Bewertung

Review: #9.18 Ein neuer Rekrut

Nach diesem emotionalen Dämpfer rund um Kim Burgess und Adam Ruzek aus der vergangenen Woche, bin ich wirklich froh, dass die aktuelle Episode eine Art Pause darstellt, da sie keiner der großen Handlungen dieser Staffel vorantreibt, sondern uns eine neue Figur präsentiert: Dante Torres. Und auch wenn mir die Folge insgesamt gut gefallen hat, bleibt doch auch die Frage in meinem Kopf: sehen wir uns noch mal wieder, Torres?

Es ist aber nicht alleine die Episode von Dante Torres, sondern es ist auch eine neue Herausforderung für Jay Halstead, der den jungen Rekrut von der Akademie als seinen Partner zugeteilt bekommt. Ich fand es gut, dass die Wahl auf ihn gefallen ist, wobei eigentlich Adam auch der Einzige ist, dem ich diesen Job nicht unbedingt zutrauen würde, ansonsten hätten es auch die anderen drei noch problemlos machen können und es hätte Sinn ergeben. Dennoch gefällt mir Jay in dieser Position wirklich gut, auch weil es nach seiner Weiterentwicklung in dieser Staffel, wo er Hank Voight in die Schranken gewiesen hat, wie der nächste Schritt erscheint. Ob vielleicht doch irgendwie auf Hanks Rente hingearbeitet wird und Jay der Nachfolger werden soll…? Jedenfalls war es für ihn eine neue Herausforderung, eine Nachwuchskraft anzuleiten und dann eben noch so ein Buch mit sieben Siegeln, denn auf der Akademie wusste niemand viel über Torres und auch sonst schweigt er oft laut. Damit wären wir dann auch an dem Punkt angekommen, wo die Verbindung aus Jay und Torres noch sinniger erscheint, denn die beiden haben schon gewisse Ähnlichkeiten. Deswegen war das liebevolle Foppen von Hailey Upton für ihren Mann auch echt lustig, selbst wenn sie ihn in seinen Anfangszeiten bei den Intelligence Unit nicht erlebt hat, aber Jay trägt dieses grüblerische Schweigen immer noch in sich und er macht auch eher dicht als auf, wenn ihn etwas beschäftigt. Dennoch ist Jay eben nicht mehr der Jay von früher und das war in seinem Anleiten von Torres deutlich zu merken, auch wenn die Aufgabe mit einigen Rückschlägen verbunden war.

Torres und Jay mögen als Typus viele Ähnlichkeiten haben, aber dennoch liegen auch Welten zwischen ihnen. Jay kam als Halstead auch nicht aus gut behüteten Verhältnissen und dennoch ist er eben ein weißer Mann, dessen Weg sich nach dem Militär geradlinig bei der Polizei fortgesetzt hat. Torres wiederum stammt aus einem Viertel, das mit vielen Vorurteilen belastet ist und wir haben im Verlauf von "Chicago P.D." schon viele Episoden erlebt, in denen uns eben vor Augen geführt wird, dass den Jugendlichen von dort der Weg auch oft vorgezeichnet ist, doch nicht nach oben, sondern mitten rein in die Kriminalität. So ist demnach auch Torres aufgewachsen, den es schon früh in Richtung Gang verschlagen hat und der mit seiner alleinerziehenden Mutter auch noch das Pech hatte, an einen schlimmen Stiefvater zu geraten. Die Episode unterstreicht immer wieder durch kleine Szenen, wie sehr Torres wie ein Krimineller denken kann, aber die Episode zeigt ebenso deutlich, dass ihn das nicht alleine ausmacht. Denn er hat vor allem durch seine liebevolle Mutter, die ihm die Welt zu bedeuten scheint, sich seinen moralischen Kompass bewahrt. Wenn er dem angeschossenen Kassierer nicht nur die Wunde abdrückt, sondern auch die Hand hält, wenn er betont, dass es noch ein weiteres Todesopfer gab und wenn er auch Jay das Salz in die Wunde streut, weil er einfach Menschen durchschaut, dann ist doch deutlich zu merken, dass er von seinem Aufwachsen in seinem Viertel zutiefst geprägt ist, aber dass er menschlich vor allem er selbst ist.

