Bewertung

Review: #4.16 Fürchte die gute Absicht

Foto: Kristin Bauer, Once Upon a Time - Copyright: 2017 ABC Studios; ABC/Jack Rowand
Kristin Bauer, Once Upon a Time
© 2017 ABC Studios; ABC/Jack Rowand

Eine Mystery – bzw. Fantasyserie könnte nicht lange überleben und es sicher nicht bis in eine vierte Staffel schaffen, wenn sie nicht ab und an eine Episode wie diese aufbieten würde - eine Episode voller Enthüllungen und Erkenntnisse, die neues Licht auf viele Dinge werfen und jede Menge Diskussionsstoff bieten. Zwar hat die Folge einige Schwächen, die schwer zu übersehen sind, treibt aber die Handlung gewaltig voran und lässt uns noch ein großes Stück tiefer in die Serienmythologie eintauchen. Die wichtigsten Erkenntnisse in nicht-alphabetischer Reihenfolge: Emmas Jugendfreundin Lily ist Maleficents Tochter, Snow und Charming haben Schuld auf sich geladen, nicht aus Böswilligkeit, aber aus Egoismus und Ignoranz, der gesuchte Autor hat verbotenerweise in die Geschichte eingegriffen und Cruella sowie Ursula gerieten unfreiwillig in unsere Welt, als sie versuchten, Maleficents Kind zu retten.

Ei oder Drache?

Wenn jemand einen Fehler begeht und sich selbst in eine ungünstige Lage bringt, nennt man das im Deutschen auch "sich ein Ei legen". Snow und Charming erwecken diesen Ausspruch zu ganz neuem Leben. In den Flashbacks erleben wir mit, wie die beiden Helden Maleficents Ei, das diese in Drachengestalt gelegt hat, stehlen, um es als eine Art Auffangbecken für Emmas dunkle Seite zu verwenden. Snow und Charming weisen jeden Gedanken, dass sich in dem Ei ein unschuldiges Lebewesen befinden könnte, von sich und stellen sich lieber vor, dass darin eine groteske Drachengestalt darauf wartet, zu schlüpfen. Viel zu spät erkennen sie, dass sie sich geirrt haben und in dem Ei ein echtes, hilfloses Baby schlummert, das seiner Mutter entrissen wurde. Ach du dickes Ei! Maleficents Kind landet in der Welt ohne Magie und wird, ironischerweise anders als Snows und Charmings eigenes Baby, das bekanntlich nachfolgt, adoptiert. Magie hat immer ihren Preis!

Seit wir wissen, dass Snow und Charming damals etwas getan haben, durch das Maleficent ihr Kind verlor, stand die Frage im Raum, ob die beiden sich als Helden disqualifiziert haben und bislang zu Unrecht als Verkörperung des Guten galten. Diese Folge gibt darauf durchaus eine Antwort, aber irgendwie auch nicht. Grundsätzlich kann man spätestens nach dieser Folge sagen, dass weder Snow noch Charming dem übertrieben hohen Ideal eines perfekten Märchenhelden entsprechen. Ein solcher handelt nämlich immer mutig, selbstlos und gütig. Snow und Charming waren während dieses Kapitels ihres Lebens nichts davon. Sie haben nur an sich gedacht, waren nicht gnädig zu der flehenden Maleficent und mutig will ich sie auch nicht nennen. Gut, sie haben sich mit einem Drachen, einer Meerhexe und einer ... ähem ... Cruella angelegt, aber letztlich taten sie es aus Furcht - der Furcht vor dem Ungewissen. Keine Mutter und kein Vater weiß vorher, was für ein Mensch das eigene Kind einmal wird. Eltern können nur das Beste geben, um ihr Kind anzuleiten, und hoffen, dass es die richtigen Entscheidungen trifft. Vor allem Snow war jedoch nicht bereit, dieses Naturgesetz zu akzeptieren, und wollte sich lieber eine Gewissheit verschaffen, die ihr nicht zustand. Letztlich entwickelte sich daraus eine Selbsterfüllenden Prophezeiung. In ihrem Bemühen, zu verhindern, dass sich ihre Einhorn-Vision bewahrheitet, hat Snow eine ganz ähnliche Situation erst heraufbeschworen: "I'm your mother" – "I don't care".

