschauer, ob Jesse da womöglich anderer Ansicht wäre, wenn er über die genauen Umstände von Janes Tod Bescheid wüsste…

"He was the only family you had left. Now the Salamanca name dies with you."

Tio erwischt es da schon deutlich schlimmer, denn für ihn geht ein waschechter Albtraum in Erfüllung, als Gus ihm bei einem abermaligen Besuch nicht nur Don Eladios Halskette präsentiert und hämisch davon erzählt, dass er das gesamte Kartell ausradiert habe, sondern ihm auch noch boshaft unter die Nase reibt, dass ausgerechnet Jesse, der schon für Tucos Tod mitverantwortlich war und den Tio damals bei der DEA zu verpfeifen widerstand, auch noch den letzten verbliebenden Nachfahren seiner Familie tötete. Und auch wenn Tio schon lange nicht mehr fähig ist, seinen Gefühlen verbal Ausdruck zu verleihen und diesmal selbst seine berühmt-berüchtigte Klingel schweigt, merkt man ihm sofort an, dass ihn diese Neuigkeiten mehr schmerzen als es sein eigener Tod würde. Denn Mark Margolis gelingt es allein durch seine so unheimlich ausdrucksstarke Mimik, einem Tios Trauer, Wut und Bedauern nahezu unangenehm greifbar zu machen. Giancarlo Esposito wiederum steht die Genugtuung gar so sehr ins Gesicht geschrieben, dass man sich fast schon fragt, ob Gus nicht womöglich sein ganzes Leben lang bloß nach diesem einen Moment bittersüßer Rache getrachtet hatte und nur deshalb überhaupt so zielstrebig und kompromisslos sein eigenes Drogenimperium aufbaute. Wenn dem tatsächlich so wäre, könnte sich Gus nun eigentlich entspannt zur Ruhe setzen. Doch danach strebt ihm ganz eindeutig nicht der Sinn. Dabei wäre das vielleicht gar keine so schlechte Idee, denn Hank sitzt Gus mittlerweile noch weit dichter im Nacken als bisher befürchtet.

"An industrial laundry would be one hell of a place to hide a meth lab."

Walt – aka Miss Daisys Chauffeur – packt dementsprechend auch das pure Grauen, als Hank ihn auf einer ihrer gemeinsamen Spritztouren ganz beiläufig bittet, einen kleinen Umweg über eine Industriewäscherei zu fahren. Panisch versucht er ihn mit allen Mitteln von der Idee abzubringen, doch im Gegensatz zu Skyler ist er kein sonderlich überzeugender Schauspieler. So bleibt ihm letztlich nichts anderes übrig als vorsätzlich einen Autounfall zu verursachen, um seinen Schwager mit der unvergleichlichen Spürnase wenigstens für einige Tage außer Gefecht zu setzen. Damit verschafft er zwar sich und Gus etwas Zeit, weil Hank vorerst wieder ans Bett gefesselt ist, eine Lösung für das Problem hat Walt jedoch immer noch nicht parat, was seine Sorge um Hanks Leben nur noch vergrößert, weil er weiß, dass Gus sich nicht mehr lange hinhalten lassen wird. Die Tatsache, dass während seiner Abwesenheit im Labor zu allem Überfluss auch noch jemand anderes gekocht hat, trägt nicht gerade zu Walts Beruhigung bei.

"It's gonna be fine. I've got my A-team on it."

Zutiefst beunruhigt ist auch Skyler, der es einfach nicht gelingen will, Ted davon zu überzeugen, ihr Geld anzunehmen und damit seine Steuerschulden zu bezahlen. So sieht sie keine andere Wahl, als sich an Saul zu wenden und das Problem mit seinen Methoden zu lösen. Der Plan, Ted mithilfe von Sauls bulligem Bodyguard Huell und dem schlagfertigen Kuby, der schon Bogdan umzustimmen verstand, so viel Angst einzujagen, dass dieser doch noch einen Scheck an die IRS ausstellt, geht zwar auf, aber nicht ganz so wie Saul und Skyler es sich vorgestellt hatten. Denn Ted fühlt sich von dem herrlichen Bud Spencer und Terence Hill-Gespann gar so sehr in die Ecke gedrängt, dass er nach erfüllter Pflicht verzweifelt versucht, die Flucht zu ergreifen, dabei aber versehentlich über seinen eigenen Teppich stolpert und kopfüber in den (augenscheinlichen) Tod stürzt. Was für den entnervten Saul eine extrem lästige Komplikation darstellt, verbucht man als Zuschauer leicht verschämt unter den vielen makabren "Breaking Bad"-Szenen, bei denen man sich ein eigentlich völlig unangebrachtes Lachen einfach nicht verkneifen kann.

"You are done."

