Bewertung

Review: #2.22 Die andere Seite (1)

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Etwa ein Jahr ist es her, dass das Finale der ersten Staffel von "Fringe" über die amerikanischen Bildschirme flimmerte. Und der Cliffhanger, nämlich Olivia in einem der Zwillingstürme New Yorks, hatte mich mit offener Kinnlade zurückgelassen. Die Existenz von Parallelwelten war somit endgültig bewiesen und letzten Endes war es wirklich nur diese geniale Szene, die mich dazu verleitet hat, in die zweite Staffel einzuschalten. Primär einfach deshalb, weil ich wissen wollte, wie die andere Seite inszeniert wird. Mit dieser Inszenierung ließen sich die Macher recht viel Zeit, denn den ersten wirklichen Blick in die alternative Welt bekamen wir in #2.16 Peter geliefert, der jedoch relativ sporadisch war und nur als Vorgeschmack diente. Als Vorgeschmack für das große, zweiteilige Finale der zweiten Staffel von "Fringe", in der es endlich so weit war. Schon nach dem Ende der letzten Folge, in der Peter auf seinen wirklichen Vater, dem alternativen Walter, traf, war klar, dass es passieren würde.

Anschnallen und festhalten, denn endlich heißt es:

Welcome to another World!

Walter und Olivia müssen sich nämlich mit ansehen, wie Peter freiwillig mit Walternate in das Paralleluniversum geht. Hier hätte es nicht geschadet, vielleicht noch eine Szene mit einzubringen, die Peter und Walternate vor ihrer Reise zeigt. Denn es war nicht hundertprozentig nachvollziehbar, weshalb Peter sofort zugesagt hat, mit Walternate zu gehen. Bestimmt hat Walternate seine Überredenskünste unter Beweis gestellt und es wäre interessant gewesen zu sehen, wie er Peter manipuliert hatte. So war das Ganze ein wenig plötzlich.

Um Peter wieder zurückzuholen, beschließen Olivia und Walter kurzerhand, selbst in das Paralleluniversum zu reisen. Vor allem deshalb, weil der Beobachter ihnen ein unberuhigendes Bild hat zukommen lassen, das Walter richtig interpretierte: "My son could be responsible for the end of the world.". Au Backe, dachte ich mir. Jetzt kommen die sofort mit Weltuntergang?

"So... horrible as it is to say, but today is the day for which you were created."

Zu gute halten muss man diesem ersten Teil zunächst, dass er nicht erst groß Drumherum erzählt hat und unsere Protagonisten erst am Ende der Episode hat in die andere Welt reisen lassen. Denn bereits nach einer angenehm kurzen Zeitspanne war es dann wirklich soweit und Olivia, Walter und einige ehemalige Cortexis begaben sich auf die Reise. Die Cortexis deshalb, da es nur durch ihre Energie möglich ist, ein Tor zur anderen Seite zu öffnen. Es war prinzipiell eine wirklich gelungene Idee, die ehemaligen Cortexiphan-Kinder, die schon einmal in der Serie aufgetaucht sind, eine tragende Rolle zukommen zu lassen. So kam es zu einem Wiedersehen zwischen den Zuschauern und Nick Lane (aus #1.17 Albträume), Sally Clark (aus #1.19 Der andere Weg) und James Heath, der gerade erst (#2.17 Olivia. In the Lab. With the Revolver) eine Rolle inne hatte. Doch leider lag bei diesen drei Figuren auch die einzige große Schwachstelle der Folge. Denn leider wurde viel zu viel auf die Figuren und deren Beziehungen eingegangen, sodass die Folge an manchen Stellen ein wenig uninteressant war. Besonders die Romanze zwischen Sally und Nick war meines Erachtens nach vollkommen deplaziert, worunter die Dynamik der Folge gelitten hat. Generell verstehe ich nicht, weshalb man sich so auf die drei Figuren konzentriert hat, obwohl man sie noch in dieser Folge alle hat sterben lassen: James stirbt auf Grund der Folgen der Weltenreise, Nick wird erschossen und Sally geht selbst in Flammen auf – die Nachteile, wenn man Pyrokinese beherrscht. Das Wort "unnötig" beschreibt diesen Teil der Folge wohl am besten.