Was Snow und Charming natürlich entschieden von Schurken unterscheidet, neben all dem Guten, das sie zuvor schon getan haben, ist ihre echte Reue und ihr hinterher gefasster Entschluss, nur noch das Richtige zu tun. Dennoch hat die Tat Spuren in Snows Herz hinterlassen. Wie Mary Margaret erklärt, gelangten die dunklen Flecken nicht erst durch ihren Quasi-Mord an Cora in ihr Herz, sondern schon durch die Sache mit Maleficents Baby – und wenn die Maleficent-Geschichte nicht passiert wäre, dann wäre Mary Margaret womöglich gar nicht dazu fähig gewesen, 30 Jahre später Cora zu töten, wenngleich man wiederum nicht verschweigen darf, dass Cora Mary Margaret wirklich kaum eine andere Wahl gelassen hat. Es läuft wohl auf die alte Frage hinaus, was zuerst da war, das Ei oder der Drache. Ja, das mit den Ei-Wortspielen ziehe ich jetzt durch.

Ein weiterer Streitpunkt ist, inwieweit Snow und Charming von dem Autor manipuliert wurden. Er hat die beiden zum Zauberlehrling geschickt, das steht fest. Wie viel mehr Beeinflussung war im Spiel? Woran hat der Autor noch alles gedreht, um die Geschichte "spannender" zu machen? Ich denke, dass Snow und Charming aus freiem Willen gehandelt haben, als sie die Entscheidung trafen, den Zauber ausführen zu lassen, aber es waren um sie herum Kräfte am Werk, von denen sie nichts ahnten.

Wenn ich mich an dieser Stelle kurz gedanklich in die erste Staffel zurückversetze, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich nie erwartet hätte, dass Snow und Charming mit dem Verlust von Emma etwas erleben mussten, dass sie selbst einer anderen Person angetan haben. Zu behaupten, das Bild von Snow und Charming hätte sich nicht verändert, wäre also unwahr, es hat sich aber nicht komplett ins Gegenteil verkehrt, sondern ist viel komplexer geworden – und viel weniger idealistisch. Auch die Guten machen Fehler.

Die Geschichte des Autors

Es gibt viele verschiedene Arten von Autoren. Manche bauen sich selbst in die Handlung ein, die sie erzählen, andere nehmen eine gottgleiche Stellung ein und schildern die Geschichte allwissend von außen. Man spricht auch vom auktorialen Erzähler. "Once Upon a Time" spielt mit den verschiedenen Autorenkonzepten. Wir erfahren, dass es in der Märchenwelt (und vermutlich auch in anderen magischen Welten), Autoren gab, deren Aufgabe es war, die Ereignisse schriftlich festzuhalten. Sie sollten dabei stets neutrale Beobachter von außen bleiben. Ein Autor hat diese heiligste Regel jedoch missachtet und sich in die Geschichte eingemischt. Damit habe ich persönlich nicht unbedingt gerechnet. Grundsätzlich gab es in meiner Vorstellung nur einen Autor, nicht den Berufsstand Autor, und das Bild von einem reinen Beobachter, an den Regina und Co. zu hohe Erwartungen richten. So einfach ist es nun aber nicht.

Am Ende befreit Emma den Autor aus der Buchseite und handelt damit ziemlich unüberlegt. Sie weiß zu dem Zeitpunkt bereits, dass der Autor zur Strafe für seine Manipulationen eingesperrt wurde und nicht gerade als Person einzuschätzen ist, der man vertrauen kann. Ihn einfach mal eben so rauszulassen, ohne auch nur in eine mögliche Abwehr/Angriffsstellung zu gehen oder auf einen Fluchtversuch vorbereitet zu sein, war jetzt wirklich nicht allzu clever von der Retterin.

