Bewertung

Review: #5.11 Schwanengesang

"I will always find you"/"Ich werde dich immer finden" – Da sind sie wieder, diese magischen Worte, die "Once Upon a Time"-Fans vermutlich inzwischen in den Wahnsinn getrieben hätten, wäre ihre Verwendung nicht seit der 2. Staffel etwas zurückgeschraubt worden. Inzwischen beziehen sie sich nicht mehr auf Snow White und Prinz Charming bzw. deren Alter Egos Mary Margaret und David, sondern auf Emma und Hook. Seien wir ehrlich: die Retterin und der Pirat haben dem Märchenprinzen und der Märchenprinzessin längst den Rang als DAS Paar der Serie abgelaufen. Zweifellos ist die Kombination aus einer ehemaligen Einzelgängerin mit magischen Kräften und einem früher mord- und rachsüchtigen Piraten mit Hakenhand aufregender und komplexer als die zweier Menschen, von denen jeder längst weiß, dass sie füreinander bestimmt sind. So kommt Mary Margaret und David derzeit vermehrt die Rolle des Musterpaares zu, das als Vorbild und Orientierungspunkt dient, vom angesprochenen "I will always find you"-Prinzip bis hin zur Idee mit dem geteilten Herzen. Nur das mit dem Kuss der wahren Liebe klappt bei niemandem so gut wie bei dem Prinzenpaar, allerdings hatten die beiden auch wirklich immer optimale Bedingungen für den Einsatz dieses Instruments. Emma und Hook schlagen sich mit etwas drastischeren Problemen als einen Schlaffluch herum, z.B. mit dem Tod.

Nächster Halt: Hades

Wie kann man einen Familientrip nach Neverland oder eine gemeinsame Reise nach Camelot noch toppen, wenn Zeitreisen auch schon abgefrühstückt wurden und Destinationen wie das Wunderland längst kalter Kaffee sind? Natürlich mit einer Reise in die Unterwelt, auch bekannt als der Hades, benannt nach seinem leitenden Geschäftsführer Hades, dem Gott der Unterwelt. Passt so. Da ich schon immer eine Obsession für die griechische Mythologie gehegt habe, finde ich die Aussicht, dass diese als Vorlage für die zweite Staffelhälfte dient, sehr erfreulich.

Die Geschichte von Emma und Hook erinnert wohl nicht zufällig an den Mythos von Orpheus und Eurydike. Dieser erzählt davon, wie Orpheus in den Hades hinabstieg, um seine verstorbene Geliebte Eurydike zu finden und zurückzuholen. Ein Happy End hat diese Sage freilich nicht, da sich Orpheus auf dem Weg zurück in die Welt der Lebenden verbotenerweise nach Eurydike umdrehte, woraufhin diese im Hades bleiben musste. Hoffen wir mal, dass Emma ihre Augen besser unter Kontrolle hat. Außerdem gibt es da noch den Persephone-Mythos. Persephone kann die Unterwelt, in die sie von Hades persönlich entführt wurde, nicht mehr dauerhaft verlassen, da sie dort einen Granatapfel gegessen hat. Die Lebensmittelausfuhr-Bestimmungen sind da unten sehr strikt. Also Hook: Finger weg vom Obst! Ich rechne schon damit, dass Elemente dieser beiden Mythen in der kommenden Storyline verarbeitet werden, aber darüber hinaus gibt es noch viele weitere erzählerische Möglichkeiten. Es wird in dieser Folge ja bereits erwähnt, dass in der Unterwelt einige alte Bekannte, vor allem von Regina und Mr. Gold, warten könnten, die mit den beiden noch das eine oder andere Hühnchen zu rupfen haben.

Zurück aus der Dunkelheit

Emma ist nicht länger der (oder ein) Dark One. Wir sehen sie wieder so, wie wir sie kennen, einschließlich der ikonischen roten Lederjacke. Die Erleichterung über Emmas "Rückkehr" fällt, nachdem wir ja zuletzt erfahren haben, dass sie nie wirklich böse war, nicht mehr ganz so groß aus, trotzdem sehe ich sie in diesem Outfit sehr viel lieber. Natürlich denken manche Fans anders darüber. Einige Zuschauer dürften enttäuscht sein, dass Dark Swan so dunkel gar nicht war, aber letztlich bleibt man ihrem Charakter damit treu und bestätigt sie in der Rolle, die sie schon von Beginn an verkörpert: die Heldin, die ihre Fehler und Schwächen hat, aber immer willens ist und die Kraft aufbringt, sich für das Gute zu entscheiden, selbstlos zu handeln und die Schatten abzuwehren.

