Bewertung

Review: #4.05 Schrotflinte

Vielleicht hat man sich unter einer Episode, die den vielversprechenden Titel "Shotgun" trägt, etwas Drastischeres vorgestellt als einen fingierten Angriff auf Jesse, der begonnen hat, sich in seiner Rolle als selbsternannter Bewacher Mikes und des Geldes oder schlichtweg als "the guy" pudelwohl zu fühlen. Dennoch bot #4.05 Shotgun so einige spannende und witzige Momente. Zudem rief Walters durch verletzten Stolz hervorgerufene Dummheit Hank auf den Plan, was wiederum positive Auswirkungen auf dessen Beziehung zu seiner Frau Marie hat. Während man also weiterhin auf den großen Knall wartet, der unweigerlich kommen wird, wird man zumindest gut unterhalten.

"Walter, what exactly are you doing?"

Was man der Episode zudem zugute halten muss, ist, dass sie den Cliffhanger aus #4.04 Bullet Points sehr früh auflöst und ihn nicht unendlich in die Länge zieht. Bis Walter mit Sicherheit weiß, dass Jesse (noch?) nichts geschehen ist, vergehen dennoch 5-6 Minuten, die "Breaking Bad" dazu nutzt, um den Beweis anzutreten, dass es die Serie auch wunderbar beherrscht, Actionszenen zu integrieren. Erst die waghalsige Fahrt Walters durch die Stadt, bei der er ähnlich wie in der Pilotfolge Vorbereitungen im Falle seines Ablebens trifft und eine letzte Nachricht hinterlässt, und die mit entsprechend temporeicher Musik unterlegt ist. Und dann natürlich die Szene mit Walter im "Los Pollos Hermanos", wo er hinter jeder Ecke jemanden vermutet, der ihn um eben jene bringen könnte. Ob die Gemeinsamkeit mit der berühmten Schlussszene der "Sopranos" beabsichtigt ist?

Wenn es sich also als notwendig herausstellt, kann "Breaking Bad" auch astreine Action. Noch mehr jedoch kann die Serie Charaktere integrieren und ausstaffieren. Wer hätte anfangs gedacht, dass man für einen anfänglichen Nichtsnutz wie Jessie derart schnell Sympathie aufbringen könne, sodass man nun eifrig an den Fingernägeln knabbert, bis Mike endlich die erlösende Nachricht bringt? Oder dass man unweigerlich ein Lächeln im Gesicht hat, sobald Mike zu sehen und/oder hören ist, weil man sich sicher sein kann, dass er gleich wieder lakonischer Badass mit Herz sein wird? Jesse befindet sich also auf einem waschechten Road Trip mit eben jenem Mike und weiß anfangs nicht, wie ihm geschieht. Wird er in Anbetracht seiner Unzuverlässigkeit nun tatsächlich liquidiert? Während Jesse und Zuschauer gleichermaßen spekulieren, entpuppt sich der gemeinsame Trip der beiden zu einer denkbar unspektakulären Fahrt zu bestimmten Orten, um dort Geld aus den Drogendeals für Gus einzusammeln.

"You are not 'the guy'. You're not capable of being 'the guy'. I had a guy, but now I don't. You are not 'the guy.'"

Streng genommen kommt Jesse hierbei nur die Aufgabe zu, Mike zu begleiten. Aber er fühlt sich nach zahlreichen amüsanten Einlagen, um Mike zweifelsfrei zu beweisen, wie sehr ihn die stundenlange Rumfahrerei langweilt, zu Höherem berufen. Er ist fortan "the guy", der dafür sorgt, dass weder Mike noch dem Geld, das er holt, etwas geschieht. Dass Mike Jesses Hilfe weder mag noch benötigt – geschenkt. Jesse erinnert sich an vergangene Zeiten, wo er mit seiner Crew ganz ähnlich vorgegangen ist, und empfindet es als seine Pflicht, Mike nun zu unterstützen. Gus wird ja gern nicht umsonst nachgesagt, ein undurchschaubares Genie zu sein, aber hier kristallisiert sich bereits eine Entwicklung heraus, die Gus nur entgegen kommen kann. Jesse kommt zum einen auf andere Gedanken und ergibt sich in seinem zur Drogenhölle umfunktionierten Haus nicht mehr seinem Schicksal, sondern zeigt tatsächlich Initiative. Zum anderen ist Jesse nun wieder deutlich mehr involviert in die Tätigkeiten von Gus und Co. und findet so einige Berührungspunkte, nachdem es lange Zeit so aussah, als würde er sich bis zum bitteren Ende zurückziehen und selbst zerstören. Der von Gus fingierte Angriff auf Mike und Jesse war daher gerade richtig.

"Hey! Hey! This is a two man job, I can't do it alone!"

