Bewertung

Review: #17.12 Zeichen der Zeit

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"Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" bedient sich gerne aktueller gesellschaftlicher Thematiken und wohl kaum ein anderes Thema hat die USA abgesehen von Covid im letzten Jahr so beschäftigt, wie die Proteste nach George Floyds Tod. Auch ein knappes Jahr später hat sich kaum etwas daran geändert, wenn man die Nachrichten verfolgt. Insofern kommt #17.12 Sign O' The Times wohl genau zur rechten Zeit.

Humanity and kindness are in short supply.

Bestimmt hat jeder von uns die Berichte und Bilder gesehen, die die "Black Lives Matter"-Proteste gezeigt haben; Menschenmassen, die überwiegend friedlich durch die Straßen zogen. Ausschreitungen. Die nur zu häufig gewalttätige Reaktion der Polizei. Die unglaubliche Menge an Emotionen, an Geschichte, an Jahren der Ungerechtigkeit, die sich hier angestaut haben. Trotzdem hat man eben meistens nur die Höhepunkte des Treibens mitbekommen. Wie man denn nun einen Protestmarsch in den Alltag einbaut, oder was aus den ganzen Verletzten wird, das hat man nicht gezeigt. Daher fand ich diese Episode zunächst einmal einfach interessant, denn hier wird der Teil der Geschichte erzählt, der nicht aufmerksamkeitserregend genug für die Nachrichten ist.

Als erstes war da die Storyline von Winston und Maggie, die wohl mit am alltäglichsten und gleichzeitig am erschreckendsten war. Anfangs war ich kurz irritiert, wieso Winston jetzt plötzlich auf dem Rückweg nach Seattle ist, bis ich mich daran erinnert habe, dass er das ja erwähnt hatte. Vor lauter Heiratsantrag hatte ich das ganz vergessen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in Serien so eine Polizeikontrolle gesehen habe, aber diese war wohl die ergreifendste. Es war die sofortige Panik der beiden, als ihnen klar wird, dass Winston angehalten wird. Ebenso Maggie, die Winston anfleht, sie am Telefon zu lassen, damit den Polizisten bewusst ist, dass er nicht alleine ist und vermisst werden würde. Das ist einfach kaum zu begreifen. Und als der Polizist Winston gegenüber dann plötzlich noch mit mangelnder Kooperation anfing, war das ein richtiger Gänsehaut-Moment. Wars das etwa schon wieder mit den beiden, bevor es überhaupt richtig angefangen hat? Letztlich war es dann aber doch Glück im Unglück und Winston kommt mit einer unfreundlichen Komplettdurchsuchung davon. Trotzdem ist er natürlich nervlich am Ende. Kein Wunder, wenn man in der einen Minute noch ganz normal die Straße entlangfährt und in der nächsten um sein Leben fürchten muss. Es ist genau dieser Zufall, diese Willkür, die das Ganze so schwer aushaltbar macht. Immerhin ist Winston und Maggie am Schluss noch ein Happy End vergönnt. Plötzlich erscheint so eine Uneinigkeit bei der Wohnungssuche doch ganz trivial.

In Seattle kämpft jeder derweil auf seine Weise. Wie von mir schon mehrfach erwünscht, bekommen wir endlich ein wenig Privatleben von Hayes zu sehen – warum denn nicht schon früher? So kann er schnell einiges an Pluspunkten sammeln, während er versucht, die richtige Balance zwischen Schutz und Unterstützung seiner Jungs zu finden. Gerne mehr davon. Nebenbei fand ich auch ganz interessant, dass Hayes wieder ein kurzes Gespräch mit Jo hatte. Tut sich da vielleicht doch noch was?

Levi macht währenddessen mit Meredith einen Ausflug in den Sauerstoffraum. Nachdem auch in dieser Folge nur am Rande auf Merediths Aufwachen eingegangen wird, können wir wohl inzwischen davon ausgehen, dass das Ganze deswegen nicht an die große Glocke gehangen wurde, weil es kein allzu großer Schritt war. Es ist zwar der richtige Weg, letztlich ändert es aber eben doch nicht viel an Merediths Zustand. Allmählich wird es aber definitiv Zeit, dass sich etwas tut. Jetzt ist die Hälfte der Staffel rum und es ist immer das Gleiche. So kann sie in dieser Folge tatsächlich vernachlässigt werden und Levi darf glänzen. Der bekommt im Sauerstoffraum Besuch von James Chee (inzwischen ja zum Nebendarsteller befördert) und natürlich bleibt es nicht lange bei der himmlischen Ruhe, die Levi Meredith noch versprochen hatte. Stattdessen sind es Eingeweide und Levi springt sofort in Aktion und managt die Lage absolut professionell. Es freut mich schrecklich für ihn, dass er hier alles zeigen konnte und jetzt einen Ruf als Badass hat. Ebenso fand ich seine Worte an und über Meredith berührend. Levi sieht sie als Mentorin, als die Person, die zwar auch knallhart sein kann, ihm aber doch alles beigebracht hat, was er jetzt weiß. Was würde Meredith tun? Natürlich sofort zur Stelle sein und helfen. Und irgendwie tut sie das auch, auch wenn es nur in Levis Kopf ist.