Auch Hook besiegt die Dunkelheit in sich und entscheidet sich, nicht zuletzt aus Liebe zu Emma, dafür, sich zu opfern. Gut, das haben wir so oder ganz ähnlich schon ein paar Mal in dieser Serie gesehen und war daher keine gewaltige Überraschung, aber emotional ließen die Szenen keine Wünsche offen. Man konnte hier sehr schön mitleiden und mitheulen, in der heimlichen Gewissheit, dass dies doch keinesfalls das Ende sein kann, sein darf.

Wir erfahren in dieser Episode außerdem von einem dunklen Kapitel aus Hooks Vergangenheit, das sich abspielte, kurz bevor er von der Bösen Königin losgeschickt wurde, Cora zu beseitigen. Hook hat seinen eigenen Vater getötet, der ihn und seinen Bruder Liam als Kinder im Stich gelassen hatte. Hooks Vater war zwar nicht so lieblos, ichbezogen und erbärmlich wie Rumpelstilzchens Dad, aber auch ein Versager, der sich nicht um seine Kinder kümmern konnte, da er zu viel mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Er hat sich zwar geändert, aber Hook war nicht bereit, ihm zu verzeihen. Hooks Leben wurde damit sogar noch mehr von Rachsucht und der Wut über Verluste bestimmt, als wir bisher geahnt haben.

Vatermord ist in der griechischen Mythologie übrigens ein heikles Thema. Der bekannteste Vatermörder der antiken Sagenwelt ist natürlich Ödipus, der allerdings auch noch seine eigene Mutter geheiratet hat. Nichtsdestotrotz könnte Hooks Schicksal in der Unterwelt einiges mit dem Mord an seinem Vater zu tun haben.

Noch kurz zu Hooks Vater: er wurde also mit einem Schlaffluch belegt und hatte eine Pflegerin, die seine große Liebe wurde? Warum hatte er eine Pflegerin? War das eine Form von Haftstrafe, dass er in Schlaf versetzt, aber durch Pflege am Leben gehalten wurde? Andererseits brauchte Aurora keine Pflege, um 28 Jahre im Tiefschlaf zu überleben. Und wieso ist der Schlaffluch jetzt plötzlich wieder so verbreitet und unexklusiv? Ich würde das zwar nicht als dickes Logikloch bezeichnen, da gab es schon weit deutlichere Ungereimtheiten in den vergangenen Folgen, aber brillantes Storytelling ist das jetzt auch nicht gerade.

Zurück in die Dunkelheit

Das Gegenstück zu Emma und Hook ist Mr. Gold. Nach dieser Folge sage ich es gerade heraus: ich verachte diesen Charakter. Schon in der vierten Staffel habe ich jede Hoffnung und Sympathien in ihn und für ihn verloren und könnte diesbezüglich wieder duzende Zitate aus meinen früheren Reviews anführen, doch jetzt hat meine Abneigung noch einmal einen ganz neuen, erschreckenden, nicht für möglich gehaltenen Höhepunkt erreicht. Gold hatte wirklich die ultimative Chance, ganz von vorne anzufangen, er hat eine bessere Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte bekommen als ein Monopolyspiel je bieten könnte und er hat sich wieder für die dunkle Macht entschieden, hat wieder alle nur ausgenutzt und hintergangen. Er ist kein Opfer der Dunkelheit, die ihn findet, er selbst sucht sie – mit offenen Armen und gierigem Grinsen.

Dass Belle ihn verlassen hatte, kann nicht als Entschuldigung herhalten. Mr. Gold stellt es keine zwei Minuten lang zufrieden, selbstlos, mutig und ehrlich zu handeln, das ist nicht seine Natur. Er braucht Macht, er nutzt die Menschen lieber aus als sie zu retten, er will nicht sterblich und normal sein, denn letztlich ist und bleibt er vor allem eines: ein riesiger Feigling. Er hat Angst davor, einfach nur ein Mensch zu sein.

Belles erneute Rückkehr zu ihm raubt ihr langsam jede Glaubwürdig- und Sinnhaftigkeit als Charakter. Auch wenn Belle des Öfteren mal mit nützlichem Bücherwissen um die Ecke kommt, ist sie doch vor allem die Person, die immer und immer wieder auf diesen einen Mann hereinfällt und nach jedem Schritt, den sie von ihm wegmacht, zwei wieder zu ihm zurückgeht. Sie lässt den Frustrationspegel gefährlich ansteigen. Andererseits könnte die Entscheidung, Belle wieder in die Arme (und ins Bett) von Mr. Gold zurückkehren zu lassen, aufgrund von Emilie de Ravins Schwangerschaft auch etwas aus der Not heraus entstanden sein. Wenn diese Schwangerschaft in die Serie eingebaut wird, dann ist das Kind mit größter Wahrscheinlichkeit von Mr. Gold. Darauf, dass die Autoren diese Vaterschaft "absichern" wollen, deutet schon die untypsche Post-Sex-Szene mit Belle im Bett und Mr. Gold, der sich gerade anzieht, hin. Es soll bloß keiner auf den Gedanken kommen, der lange nicht mehr erwähnte und nicht vermisste Will könnte der Vater sein.