Die Einführung von Torres ist auf einer charakterlichen Ebene also absolut gelungen, denn er ist ein Mann vieler Geheimnisse, die faszinieren, weil so vieles sich zu widersprechen scheint, aber gleichzeitig auch überhaupt nicht. Er ist vor allem ein sehr sensibler Mann, den man trotz seiner schweigsamen Art einfach mögen muss. Vor allem ist er eben intelligent, denn alles, was er dann doch sagt, hat Hand und Fuß, er blubbert also nicht. Auf einer inhaltlichen Ebene wiederum ist es eher eine mittelmäßige Handlung, die uns geboten wird. Zum einen wird Torres schnell als Verräter inszeniert, weil alle Hinweise darauf deuten, dass er seine ehemaligen Gangverbindungen immer noch aktiv hält, aber es war klar, dass es so nicht ausgehen würde, weil es sonst völlig plump gewesen wäre. Letztlich ist es halb-plump gewesen, denn mit der Info von der Akademie, dass unter den Rekruten offenbar ein Spitzel ist, gibt es zwar eine Grundlage, mit der man gut hätte arbeiten können, aber das verläuft sich völlig. In der Episode wird nicht geklärt, wie Bautista letztlich erfahren hat, dass sein Versteck durchsucht werden würde. Dabei wäre es doch passend gewesen, Torres' Unschuld zu beweisen, indem man mit ihm eben den wahren Schuldige gefunden hätte. So etwas ärgert mich schon immer sehr, weil es auch keine Kleinigkeiten sind, die einfach unter den Teppich gefegt werden, sondern es sind offensichtliche logische Brüche.

Mit dem logischen Bruch kann dafür viel mehr die Vertrauensbasis von Jay und Torres getestet werden, wobei ich mir auch sicher bin, dass es umgekehrt auch hingehauen hätte. Aber Jay steht mit diesem Misstrauen vor der Herausforderung, dass er mit Hanks eigenem Vertrauen im Rücken nun entscheiden muss, ob Torres wirklich der Verräter ist oder ob man 'im Zweifel für den Angeklagten' gelten lässt. Definitiv war es aber clever, an dieser Stelle auf Anna Avalos zu setzen. Als Latina kennt sie sich im Umfeld von Torres logisch aus, aber gleichzeitig teilt sie eben auch seine Geschichte. Sie mag zwar nicht selbst Polizistin sein, aber dennoch hat sie eine recht ähnliche Entscheidung getroffen, denn beide sind von privaten Motiven getrieben, wie uns bei Torres schließlich noch enthüllt wird. Aber auch losgelöst von Torres war es eine gute Idee, denn so bleibt Anna im Gespräch und es war für sie auch wieder eine bessere charakterliche Darstellung. Mit Jay hat sie eigentlich gewisse Spannungen, aber gleichzeitig merkt man auch, dass er Verständnis für die psychische Belastung hat, der sich Anna als Informantin ausgesetzt sieht. Dafür dass sie ihm mit Infos geholfen hat, zahlt er es mit Verständnis und Einfühlsamkeit zurück. Mit Anna wird sicherlich noch einiges kommen und ich kann mir nach den Szenen vorstellen, dass Jay ein ganz entscheidender Faktor wird. Er jedenfalls lernt in Bezug auf Torres ganz klar, dass Vertrauen keine Einbahnstraße ist. Denn dass der junge Rekrut viel von sich zurückhält, um eine faire Chance eingeräumt zu bekommen, das kann man ihm nicht vorwerfen. Jay war zwar nie absolut gegen ihn, aber von Anfang an hat sich ein gewisses Misstrauen nicht verbergen lassen und das ist in so einer Führungsverantwortung immer gefährlich, also Lektion gelernt für Jay.

Aus meinen bisherigen Ausführungen lässt sich vermutlich ziemlich leicht erschließen, dass ich Torres durchaus gerne wiedersehen würde, aber die Geschichte von "Chicago P.D." lehrt mich, dass ich keine großen Hoffnungen hegen sollte. Erinnert sei an Andre Cooper, der es immerhin auf drei Gastauftritte in der vergangenen Staffel geschafft hat, um dann wie von Zauberhand zu verschwinden. Vanessa Rojas durfte sogar eine ganze Staffel lang an Bord bleiben, richtig Glück hat auch ihr das nicht gebracht, denn auch sie bekam nach tollen Ansätzen keinen würdigen Abschied beschert, dabei war sie als Latina das fehlende Glied in der Unit. Mit Torres haben wir nun die ähnliche Richtung und seit dem Ausscheiden von Antonio Dawson ist der Posten eben vakant, dabei spielen so viele Fälle in der Latinx-Community, wo es doch das A und O wäre, die entsprechende Verbindungsperson in der Unit zu haben. Aber wir steuern natürlich auch zielsicher auf das Staffelfinale hin, wer weiß, welcher Paukenschlag uns dort erwartet. Vielleicht mischen sich die Karten dann ganz automatisch neu, aber frischer Wind ist wahrlich nicht verkehrt und Torres hat vieles, was genau passend erscheint. Aber wie gesagt: lieber keine Hoffnungen…

Fazit

Die Einführung von Dante Torres ist eine insgesamt wirklich gut unterhaltende Episode geworden, die Lust auf mehr gemacht hat. Denn er als Charakter spricht an, er eröffnet viele Möglichkeiten und auch seine Verbindung zu Jay Halstead wurde clever genutzt, um auch ihn anders mal herauszufordern. Von der Handlung her gab es kleinere Stolpersteine, aber insgesamt war das nur ein kleiner Abstrich, so dass es für meine etwas geschundene "Chicago PD"-Seele echt erholsam war.

Lena Donth - myFanbase

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