Jackson geht weiter den Selbstfindungsweg. Immer deutlicher wird klar, dass er nicht damit zufrieden ist, wie er sein Leben bis jetzt gelebt hat. Geld alleine kann nicht alle Probleme lösen und auch seine Karriere scheint ihm nicht zu reichen. Gemeinsam mit Dr. Ortiz arbeitet er jetzt an Möglichkeiten, wie er wirklich etwas in der Gemeinde bewirken kann. Natürlich ist es wieder Catherine, die als Antagonistin erscheint und die nur allzu eifrigen Versuche ihres Sohnes, Dinge zu verändern, abbremst. Sicherlich nicht ohne Grund, war sie doch lange genug in dem Business tätig, um zu wissen, wie diese Sachen eben laufen. Trotzdem kann ich Jacksons Frustration gut verstehen, auch wenn die sich letztlich wohl eher gegen das System und nicht gegen seine Mutter richtet. Einzig der Vorwurf mit den Narben war persönlich und auch hier hätte Jackson als Erwachsener ja selber die Initiative ergreifen und protestieren gehen können, Erziehung hin oder her (ganz nebenbei passt es doch eigentlich auch gar nicht zu Jackson, der ja sonst auch immer seine Meinung sagt, dass er noch nie auf einem Protest war). Überhaupt war seine Einstellung seiner Mutter gegenüber alles andere als angebracht. Während Catherine hier also hauptsächlich Jacksons Frustration zu spüren bekommt, kann Richard eher auf ihn einwirken. Die Szenen zwischen Richard und seiner Patientin, die ihre Erfahrungen mit Protesten im Laufe der Jahrzehnte austauschen, waren sehr bewegend. Toll, dass man nach all den Jahren immer noch etwas Neues über Richard Webber erfahren kann. Wie sie ihre Narben von den Wurfgeschossen und Gummipatronen wie Kriegsverletzungen zeigen und Nell von dem Marsch mit Martin Luther King berichtet. Das Gefühl, das die beiden beschreiben, wenn man inmitten dieser Menge steht, dieser Moment der Hoffnung und der Veränderung der in der Luft liegt und einen glauben lässt, dass alles möglich ist – da wundert es mich nicht, dass Jackson das auch erleben möchte. Aber letztlich endet die Folge nicht mit Jackson, der sich an den Protesten beteiligt, sondern mit ihm im Auto, auf dem Weg nach – tja, das ist die große Frage. Ich hätte spontan auf April getippt, aber die sollte ja eigentlich nicht 11 Stunden entfernt leben, oder? Nur wohin zieht es Jackson dann? Etwa zu seinem Vater?

Fazit

Eine überwiegend starke Episode, die sich mit den Problemen der schwarzen Bevölkerung in den USA jenseits des Medienrummels beschäftigt und durch eindringliche Szenen punkten kann. So bekommt man einen Einblick in eine der Schattenseiten des Lebens in den USA, die die meisten von uns so wohl nie erleben werden, die aber auch gerade deswegen umso bedeutender sind. Da die "Black Lives Matter"-Bewegung in Amerika nicht nur ein Einzelevent war, sondern sich phasenweise ja bis zum heutigen Tage durch das Land zieht, bin ich gespannt, ob man hier nur eine Themenepisode gestaltet hat, oder ob wir (vielleicht ja auch durch Jackson) weiter in der Thematik bleiben werden. Es wäre Zeit, dass so ein Handlungsstrang mal länger und intensiver behandelt wird, anstatt nur als Thema der Woche abgespeist zu werden (ähnlich, wie es "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" gerade tut). Spannend wäre das auf jeden Fall und auch endlich wieder eine sinnvolle Storyline für Jackson.

Denise D. - myFanbase

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