Over there!

Was mich (und wahrscheinlich auch alle anderen Zuschauer) am Finale natürlich am meisten interessiert hat, war die Frage, wie denn nun das Paralleluniversum aussieht. Was ist anders? Was ist gleich? Die Inszenierung der anderen Seite ist den Machern definitiv mehr als gelungen. Bereits der Schluss des Openers hatte etwas Cineastisches an sich, als die Kamera aus dem Theater heraus schwenkte und uns Zuschauer ein Blick auf das alternative New York geboten wurde – so stelle ich mir gute Unterhaltung vor!

Besonders schön waren erneut die detaillierten Einzelheiten, auf die die Macher geachtet haben. Es wurden zahlreiche Unterschiede zwischen unserer Welt und der parallelen Welt gezeigt – einige deutlich, einige eher versteckt. Sie alle beim ersten Mal zu sehen, ist fast unmöglich, weshalb es Spaß macht, beim zweiten Mal genauer hinzuschauen. Denn abgesehen von den unterschiedlichen Dollar-Scheinen ist beispielsweise die Freiheitsstatue im alternativen New York aus Bronze, die amerikanischen Bundesstaaten sind anders aufgegliedert und es läuft die mittlerweile elfte Staffel von "The West Wing". Ein Grund für euch, dort hinzuziehen? Hier ein Grund, es nicht zu tun: Es gibt eine weltweite Kaffeekrise!!!

Richtig interessant waren jedoch die alternativen Charaktere, allen voran natürlich Walternate und Olivia (von den Produzenten der Serie liebevoll "Bolivia" genannt). Doch die alternativen Charaktere sind keineswegs einfach nur eine 1:1-Kopie der uns bekannten Figuren, sondern haben eine völlig andere Persönlichkeit. So fällt beispielsweise im direkten Vergleich zwischen Olivia und Bolivia auf, dass Bolivia viel kecker und extrovertierter zu sein scheint als Olivia. Auch hat Bolivia ein Liebesleben, wovon Olivia nur träumen kann. Und ihren Blicken nach zu urteilen, als sie Bolivia mit ihrem Freund gesehen hat, scheint ihr das doch ziemlich nahe zu gehen. Ich hätte es interessant gefunden, wenn diese beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten verpackt in der selben Hülle aufeinandergetroffen wären. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Eine Folge steht uns schließlich noch bevor. Und dafür wurden wir mit einem ganz anderen Aufeinandertreffen belohnt: William Bell tauchte nämlich wieder auf! Zwar nur für wenige Minuten, aber man kann davon ausgehen, dass William Bell in der nächsten Folge eine zentrale Figur sein wird. Kaum auszumalen wie genial es sein wird, wenn William Bell und Walter endlich mal wieder zusammenstoßen. Zwei Männer der Wissenschaft, zwischen denen es sicherlich noch Einiges zu besprechen gibt. Wenn ich mich schon lange auf eine Szene freue, dann auf diese. John Noble und Leonard Nimoy in einer gemeinsamen Szene – what more do I need?

Neben Bolivia lernen wir auch noch die anderen alternativen Charaktere des Fringe-Teams kennen: Broyles 2.0, "Bastrid" und – was mich besonders gefreut hat – Charlie-2.0 Auch hier wurde erneut deutlich, dass in der alternativen Welt nur die Hüllen gleich sind, der Inhalt aber nicht. Falls die andere Realität auch in der nächsten Staffel noch eine Rolle spielen wird (wovon ich sehr stark ausgehe), wird es wirklich ein Spaß sein, die alternativen und die uns bisher bekannten Figuren gegenüberzustellen.

