Bewertung

Review: #2.11 Besessen

Foto: Joshua Jackson, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Joshua Jackson, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Als der Sender FOX im Januar 2010 bekannt gab, dass man an einem Montagabend (also nicht wie gewohnt donnerstagabends) eine Episode zeigen wird, die ursprünglich angeblich bereits im Verlauf der ersten Staffel hätte gezeigt werden sollen, kam es zu zahlreichen Spekulationen unter den "Fringe"-Anhängern. Während die einen wie wild rätselten, was es denn damit auf sich zu haben könnte, waren sich die anderen schon ziemlich sicher, dass man mit dieser Folge einen regelrechten Clou bereithalten wird. Einige vermuteten sogar, besonders auf Grund des anderen Sendeplatzes, dass diese Episode in Wirklichkeit in einem Paralleluniversum spielen und so die Hauptmythologie der Serie auf überraschende Art und Weise vorantreiben wird.

Nach der Ausstrahlung war klar: der Sender FOX hält sein Wort. Ausgestrahlt wurde schlicht und einfach eben eine Episode, die eigentlich für die erste Staffel geplant war und letztendlich dann doch nicht ausgestrahlt wurde, da FOX kurzer Hand doch nur eine zwanzig Folgen umfassende erste Staffel haben wollte. Im Prinzip darf man FOX und den Autoren der Serie somit keine Vorwürfe machen. Wenn die Fans eine Offenbarung an Serienepisoden erwarten, sind sie selbst Schuld.

Unless you believe, you will not understand.

Weshalb es niemandem aufgefallen ist, dass eine Folge der ersten Staffel noch nie gezeigt wurde? Ganz einfach, weil rein gar nichts passiert ist, was für den weiteren Staffelverlauf der vorherigen Staffel in irgendeiner Weise wichtig war. Von daher ist es auch nicht wirklich nötig, sich für diese Folge wieder irgendwie in die erste Staffel hineinzuversetzen (ZFT, Jones, etc.), um die Zusammenhänge zu verstehen. Nach #1.12 Hirnfresser ist #2.11 Besessen also die zweite Episode, die sich ausschließlich auf den Fall und kein bisschen auf die Serienmythologie fokussiert. Schlechtes Vorzeichen. Wäre der mittlerweile verstorbene Charlie Francis in der Episode nicht zu sehen gewesen, hätte FOX diese Folge sicherlich als nagelneu verkauft und einfach verschwiegen, dass man sie schon längst produziert hatte.

Der Fall der Woche drehte sich um die 17-jährige Lisa, die bereits als hirntot erklärt wurde und während ihrer Organentnahme plötzlich aufwacht und einen geheimen Code vor sich hersagt, was ein gelungener, ziemlich schockierender Opener und vielleicht auch heimliche Schleichwerbung für Urnenbestattungen war. Mit der Zeit kommt das Team dann dahinter, dass sich das Bewusstsein eines mittlerweile verstorbenen russischen Offiziers auf Lisas Bewusstsein übertragen hat. Dadurch weiß Lisa nicht nur Dinge, von denen sie vorher noch nie etwas geahnt hatte, sondern sieht den toten Offizier Rusk immer wieder vor ihren Augen. Das ganze erinnert sehr stark an Olivias Story rum um John Scott, da dessen Bewusstsein nach dem etwas aus dem Ruder gelaufenen Experiment in der Pilotfolge auf Olivias Gedächtnis übertragen wurde und sie dadurch auch plötzlich immer mal wieder den toten John vor sich sah und er ihr sogar half, einige Fälle zu lösen. Somit hat die Serie mal nicht die Grundidee einiger Storys von anderen Filmen geklaut, sondern einfach sich selbst kopiert. Einziger Unterschied war, dass Johns Bewusstseinübertragung noch einigermaßen nachzuvollziehen war, schließlich war Olivias Gehirn mit dem von John verbunden. Im Falle dieser Episode war das ganze dann doch deutlich unglaubwürdiger, da Rusk nach dessen Tod offenbar eine solche Energie freigesetzt hat, dass es möglich war, dass sich Geist und Bewusstsein ein anderes zu Hause suchten.