Wo wir dann schon mal bei den Dingen sind, die mir an dieser Episode nicht gefallen haben:

Die Schwächen in der Erzählung

August geht es schlecht, er verliert zeitweise das Bewusstsein - und weit und breit ist kein Marco zu sehen. Wurde der arme Mann überhaupt darüber unterrichtet, was mit seinem Sohn passiert ist? Für mich ergibt es keinen Sinn, Marco hier so außen vor zu lassen.

Dass Emma uns im Gespräch mit Hook nochmal freundlichst an Lily erinnert, nimmt die Überraschung, dass Lily Maleficents Kind ist, vorweg. Ich habe diese Enthüllung zwar schon erwartet (siehe hier) und so manch anderer Zuschauer sicher auch, aber dennoch wirkt das ein bisschen ungeschickt. In der Situation war es einfach gar nicht notwendig, Lily zu erwähnen, es sei denn eben, um dem Zuschauer eine Erinnerung an die Existenz dieses Charakters zukommen zu lassen. Ähnliches gilt für den Moment, als Mary Margaret in der Gegenwart zu Emma sagt, dass sie ihre Mutter ist und Emma wie in der Vision reagiert. Die Szene ist eindrucksvoll, aber dass Mary Margaret in dem Moment "Ich bin deine Mutter" sagt, macht eigentlich gar keinen Sinn. Emma will nur die Wohnung verlassen, sie greift ihre Mutter weder körperlich noch verbal an.

Des Weiteren erfahren wir, wie Ursula und Cruella in unsere Welt gerieten, was hier aber fehlt ist eine Erklärung dafür, dass die beiden in den 30 Jahren nicht gealtert sind. Sie hatten keine Magie, sie waren nicht in den Fluch, der die Zeit eingefroren hat, eingebunden, wie konnten sie den Alterungsprozess aufhalten? Habe ich da was verpasst? Im Übrigen wäre es auch noch interessant zu erfahren, warum die beiden sich getrennt haben und ob sie noch irgendwelchen Einfluss auf Lilys Leben hatten.

Dann ist da noch die, wie ich finde, fast schon unfreiwillig komische Szene, in der Mary Margaret und David flüsternd ihr weiteres, heimliches Vorgehen beraten, während Emma kaum eine Armeslänge von ihnen entfernt steht. Es ist schwerlich möglich, dass sie ihre Eltern nicht gehört hat. Regina würde ich unterdessen empfehlen, das nächste Mal, wenn sie eine magische Tür fotografiert, einfach einen Instagram-Filter drüber zu legen.

Mit dem alles andere als guten Versteck des Schlüssels, der einfach nur in einer ansonsten leeren Schublade liegt und daher schon viel eher hätte entdeckt werden können, wenn nicht müssen, haben die Autoren auch keine Glanzpunkte gesetzt. Ob ein paar Tage Arrest in ihren eigenen Drehbüchern wohl lehrreich wäre?

Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber die kleinen und größeren Schwachpunkte erscheinen im Moment etwas auffälliger (sprich störender) als sonst. Das sollte bitte nicht zur Gewohnheit werden.

Fortsetzung folgt

Widmen wir uns wieder den positiven Aspekten. Ich bin sehr gespannt darauf, was aus Lily geworden ist, wie sich die erste Begegnung von Mutter und Tochter gestaltet und natürlich auch, wie das Wiedersehen zwischen Emma und Lily verläuft. Die Zusammenführung von Maleficent und Lily dürfte nicht nur entscheidend für die Versöhnung von Emma mit ihren Eltern sein, sondern auch, um Mr. Gold zu stoppen. Ursulas Ausstieg aus der Clique des Bösen ist kein großer Verlust für ihn, Maleficents Abkehr von seinen finsteren Plänen aber wäre es.

Maret Hosemann - myFanbase

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