Bewertung

Review: #3.19 Qual der Wahl

Mit #3.19 Election Day nimmt die erste wirklich nennenswerte "Modern Family"-Storyline, die sich über mehrere Episoden und somit auch einen Großteil der dritten Staffel erstreckte, ein überraschend realistisches, aber leider auch etwas ernüchterndes Ende. Dabei ist es jedoch weniger die Tatsache, dass Claires Stadtrat-Ambitionen letztlich unerfüllt bleiben, die enttäuscht, als vielmehr die unerwartete Abwesenheit von David Cross sowie, viel schlimmer noch, die Unfähigkeit der Autoren, die gesamte Familie sinnvoll und unterhaltsam in Claires Last-Minute-Wahlkampf einzubeziehen.

"We're here! We're Claire! Get used to it!"

Mitchell und Cameron in einem Wahlmobil durch die Stadt cruisen zu lassen, scheint auf den ersten Blick sicherlich keine schlechte Idee, nur findet man ihre ach so geistreichen Wahlslogans, die sie in der Stadt herumposaunen, spätestens beim dritten Wortspiel derselben Art nur noch denkbar unlustig. Und auch wenn's definitiv schön zu sehen (und von Gast-Regisseur Bryan Cranston im Übrigen sehr gelungen inszeniert) ist, wie die beiden auf ihrer gemeinsamen Spritztour wahnsinnig viel Spaß haben, da sie von der Macht eines simplen Megaphons völlig begeistert sind, kann man einfach nicht anders, als entnervt mit den Augen zu rollen, als schließlich zum vielleicht ältesten Kniff aus der Comedy-Trickkiste gegriffen wird: dem eingeschalteten Mikrofon während einer kompromittierenden Unterhaltung. So vorhersehbar und einfallslos diese Szene aber auch ist, hat sie mit der großartigen Melinda Page Hamilton (vielen Serienfans wohl besser bekannt als Anna Draper) in der Rolle von Lilys Kindergärtnerin Sandy immerhin eine unverhoffte Überraschung zu bieten, die zumindest ein kleines bisschen über die schwache Storyline von Mitchell und Cameron hinwegtrösten kann. Weshalb die beiden der baldigen Braut nicht ehrlich ihre Bedenken an der sexuellen Orientierung ihres zukünftigen Mannes gestehen, wo sie sich dessen Homosexualität doch offenbar so sicher sind, erschließt sich dem Zuschauer zwar nicht unbedingt, am Ende weiß dieser Handlungsstrang jedoch bezeichnenderweise trotzdem noch weit besser zu unterhalten als das, was sich bei den Delgado-Pritchetts abspielt. Denn bis auf Glorias unfreiwillige Tierpantomime und ihren köstlichen "You dated a Dottie after Dede?"-Kommentar ist Jays zufälliges Treffen seiner Ex, aber auch Glorias erstaunte Erkenntnis, ohne ihre körperlichen Reize aufgeschmissen zu sein, eher lachhaft als zum Lachen und dementsprechend auch wirklich nicht der Rede wert.

"Climb aboard the Dunphy Express! Next stop: democracy."

Beim Versuch, möglichst viele Wählerstimmen für Claire zu mobilisieren, scheitert Phil von der gesamten Familie eindeutig am amüsantesten. Denn auch wenn es einem einfach nicht einleuchten will, weshalb Phil in seinem großen Van, mit dem er mindestens fünf Senioren gleichzeitig transportieren könnte, seinen mürrischen Nachbar Walt Kleezak ganz alleine zur Urne chauffiert, liefern sich die beiden ungleichen Männer über ihre gesamte Storyline einen derart herrlichen Schlagabtausch, dass man aus dem Lachen zeitweise gar nicht mehr herauskommt. Ob der angeblich so tolle Tänzer Walt nun befürchtet, mit einem Mann verheiratet zu werden, wenn er in der Wahlkabine ohne Brille versehentlich das falsche Kreuzchen setzt; er sich daran zu erinnern versucht, ob er die Pillen, die ihn vergesslich machen, mit einer Mahlzeit konsumieren muss; oder sich schließlich auf einmal doch weigert, für Claire seine Stimme abzugeben, weil er sich von niemandem sagen lassen will, an welcher Kreuzung er zu halten hat, obwohl Barack Obama ihm doch längst seinen Führerschein entzogen hat – es macht einfach irrsinnig viel Spaß, Philip Baker Hall beim Granteln und Ty Burrell gleichzeitig beim zunehmenden Verzweifeln zuzusehen. Den Vogel schießt aber natürlich Walts großartiger, da so aufrichtig solidarisch gemeinter "You know, my wife was an alcoholic, too"-Kommentar ab. Womit wir auch schon bei der, nein, nicht betrunkenen, sondern lediglich vom Pech verfolgten Claire angelangt wären...

