Bewertung

Review: #8.16 Kein zurück

Es ist ein befriedigendes Gefühl, wenn eine Staffel voller Auf und Abs in einem Finale mündet, das viele Themen der ganzen Episoden über ein Jahr verteilt aufgreift und sie zu einem extrem spannenden Seherlebnis verknüpft. "Chicago P.D." schafft dieses Kunststück zum Abschluss schon seit Jahren immer wieder sehr beeindruckend, weswegen ich mich auch diesmal auf eine qualitative Bank von Unterhaltung verlassen konnte.

Normalerweise ist bei dem Thema Erzählmuster bei der Cop-Serie nicht so viel Aufmerksamkeit drauf zu legen, denn "Chicago P.D." erweist sich dabei nicht sonderlich kreativ. Grob kann man es unter dem Muster abhaken: ein Kriminalfall und eine persönliche Handlung. Doch diesmal wurde im Staffelfinale bewiesen, dass es auch anders geht. Es gab viele kleine Handlungsbögen, die thematisch völlig unterschiedlich waren und doch zu einem spannenden Kontext miteinander verwoben wurden. Dabei kamen all die zentralen Themen der Staffel auf den Tisch: die Polizeireform, die unterschiedlichen Charaktere in der Intelligence Unit, die Liebesbeziehungen, Kim Burgess‘ Mutterschaft und kriselnde Freundschaften. Auf den ersten Blick hätte ich vielleicht befürchten müssen, dass eine inhaltlich so vollgestopfte Episode problematisch werden könnte, aber dem war keineswegs so.

Wir können gerne anfangen bei Kim, die in dieser Episode vom Rest sehr isoliert agiert, aber natürlich die Figur ist, auf deren Szenen man am meisten hingefiebert hat. Ich führe keine Strichliste, welche der Figuren wie oft in eine solche Ausnahmesituation getrieben wurde, aber mein Gefühl sagt mir, dass Kim diese durchaus anführen könnte, denn ich kann mich an zahlreiche Episoden erinnern, wo Marina Squerciati an ihre Grenzen gehen musste. Aber sie macht es auch einfach gut, vermutlich bekommt sie diese Szenen deswegen immer geschrieben. Ich war schon sehr geschockt, als relativ zu Beginn der Episode zwei Schüsse auf Kim abgegeben wurde, weil mich ja die ganze Woche ein komisches Gefühl beschlichen hat, dass es wirklich ihr Ende bei "Chicago P.D." sein könnte. Aber ihren anschließenden Überlebenskampf mitzuerleben, war schon sehr einprägsam und bedrückend, aber auch beeindruckend, denn sie hat sich nie aufgegeben, vor allem wissend, dass sie nun ein kleines Mädchen zuhause hat, was auf sie wartet. Zwar ist mit dem Ende der Episode das Schicksal von Kim nicht geklärt und ich weiß noch nicht, wie ich es bis September aushalten soll, aber dennoch passte es in diese Episode. Am Ende ist so vieles offen, aber nur so hält man die Zuschauer*innen auch bei der Stange.

Die restlichen Themenblöcke sind nicht immer inhaltlich trennscharf voneinander zu unterscheiden, aber ich versuche es dennoch. Eng verbunden mit Kim ist natürlich Adam Ruzek. Die beiden hatte es nach ihrem Streit nicht immer einfach miteinander, aber spätestens mit seiner Entscheidung, die Vormundschaft von Makayla zu übernehmen, ist das unsichtbare Band zwischen ihnen wieder enger geknüpft worden. Deswegen geht er dementsprechend die Wände hoch, damit sie auch ja nur Ergebnisse erzielen, um Kim zu finden. Hier spielt eng die Polizeireform ein, die uns schon die ganze Staffel begleitet hat und die schon in der vergangenen Episode Hank Voight und Samantha Miller auf zwei verschiedene Seiten gestellt hat. Diesmal geht der Riss nun durch die Unit, denn Adam, Hailey Upton und Hank stehen für volle Härte, während Jay Halstead und Kevin Atwater sich für die rechtmäßige Vorgehensweise einsetzen. Diese verschiedenen Lager waren charakterlich in der Intelligence Unit schon lange angelegt, aber dass die Risse nun so deutlich entstehen, wenn eine von ihnen in Lebensgefahr schwebt, das ist nur logisch.