Unterdessen muss Walter während Jesses Abwesenheit wohl oder übel alleine Meth kochen und merkt, dass die bisherige Arbeitsteilung der beiden so wunderbar funktioniert hat, dass er den Job ohne Hilfe nicht selbst und vor allem nicht zu seiner Zufriedenheit machen kann. Walter versucht sich daraufhin in einem kleinen Streik, muss aber mit Tyrus' Eintreffen feststellen, dass Gus für alle Eventualitäten vorgesorgt hat und Walter einmal wieder bewiesen hat, dass er ihm einen Schritt voraus ist und in einem Maße über ihn bestimmen kann, das Walter mehr als nur sauer aufstößt. Daheim muss er sich mit Skyler und dem bevorstehenden Kauf des Autowaschsalons beschäftigen. Nachdem der Deal perfekt ist, verlangt Skyler fortan absolute Ehrlichkeit und Offenheit, was Walter mit einem halbherzigen "I'm all for that" quittiert. Außerdem wäre da noch Walters liebevolle Nachricht an Skyler, die er auf ihren Anrufbeantworter während seiner Fahrt durch Albuquerque sprach. Das ungewohnte Wiederaufleben der trauten Zweisamkeit der beiden findet ihren Höhepunkt, als die beiden voller Leidenschaft ins Schlafzimmer hetzen, damit sie sich nicht an Ort und Stelle die Kleider vom Leib reißen müssen. Nach der emotionalen Intimität, die die zwei in den letzten Wochen gemeinsam teilen konnte, kommt nun die physische mit dazu.

Walter, Jr. bleibt diese Entwicklung nicht verborgen und so entscheidet sich Walter, mit seinem Sohn ehrlich umzugehen und ihm nichts vorzulügen. Skyler schlägt vor, dass ihr Mann ja wieder in das gemeinsame Haus einziehen könne, denn so sei es einfacher zu erklären. Walter scheint davon durchaus angetan, doch als Walter, Jr. erzählt, dass er gehört habe, dass Walter bereits dienstags wieder einziehen würde, fühlt sich Walter, nachdem Skyler das hinter seinem Rücken vereinbart und ihrem Sohn mitgeteilt hat, einmal wieder fremdbestimmt. Und das gefällt ihm erfahrungsgemäß gar nicht. In der Vergangenheit hat er des Öfteren bewiesen, zu welchem Dummheiten er fähig ist, wenn er das Gefühl hat, nicht mehr Herr über seine Taten zu sein. Wirklich geholfen hat dabei sicherlich nicht, dass Walter, Jr. aus einer Beneke Tasse trinkt und Walter damit an eine dunkle Episode erinnert, die er nur allzu gern vergessen hätte. Was beim gemeinsamen Essen mit Hank und Marie in deren (allzu violett eingerichtetem) Haus aber folgt, ist ein trauriger Höhepunkt für Walters Ausrutscher.

"Hank, not to tell you your business, but I'm not sure I agree..."

Denn Hank ist nach ersten Recherchen eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass mit Gale auch gleichzeitig dessen vermeintliches Alter Ego Heisenberg gestorben ist. Das würde gleichzeitig ein Ausscheiden Hanks aus den Ermittlungen bedeuten und damit auch zur Folge haben, dass Walter zumindest die nächste Zeit geradezu ungestört seiner Tätigkeit nachgehen könnte. Aber all das Lob für Gale, den Hank als "five star chef" bezeichnet, ist zu viel für Walter, woraufhin er sich genötigt sieht, klarzustellen, dass er Gale eher als jemanden ansieht, der die Arbeit anderer Leute kopiert als eigene Gedanken zu haben und entsprechende Schlussfolgerungen daraus abzuleiten. Da gibt es genau einen Bereich, in dem sich Walter anderen nach all den Rückschlägen und persönlichen Demütigungen weiterhin überlegen fühlt, und dann kommt Hank daher und lobt Gale in den Himmel. Es ist also durchaus verständlich, weswegen Walter so reagiert. Das ändert jedoch nichts daran, dass er damit eine zum Himmel schreiende Dummheit begangen hat, die bereits in naher Zukunft seinen Untergang bedeuten könnte. Hanks Ehrgeiz ist wieder geweckt.

Fazit

Jesse ist weiterhin am Leben und es sieht erst einmal nicht danach aus, als würde sich daran etwas ändern. Stattdessen hat Gus' Einfall unter Umständen dafür gesorgt, dass ein Keil zwischen Jesse und Walter geschlagen wird, nachdem letzterer nicht einen Funken Gutes mehr in Gus oder Mike entdecken kann. Walter wird, getrieben durch seinen Hass auf Gus und geplagt von einem Gefühl der Fremdbestimmung, auf eine Art und Weise nachlässig, die ihm schnell auf direktem Wege in den Allerwertesten beißen wird. Die für Walter bestimmte Schlinge zieht sich langsam aber sicher zu.

Andreas K. - myFanbase

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