Ebenfalls näher kennen gelernt haben wir Walternate. Und hier sei einfach einmal wieder John Noble gelobt, der perfekt zwischen dem bösartig wirkenden Walternate und dem liebenswürdigen Walter wechseln kann. Allein schon die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke sind "Emmy"-verdächtig. Und wer anfangs noch geglaubt hatte, dass Walternate einfach nur seinen Sohn zurückhaben möchte und sonst nichts Böses im Schilde führt, der wurde in dieser Folge eines Besseren belehrt. Denn Walternate plant offensichtlich, die andere Welt zu zerstören, da dadurch die Existenz seiner eigenen Welt gesichert wäre, die schwer darunter zu leiden hat, dass Walter 1985 ein Tor zu ihrer Welt geöffnet hat. Laut Walternate gibt es nämlich seit diesem Tag an Risse im Universum, die für bizarre Vorfälle verantwortlich sind, worum sich das Fringe-2.0-Team kümmern soll. Und wieder einmal wird klar: "Fringe" ist komplex geworden! Das eine hängt mit dem anderen zusammen und teilweise sogar in Zusammenhängen, an die man nie gedacht hatte. Das Vorurteil, "Fringe" sei ein reines Procedural, ist seit spätestens #2.15 Jacksonville aus dem Weg geräumt worden. Denn die Serie ist drauf und dran, ein richtig geniales Serial zu werden.

Doch kommen wir noch einmal zurück zu Walternate und seinem Plan: Walternate will die andere Welt zerstören – und bedient sich dabei einer apokalyptischen Waffe. Eine nicht gerade unwichtige Rolle dabei spielt offenbar Peter, wie die Zeichnung des Beobachters gezeigt hat. Hat Walternate seinen Sohn somit nur in seine Welt geholt, um die andere Welt zu zerstören? Oder wirklich aus Liebe? Oder ist Walternate mittlerweile so verbittert, dass ihm das Leben anderer egal ist? Ich bin gespannt, wie Peter reagieren wird, wenn er davon Wind bekommt, dass sein Vater ihn offenbar als Todesengel einsetzen möchte. Man darf bezweifeln, dass Peter dazu fähig ist, eine ganze Welt auszulöschen.

Das alles hört sich zwar unglaublich spannend an, allerdings sollte es die Serie nicht übertreiben. Denn solch große Schritte, wie gleich das Ende einer Welt einzuläuten, könnten der Serie zum Verhängnis werden. Schließlich würde sich dadurch das gesamte Blatt ändern und "Fringe" würde völlig neue Richtungen gehen, was dramatisch schief gehen kann, da es dadurch zu einer Entfremdung der Zuschauer mit der Serie kommen könnte. Die Serie sollte allen Ernstes einen Gang zurückschalten und ich wundere mich gerade selbst, dass ich diesen Satz bei der Serie anwende, die in der Vergangenheit fast nur im ersten Gang fuhr.

Schalten wir mal wirklich einen Gang runter und kommen wir noch zu Peters Part in dieser Folge. Denn abgesehen von den zentralen Handlungselementen rund um (B)Olivia und Walter(nate) konnte auch dieser mit sehr gelungenen Szenen überzeugen. Das Wiedersehen mit seiner Mutter Elizabeth sorgte für einige ruhige und emotionale Minuten, die der ganzen Folge gut getan haben. Hier stelle ich mir die Frage, ob es Walter überhaupt gelingen wird, seinen Sohn zu überzeugen, wieder mit ihm zurückzukommen. Denn nach den glücklichen Blicken Peters nach zu urteilen, will er gar nicht mehr von Daheim weg. Was mir bisher gefehlt hat, waren Szenen zwischen Peter und Walternate. Aber da wir es hier erst mit dem ersten Teil des Staffelfinals zu tun haben, kann man davon ausgehen, dass die nächste Folge das nachholen wird.

Fazit

Die Serie fährt schwere Geschütze auf, die, sollte man falsch damit umgehen, nicht nur das Ende einer Welt, sondern im schlimmsten Falle auch das Ende der Serie einläuten könnten. Doch vielleicht sind meine Befürchtungen umsonst und "Fringe" bietet uns mit der letzten Folge dieser Staffel eine gelungene Zwischenlösung, mit der alle zufrieden sind. Als Vorbereitung für das große Finale ist diese Episode jedenfalls überaus gelungen und bot eine gesunde Mischung aus genau dem, woraus eine gute Serie bestehen sollte, wozu sich "Fringe" mittlerweile zählen darf. Einzig die Storyline um die Cortexiphan-Personen, deren Szenen ein wenig schleppend waren, hätte es nicht wirklich gebraucht. Doch da diese bereits das Zeitliche gesegnet haben, steht einem großartigen Finale nichts mehr im Weg.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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