Dennoch waren die Streitereien nicht leicht mitanzusehen, denn eigentlich sind sie eine Familie, die immer füreinander einsteht. Zudem schreit es danach, dass ausgerechnet jetzt doch alle zusammenhalten müssen, doch in Ausnahmesituationen kann man sich schlecht auf Rationalität berufen. Die handfeste Auseinandersetzung von Kevin und Adam hat mir richtig in der Seele wehgetan, denn die beiden hatten es in dieser Staffel auch nicht leicht miteinander, aber sie hatten einen Konsens gefunden, der für Beständigkeit stand. Doch davon war nicht mehr viel zu sehen. Ja, Kevin mag verdächtig ruhig gewirkt haben dafür, dass seine beste Freundin verschwunden ist, aber dennoch war Adams Vorwurf, dass er sich darum offenbar nicht schert, wirklich unter der Gürtellinie. Sie dann aufeinander einprügeln zu sehen, nein das war nicht einfach. Gut, dass es die Frauen in "Chicago P.D." gibt, die definitiv in diesem Staffelfinale den Ton angeben.

Hailey und ich sind kein einfaches Thema, weil sie mir zu oft in eine Richtung gedrängt wird, wo von Weiterentwicklung keine Rede sein kann. Aber in dieser Episode durfte sie vielfältig als Stimme der Vernunft agieren. Vor allem für Adam war sie die Stütze, die dieser dringend brauchte. Das hat sicherlich auch geklappt, weil die beiden sich zum einen sehr ähnlich sind und weil sie zum anderen eine gemeinsame Vergangenheit haben, die auch nicht zu unterschätzen ist. Hailey ist es jedenfalls, die Adam daran erinnert, was nun wirklich zählt und die ihn von seinem wilden Trip runterholt. Sie ist es später auch, die für Makaylas Sichtweise einsteht, denn das traumatisierte Mädchen braucht jemanden an seiner Seite, sollte wirklich etwas Schlimmes passieren. Hier haben die Parallelen dann ganz fantastisch gesessen, denn Hailey ist selbst ein traumatisiertes Mädchen, all das, was sie erlebt hat, treibt sie als Polizistin an. Sie weiß daher zu gut, wie es Makayla geht und schwingt sich als ihre Advokatin auf. Adam wiederum ist kein geborener Vater. Er scheut oft die Verantwortung, aber er ist lernfähig. Auch wenn es natürlich eine absolut epische Szene gewesen wäre, Adam Kim retten zu sehen, so war es für diese Episode definitiv noch aussagekräftiger, dass er seine Kollegen die Arbeit machen lässt und stattdessen auf Makayla aufpasst. Er wird damit der Aufgabe gerecht, die für die ihn Kim auserkoren hat und bestätigt damit das, was sie in ihm gesehen hat. Aber sei es an Zeichen noch nicht genug, war es für mein Fanherz auch wohltuend, als es am Ende Kevin ist, der für Adam in der Leitung bleibt, damit dieser alles mitverfolgen kann, was mit Kim im Krankenhaus passiert.

Diese zweigeteilte Unit spielt sich auch noch in einem weiteren Schritt aus, denn schließlich teilen sie sich ihre Aufgaben auf. Während Hälfte A um Hank auf Mission Rogue geht, agiert Gruppe B ergänzt um Trudy Platt rational. Schon in der vergangenen Woche war es interessant, dass dieser Kampf zwischen den beiden Sichtweisen ohne klaren Sieger ausgespielt wird und das wird auch diesmal beibehalten. Hank bekommt seine Ergebnisse, aber Jay und Co. ebenfalls. Letztere retten zwar letztlich Kim und tragen damit den entscheidenden Ermittlungsschritt bei, doch Hank war ohne Frage auch auf der richtigen Fährte. Er wäre auch noch dorthin gekommen, aber wahrscheinlich wäre Kim dann schon verblutet gewesen. Die Botschaft ist damit wohl klar, weder nur nach den Regeln spielen noch alle Regeln gekonnt ignorieren dürfte auf Dauer die Erfolgsformel sein. Das ist im Kern wohl auch das, was den Menschen generell ausmacht.