Walt hingegen hat spätestens dann nichts mehr zum Lachen, als er realisiert, dass er Jesse scheinbar endgültig als Partner verloren hat. Denn alles Flehen und Entschuldigen hilft nichts. Jesse will mit Walt nichts mehr zu tun haben und weigert sich deswegen auch, ihm zu helfen. Als Walt kurz darauf von Tyrus unsanft in die Wüste verschleppt wird, hält er sein Schicksal für besiegelt. Doch wider Erwarten feuert Gus ihn bloß, anstatt ihn zu töten, was Walt natürlich sofort durchschaut. Selbstgefällig gibt er Gus zu verstehen, dass Jesse trotz aller Versuche, sie gegeneinander aufzuhetzen, immer noch auf seiner Seite steht und seine Ermordung nicht zulassen werde. Gus erwidert jedoch eiskalt, dass Jesse seine Meinung schon noch ändern werde und dass Walt sich ab sofort von ihm fernhalten solle. Außerdem werde er sich nun selbst dem Problem mit Hank annehmen und nicht davor Halt machen, Walts gesamte Familie zu töten, falls dieser auf die Idee kommen sollte, ihm dabei in die Quere zu kommen. Bis ins Mark erschüttert von dieser Drohung, sieht Walt für sich und seine Familie bloß noch einen einzigen Ausweg.

"This person that you said could, could disappear me, give me a whole new life and make sure that I'm never found… I need him. "

Womit wir auch schon bei den wohl atemberaubendsten Schlussminuten der aktuellen Staffel wären. Schon allein die Szene, in der Walt fieberhaft in Sauls Büro stürzt, um ihn um die Nummer des geheimnisvollen Mannes zu bitten, der Walt und seine Familie für immer von der Bildfläche verschwinden lassen könnte, verschlägt einem aufgrund der vermeintlichen Endgültigkeit von Walts Forderung und der schlichtweg grandiosen Schauspielleistungen von Odenkirk und Cranston völlig die Sprache. Der schiere Grad von Walts Verzweiflung wird noch umso deutlicher, als er Saul zusätzlich noch um einen weiteren, allerletzten Gefallen bittet. Mit gebrochener Stimme fleht er ihn inständig an, die DEA telefonisch vor einem weiteren Anschlag auf Hank zu warnen, ihm aber noch eine Stunde Zeit zu geben, um seine Familie in Sicherheit zu bringen. Dass er bei seinem Unterfangen trotz Sauls widerwilliger Einwilligung kläglich scheitern wird, dämmert dem Zuschauer spätestens dann, als Walt in seinen Kriechkeller steigt, um das nötige Geld für sein Verschwinden einzusammeln. Denn Skyler hat schließlich einen Großteil von Walts Vermögen dafür verbraucht, die Steuerschulden eines toten Mannes zu begleichen. Und genau das – nun ja, das Wesentliche – erfährt nun auch der panische Walt von einer zittrigen Skyler, die mit den Tränen kämpfen muss, während sie sich zu erklären versucht. Doch Walt hört ihr nicht zu. Walt kann es nicht fassen und bricht völlig zusammen. Er schreit, heult und winselt, bevor er schließlich in nicht enden wollendes, regelrecht diabolisches Lachen ausbricht, das Bryan Cranston nicht nur als sicheres Mittel zum Emmy-Gewinn 2012 dienen könnte, sondern auch als hervorragendes Audition Tape für die Rolle des Jokers im nächsten Batman-Film.

Als wäre Walts Reaktion auf sein vermeintliches Todesurteil nicht schon irre genug, klingelt natürlich just im selben Moment das Telefon. Und natürlich bleibt einem fast das Herz stehen, als Maries Stimme auf dem Anrufbeantworter ertönt, befürchtet man – Gott sei Dank unbegründet – doch sogleich das Schlimmste. Aber Hank lebt noch, so dass zumindest beim Zuschauer der Schock wieder ein klein wenig nachlässt. Die völlig entgeisterte Skyler hingegen scheint mit jedem Wort aus Maries Munde zunehmend zu realisieren, in welch prekärer Situation sie sich alle befinden, während im Hintergrund ihr in Blut, Staub und Spinnweben eingedeckte und immer noch hysterisch lachende Mann sich einfach nicht mehr einkriegen kann. Die letzte, sehr unruhige Kameraeinstellung vom buchstäblich wie figurativ am Boden liegenden Walt ist dabei vor allem deswegen so enorm imposant, weil sie so eindrucksvoll widerspiegelt, wie Walts gesamte Welt komplett über ihm zusammenzubrechen droht. Man darf sehr gespannt sein, was er sich nun wieder einfallen lassen wird, um nicht schon sehr bald endgültig vor den Trümmern seines Lebens zu stehen. Oder auch vorm Höllentor.

Fazit

Wie immer erreicht "Breaking Bad" zum Staffelende hin ein Level an Brisanz, das unmöglich zu toppen scheint. Denn die Situation hat sich für alle Beteiligten derart zugespitzt, dass man sich eigentlich fast sicher sein kann, dass bis zum Finale noch einiges an Blut fließen wird. Wessen Blut dies jedoch sein wird, steht momentan noch in den Sternen. So bleibt einem nichts anderes als zu hoffen, dass die letzten beiden Folgen den unermesslichen Erwartungen, die #4.11 Crawl Space geschürt hat, auch tatsächlich gerecht werden.

Paulina Banaszek - myFanbase

Die Serie "Breaking Bad" ansehen:


Vorherige Review:
#4.10 Prost!
Alle ReviewsNächste Review:
#4.12 Endzeit

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Breaking Bad" über die Folge #4.11 Geheimversteck diskutieren.