"That's not her drunk voice."

Es ist schon ein wenig erstaunlich, wie wenig Claire in dieser Folge im Mittelpunkt zu stehen scheint, wo es sich doch eigentlich um ihren ganz großen Tag handelt. Die ganze Geschichte mit dem Reporter, der Claire nicht als Kandidatin erkennt, und dem Radiointerview, in dem aufgrund ihres dentalen Malheurs natürlich prompt das große Lispeln über rein zuuuufällig sehr Zischlaut-lastige Themen wie "the city's sewage and sustainability initiative" losgeht, ist zwar nicht unbedingt spektakuläre Comedy-Kost, erinnert aber bisweilen an "Parks and Recreation" (was immer gut ist) und lässt einem auch durchaus das ein oder andere fette Grinsen ins Gesicht huschen. Unvergesslich bleiben dabei insbesondere die so unterschiedlichen Reaktionen ihrer Kinder auf das Ausfallen ihres Zahnes (Luke: "Awesome, do it again!" vs. Haley: "Ew, how old are you?") sowie die felsenfeste Überzeugung der gesamten Familie, Claires Stimme klinge völlig anders, wenn sie betrunken ist.

"They believed in me, and I let them down."

Der eigentliche Glanzmoment der Episode folgt dann aber ausgerechnet auf Claires bittere Erkenntnis, die Wahl verloren zu haben. Denn auch wenn durch ihre Niederlage letztlich großes Potential für künftige Storylines verloren geht, ist es wirklich beachtlich, dass eine Feelgood-Familiensitcom wie "Modern Family" es hier doch tatsächlich wagt, sich gleich in zweierlei Hinsicht gegen das sonst übliche Happy End zu entscheiden. Die angsterfüllte Haley, die nach einer wirklich rührenden Szene mit ihrer niedergeschlagenen Mutter endlich ihrer letzten Chance auf einen Studienplatz ins Gesicht sieht, bekommt nämlich ebenfalls schlechte Nachrichten: die letzte Universität, an der sie sich beworben hat, kann ihr lediglich einen Platz auf der Warteliste anbieten. Die Dunphys wären aber natürlich nicht die Dunphys, wenn sie dieser Neuigkeit nicht trotzdem etwas Positives abgewinnen würden. So wird sich abgeklatscht, umarmt und begeistert "Our daughter might be going to college!" gerufen, während man als Zuschauer selig grinsend zuschaut und sich gleichzeitig fragt, was die Zukunft wohl wirklich für Haley bereithält. Erhält sie doch noch einen Studienplatz an besagter Uni? Besucht sie womöglich ein Community College à la Greendale? Oder geht sie vielleicht ohne eine weiterführende Ausbildung direkt nach der Highschool unter die arbeitende Bevölkerung? Ob Jay sein "You can always work for me"-Angebot noch bereuen wird? Man darf auf jeden Fall gespannt sein.

Letztendlich wird #3.19 Election Day den Erwartungen, die in der letzten vom Wahlkampf dominierten (und ganz famosen) Episode #3.13 Little Bo Bleep geschürt wurden, leider bei weitem nicht gerecht, weil die Storylines um Cameron und Mitchell sowie Gloria und Jay äußerst lieb- und einfallslos wirken. Dafür gelingt es zumindest dem großartigen Phil-und-Walt-Gespann, für strapazierte Lachmuskeln zu sorgen. Und auch die emotionale Schlussszene, die sich ganz um Haleys unsichere Zukunft dreht, weiß auf voller Linie zu überzeugen, so dass man glücklicherweise also wenigstens eine deutliche Steigerung zu den letzten beiden Folgen festhalten kann.

Paulina Banaszek - myFanbase

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