Es war dennoch überraschend, dass Hank zum Finale wieder so sehr in seine alten Verhaltensmuster gedrängt wurde. Man hat zwar gemerkt, dass es ihm nicht leicht gefallen ist und dass er auch bewusst die anderen auf eine falsche Fährte gelockt hat, um sie zu schützen, was definitiv für Hanks andere Seiten steht, aber dennoch war seine Wut auf Roy Walton nicht von dieser Welt. Die Szenen, als er diesen malträtiert hat, haben mich oft denken lassen, wie genial es jetzt wäre, wenn Samantha auftauchen würde. Denn es ist der Mörder ihres Sohnes Darrell, sie hat also definitiv eine eigene Agenda, aber bei ihr wäre es als Mrs. Reform noch viel faszinierender gewesen, wie sie sich entschieden hätte. Der Weg wurde aber nicht gewählt, denn Samantha taucht gar nicht mehr auf, was ich extrem schade fand. Da sie möglicherweise in Staffel 9 nicht mehr auftauchen wird, wirkt ihr Abgang so sehr abrupt.

Aber statt Samantha taucht Hailey auf und ich kann nicht leugnen, dass dies auch eine ganz besondere Wendung darstellte. Eben habe ich sie schon als Stimme der Vernunft bezeichnet, weswegen sie auch hier nicht einfach nur Hank nachfolgt, sondern sich ihm in den Weg stellt. In dieses Zusammenspiel der beiden Figuren kann man wirklich viel hineininterpretieren, aber ich habe für mich als Kernbotschaft generiert, dass Hailey den Gedanken, wie Hank werden zu können, tief in sich sitzen hat. Auf der einen Seite mag sie das faszinieren, auf der anderen Seite steht sie unter dem Einfluss von Jay und anderen 'reineren' Menschen. Deswegen wollte sie sich wohl selbst beweisen, dass es noch Rettung geben kann. Die Szenen zwischen Hailey und Hank waren ohne Frage sehr intensiv und es war beeindruckend, dass sie ihn von ihrer Sichtweise überzeugen konnte. Jetzt kann man diskutieren, ob Hank absichtlich bei Walton seine Waffe griffbereit gemacht hat, aber ich glaube, dass kann man gar nicht abschließend beantworten. Hailey jedenfalls muss Walton am Ende erschießen und wir haben ein neues Thema, das die Unit in der neuen Staffel in den Hintern beißen könnte. Denn Hank lässt die Leiche in altbekannter Manier verschwinden und Hailey wird an einen neuen Tiefpunkt getrieben. Denn sie ist dort sicherlich nicht hingefahren um ihn selbst zu erschießen. Es wird Hailey ohne Frage wieder in eine Abwärtsspirale drücken, aber sie erkennt mehr denn je, dass Jay ihr Anker sein wird. Dennoch ist bereits jetzt zu erkennen, dass sie angestrebte Hochzeit so unter keinem guten Stern steht, denn es steht ein riesiges Geheimnis zwischen ihnen. So haben wir mit dem Schicksal von Kim, dem vertuschten Tod eines Mannes und dem noch offengebliebenen Heiratsantrag direkt drei Themen für die neue Staffel, die definitiv Potenzial bergen.

Fazit

Nach dieser sehr ausufernden Betrachtung des Staffelfinales kann nur der Eindruck zurückbleiben, dass ein großes Spektakel zum Abschluss geboten wurde, das nur mit der vollen Punktzahl belohnt werden kann. Es war sicherlich nicht alles perfekt, aber da die Zukunft wie immer eine unbekannte ist, gilt es nur das Hier und Jetzt zu bewerten und es wurde alles ausgespielt, was uns diese Staffel begleitet hat. Das ist auf spannende, emotionale und mitreißende Art und Weise geschehen, so dass ich mich zufrieden von Staffel 8 verabschiede.

Lena Donth – myFanbase

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