Bewertung

Review: #1.13 Das Karussell

Foto: January Jones, Mad Men - Copyright: Carin Baer/AMC
January Jones, Mad Men
© Carin Baer/AMC

Die Einsamkeit zieht sich durch die erste Staffel von "Mad Men" wie ein immer präsenter roter Faden, und so ist es nur folgerichtig, dass man am Ende den Zuschauer mit einem Gefühl zurücklasst, dass einsamer und herzerweichender nicht sein könnte. Kurz nachdem wir gesehen haben, wie Don Draper nach Hause zu seiner Familie kommt, um mit ihnen Thanksgiving zu verbringen, einem der seltenen glücklichen Momente der Familie Draper, müssen wir erkennen, dass sich alles nur in Dons Fantasie abgespielt hat. Da man bei "Mad Men" hier zum ersten Mal zum Stilmittel des Wunschtraumes greift, ist man als Zuschauer ähnlich erschüttert wie Don, der traurig auf der Treppe seines leeren Hauses zurück bleibt, das Betty und die Kinder schon längst verlassen haben, um im Kreise ihrer Familie ohne ihn die Feiertage zu verbringen.

Don durchlebt in dieser Episode ein emotionales Wechselbad, sowohl im Büro als auch zu Hause. Er erfährt von Bertram Cooper, dass seine Geliebte Rachel Menken, die sich nach der Erkenntnis seiner wahren Natur von ihm abgewandt hat, das Land verließ und dass sich Cooper durchaus bewusst darüber ist, welche Rolle Don dabei gespielt hat. Er versucht nach anfänglicher Skepsis und nachdem er ihn sogar dafür bezahlt hat sich von ihm fern zu halten, Kontakt zu seinem Bruder Adam herzustellen, nur um von einem völlig Fremden von dessen Selbstmord zu erfahren. Und Betty erzählt ihm von Francine, die die Gewissheit erhalten hat, dass ihr Ehemann sie betrügt. Im Gespräch mit Betty darüber, warum Männer ihren Frauen so etwas antun, zeigt sich die absolute Bitterkeit und eben auch Genialität dieser Serie. Denn alles was sich abspielt, liegt unter der Ebene des tatsächlich Gesprochenen, die Worte sind nur Fassade, denn natürlich äußert Betty nicht ihren Verdacht über Dons Untreue, und natürlich erklärt Don nicht, was sich in einem Mann abspielt, der seine Frau und Familie hintergeht. Eine unheimlich intensive Szene zwischen den Beiden, die von January Jones und Jon Hamm ergreifend gespielt wird.

Unter dem Einfluss dieser Gefühle, die unter Dons undurchdringlicher Oberfläche brodeln, gelingt es ihm den absolut überzeugenden Weg zu Vermarktung eines neuartigen Dia-Beförderungsrades (auf den sich der Episodentitel "The Wheel" bezieht) zu finden:

"Nostalgia

It’s delicate, but potent…

Teddy told me that in Greek, nostalgia literally means the pain from an old wound.

It’s a twinge in your heart, far more powerful than memory alone.

This device… isn’t a spaceship, it’s a time machine.

It goes backwards, forwards.

It takes us to a place where we ache to go again.

It’s not called the Wheel.

It’s called the Carousel.

It lets us travel the way a child travels.

Around and around and back home again, to a place where we know we are loved."

Untermalt wird Dons Vortrag von Bildern seiner Familie, vom glücklichen Ehepaar Draper, von Don mit seinen Kindern, wie wir ihn im Rahmen der Serie noch nie gesehen haben. Und während dem wird Don mitsamt dem Zuschauer klar, wie sehr er sich nach diesem Glück mit seiner Familie sehnt, und wie sehr er dieses aus den Augen verloren hat. Die Inszenierung hier ist so gelungen, dass nicht nur der von seiner Ehefrau verlassene Harry Crane unter Tränen den Konferenzsaal verlässt, die Verantwortlichen von Kodak bereit sind, ohne weitere Angebote einzuholen, sofort bei Sterling Cooper zu unterschreiben, sondern auch der Zuschauer völlig in den Bann gezogen wird von Dons Vortrag.