Per Express nach Oz

Bevor Regina und Robin mit Emma in die Unterwelt hinabsteigen, entledigen sie sich noch des Zelena-Problems. Diese wird kurzerhand nach Oz zurückgeschickt, natürlich ohne ihr Baby. Das ging ja nun fix, nachdem es in der vorherigen Folge noch so schien, als läge ein Arrangement zwischen der Wicked Witch und Regina/Robin zumindest im Bereich des Möglichen. Zelena hat jedoch deutlich gemacht, dass sie jede sich bietende Gelegenheit nutzen wird, um sich ihre Tochter zu krallen und sie sehr grün zu entziehen – und damit meine ich nicht öko-grün. Regina und Robin hätten das Kind nie aus den Augen lassen können, was äußerst schwierig ist, wenn man mal eben in die Unterwelt reisen will. Dementsprechend ist die Entscheidung, Zelena loszuwerden, absolut nachvollziehbar, senkt aber die Hoffnung, dass endlich einmal Frieden in die Mills-Dynastie einkehrt, auf einen neuen Tiefstand. Der Kreislauf des Verlassens und Verlassenwerdens setzt sich fort. Wenigstens verabschiedet sich Zelena mit ein paar sehr amüsanten Kommentaren ("Robbie und Gina") vorerst von uns.

Camelot sehen und vergessen

Eigentlich sollte diese Episode ja das Ende der Camelot-Storyline markieren, nur wurde irgendwie völlig vergessen, die Camelot-Storyline auch tatsächlich zu beenden. Abgesehen von Nimue ist keiner der Camelot-Charaktere in dieser Episode dabei oder wird auch nur erwähnt. Wir erfahren nicht, ob die Camelotianer immer noch in Storybrooke festsitzen (wurde der Fluch im klassischen Sinne gebrochen?) und wenn sie noch dort sind, was das für die Stadt bedeutet, jetzt, da die wichtigsten Autoritätspersonen und Beschützer mal wieder anderweitig unterwegs sind. Kommt Arthur etwa mit allem davon? Bleibt Guinevere bis in alle Ewigkeit unter seiner Kontrolle? Wie geht es mit Merida weiter? Soweit wir das beurteilen können, müsste sie auch noch in Storybrooke sein und schießt vermutlich gerade auf alles, das entfernt wie Emma, Hook oder Arthur aussieht.

Der einzig in Storybrooke verbliebene Hauptcharakter ist (mal wieder) Belle. Das kennen wir schon vom Neverland-Arc, bei dem Belle letztlich ein oder zwei wichtige Momente hatte, die aber auch mit Neverland in Verbindung standen und kein eigenständiges Abenteuer waren. Bringt sie nun Arthur endgültig zur Strecke und befreit Guinevere, so richtig unabhängig von der Hades-Mission? Es wäre schon sehr ungewöhnlich, wenn die Charaktere und Handlungen aus der ersten in die zweite Staffelhälfte übernommen werden würden, das gab es sehr lange nicht mehr bei "Once Upon a Time". Auch Emilie de Ravins Schwangerschaft spricht eher dagegen, dass wir so viel von ihr sehen werden. Derart offen kann man die Camelot-Stoyline aber eigentlich auch nicht stehen lassen, da wäre schon sehr unbefriedigend. Immerhin wurde Arthur ganz ordentlich als jemand in Szene gesetzt, bei dem man erleben will, wie alles auf ihn zurückfällt und er sich seinen Fehlern stellen muss.

Nachbetrachtung

Diese erste Hälfte der fünften Staffel hat einige Schwächen darin offenbart, eine durchgehend plausible, überzeugende Geschichte zu erzählen. Es gab mit Hook als zweitem Dark One zwar einen ganz netten Twist, der aber wesentlich besser hätte vorbereitet werden können. Episoden wie #5.06 und 5.09 waren nahezu langweilig und sinnlos.

Ich stand der Idee, Emma zum Dark One zu machen, ohnehin von Anfang an ablehnend gegenüber und bin ehrlich froh, dass dieses Kapitel nun abgeschlossen ist. Die Hades-Storyline scheint sehr viel mehr nach meinem Geschmack zu sein und überzeugt hoffentlich wieder durch größere erzählerische Raffinesse mit weniger Ausrutschern in Bezug auf Logik und Kontinuität.

Maret Hosemann - myFanbase

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