Beängstigend die Vorstellung, dass der Geist verstorbener Menschen sich gemütlich ein fremdes Köpfchen suchen, um sich dort einzunisten. Und irgendwo auch spirituell. Und das ist dann das, was diese Folge (bzw. diesen Fall) doch noch ein klein wenig neu machte: es ging ungewohnt spirituell und religiös zu. Immer öfter wurde die Frage thematisiert, ob der Mensch eine Seele bzw. einen Geist besitzt, der nach dem Tod des Menschen weiterlebt. Der sonst so rational denkende Walter vertritt diese These offenbar, da er selbst seinem Sohn gesteht, dass er der festen Überzeugung ist, jeder Mensch habe einen Geist, der nach dessen Tod noch weiter existiert. Und so vermutet Walter auch zunächst, Lisa habe die ominösen russischen Informationen aufgesammelt, als deren Geist irgendwo umhergewandert ist und dabei Rusk belauscht hat. In diesem Teil der Episode wurde es mir dann selbst für "Fringe"-Verhältnisse zu absurd und ich war dankbar, dass sich diese Vermutung schnell in Rauch aufgelöst hatte. Die ganze Zeit blieb dann auch noch die Hoffnung bestehen, dass Walter einen logischen und wissenschaftlichen Grund für die Bewusstseinübertragung findet, doch letztendlich lässt man uns dann doch mit der eher unbefriedigenden Auflösung zurück. Außerdem übertreibt es die Folge ein wenig mit ihrer ungewöhnlichen Art, in der Lisa nicht wie gewohnt durch Walter geheilt wird, sondern urplötzlich wieder gesund ist und Walter dies nur mit den Worten erklärt, dass Hoffnung manchmal wirksamer ist als alles andere ... ja sind wir denn jetzt bei "Eine himmlische Familie" gelandet? Der Fall der Woche erweckte den Eindruck eines kleinen Experiments der Autoren, wodurch die Folge zwar ein bisschen heraussticht, aber auch nicht ganz ernst genommen werden kann.

"She’s like a friend who’s a girl. And who carries a gun."

Tatsächlich leistete diese Folge sogar ein wenig Charakterarbeit. Nicht nur, indem man Walters Ansichten zur Religion ein wenig beleuchtete, sondern auch, was die Freundschaft zwischen Peter und Olivia betrifft. Machen wir uns nichts vor: dass die zwei früher oder später ein Paar werden, ist unausweichlich. Nicht etwa, weil ihre Beziehung zueinander geradezu am Glühen ist auf Grund sexueller Spannungen, sondern einfach nur, weil es in einer Serie eben ein Paar, bzw. DAS Paar geben muss. Und nachdem der Kuss zwischen Philipp und Nina bisher unangesprochen blieb und eine Beziehung zwischen Astrid und Walter ungefähr so wahrscheinlich ist, wie dass ich bis übermorgen perfekt Mandarin beherrsche, bleiben nur noch Olivia und Peter übrig. Wie das wird, bleibt abzuwarten, aber ich finde es schon einmal einen netten Anfang, dass überhaupt eine Liebesbeziehung ganz fragil angesprochen wurde, sobald es zu den Szenen zwischen Lisa und Peter kam, die beide übrigens ganz toll miteinander harmonierten. Lisas nicht gerade subtile Nachfrage bezüglich Peters Beziehung zu Olivia und ihre direkte aber wohl eher ironische Warnung an Olivia, sie solle sich an Peter ranmachen, bevor sie selbst 18 wird, sollte den beiden wohl einen kleinen Ruck verpasst haben. Wenn ich aber an den Verlauf der ersten Staffel zurückdenke, war dieser Ruck wohl alles andere als effektiv.

Abgesehen davon gab es in dieser Folge dank Walter viele witzige Szenen, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Sei es Walters Experimentiervideo, in welchem er mit dem Satz "Hello, I'm Dr. Walter Bishop. This is test subject number six." eine witzige Reaktion Peters ("What happened to subjects one through five?") samt absolut genialer Antwort Walters ("I believe the university settled with them out of court. They probably never had to work again. Not that they could") auslöst oder erneut die herrlichen Konversationen zwischen Walter und Astrid:

"Hm, perhaps ... if I could examine the girl .. but you said her mother has refused that?" "After watching Walter's Scariest Home Videos, who can blame her?"

Fazit

Mit Walters Statements und den Szenen zwischen Peter und Lisa konnte die Folge punkten. Insgesamt war #2.11 Besessen jedoch eher unterdurchschnittlich und wenig spektakulär. Egal ob nun im Kontext zu Staffel Eins oder Zwei: Die Hauptmythologie der Serie ist so oder so komplett auf Eis gelegt worden und die Folge daher ein einziger Lückenfüller, in der für den weiteren Handlungsverlauf der Serie rein gar nichts Relevantes vonstatten geht. Mit dem Fall der Woche hat man zwar versucht, einmal dem Schema F zu entkommen und eine interessante Thematik in den Vordergrund zu rücken, doch leider will diese Thematik nicht so recht zu "Fringe" passen. Hätte FOX die Folge im Archiv belassen, hätte man damit sicherlich auch keinem weh getan ... außer natürlich den Fans von Kirk Acevedo.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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