Pete bekommt endlich auch ein wenig berufliche Anerkennung, und sogar ein fast freiwilliges "I'm impressed" von Don zu hören. Geschafft hat er dies allerdings nur durch die tatkräftige Unterstützung seines Schwiegervaters, der damit die Familienplanung seiner Tochter vorantreiben möchte. Nach seinem Erfolg bekommt er von Don den Rat, beziehungsweise den Befehl, den Auftrag zusammen mit Peggy umzusetzen, und wieder fühlt sich Pete vor den Kopf gestoßen und überrumpelt. Besonders bitter wird dies für ihn, da genau zu dem Zeitpunkt, als er und seine Frau sich ein Kind wünschen, sein Sohn geboren wird. Genau, sein Sohn. Denn Peggy hatte die letzten Wochen und Monate nicht an Gewicht zugelegt, um die neue Situation in der Arbeit zu kompensieren, sondern sie war schlicht und ergreifend schwanger, von allen und auch ihr selbst unbemerkt. So bringt sie unmittelbar nach ihrer Beförderung zur Texterin ein Baby zur Welt, welches sie angesichts des Schocks, den die plötzliche Geburt bei ihr auslöste, nicht einmal ansehen möchte.

So folgenschwer diese Entwicklung für Peggy und indirekt auch Pete ist, der davon allerdings noch nichts weiß, so lag der zweite Schwerpunkt der Folge neben dem auf Don doch klar auf Betty. Die wird durch ihre Freundin Francine misstrauisch und beginnt Zweifel an Dons Treue zu hegen. Sie macht es Francine nach und überprüft die Telefonrechnung ihres Mannes, erfährt dabei aber nicht wie erwartet von einer anderen Frau, sondern davon, dass Don sich bei Dr. Wyane, ihrem Therapeuten, nach ihr erkundigt. Und genau wie mich trifft diese Erkenntnis Betty wie ein Schlag und lässt ihre Selbstbeherrschung zusammenbrechen. Als sie zufällig Glen Bishop wieder trifft, lässt sie dem Jungen gegenüber alle Fassaden fallen und beklagt sich über ihre Einsamkeit und die Tatsache, dass sie mit niemandem wirklich reden kann. So unpassend dieser Zusammenbruch einem Kind gegenüber ist, so zeigt er doch wie tief Bettys Verzweiflung sitzt. Bei ihrer nächsten Sitzung mit Dr. Wyatt merkt man ihr davon allerdings nichts mehr an, und sie beginnt für ihn und auch Don eine Show abzuspielen, bei der ich nicht dahinter komme, was sie damit bezweckt. Ist sie zum ersten Mal völlig ehrlich, indem sie von ihrem Verdacht beziehungsweise ihrer Gewissheit bezüglich Dons Untreue spricht? Versucht sie damit eine Reaktion aus ihm herauszukitzeln? Gibt sie ihm durch ihre Aussage, dass er ihr Leid tut, sie aber nicht wütend auf ihn ist, obwohl sie es sein sollte, zu verstehen, dass sie ihm verzeiht? Für mich ist dieser Moment auf der Couch des Psychiaters der Umbruch in Bettys Verhalten, sie ist ganz klar nicht mehr diejenige, die nur passiv am Geschehen teilnimmt, sie begehrt auf und bringt ihre eigenen Wünsche zum Ausdruck. Dass dies genau dann passiert, wenn Don gerade keine Affäre hat und er seine Sehnsucht nach der Familie wiederentdeckt, ist bitter.

Die wieder einmal passenden letzten Worte einer "Mad Men"-Episode kommen diesmal von Bob Dylan:

"Well, it ain't no use to sit and wonder why, baby,

if you don't know by now,

And it ain't no use to sit and wonder why, baby,

it'll never do somehow.

When you're rooster crows at the break of dawn,

look out your window and I'll be gone.

You're the reason I'm a-travelling one.

Don't think twice, it's alright!"

So endet die großartige erste Staffel mit einer intensiven, aufwühlenden Folge, der ich nur deshalb keine volle Punktzahl gebe, weil mich die Erkenntnis von Peggys Schwangerschaft doch sehr verstört hat, und mir dies bei einer so klugen Frau wie ihr doch nicht vollkommen einleuchtet, dass sie davon nichts bemerkt haben will. Abgesehen davon war die Episode nahezu perfekt und ich bin gespannt, welche Auswirkungen der Ereignisse wir in Staffel 2 zu sehen bekommen.

Cindy Scholz - myFanbase

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