Review: #4.19 Im Schussfeld
Vor ziemlich genau einem Jahr hat "Chicago Med" mit #4.18 Blutbad eine höchst dramatische Episode raushauen können, die in der durchschnittlichen Staffel 3 als wahres Highlight herausstach. Auf genau so eine Episode habe ich nun recht lange warten müssen, aber diese Woche war es endlich soweit.
Die erste richtige Entscheidung für diese Episode ist zunächst mal sicherlich, dass bis auf Kleinigkeiten auf persönliches Drama des Krankenhauspersonals verzichtet wird. Das ist in dieser Staffel nun wahrlich meine Achillesferse geworden, daher bin ich wirklich dankbar, wenn davon Abstand genommen wird. Zwar wird die Skepsis von Dr. Ethan Choi bezüglich April Sextons Involvierung mit Emily und Vincent angesprochen, der Konflikt von Dr. Connor Rhodes und Dr. Ava Bekker ist präsent und auch Dr. Will Halstead und Dr. Natalie Manning agieren so miteinander, dass man zwangsweise auch ihre persönliche Ebene beleuchten will, aber all das steht letztlich zurück hinter dem persönlichen Drama eines Patientenfalls, der eine solch traurige Wendung nimmt, dass man vor allem dankbar ist, dass es eine Figur wie Sharon Goodwin gibt, die oft genug von ihrem Potenzial her zurückstecken muss, die diesmal aber richtiggehend brillieren darf.
Die Episode beginnt wie jede andere Episode. Es gibt Interaktionen des Personals, die Fälle der Woche werden eingeleitet und plötzlich kommt es zu einem harten Cut, da sich David, der erfahren hat, dass sein ungeborenes Kind zur Adoption freigegeben werden soll, gezwungen sieht, sein Vaterrecht mit Waffengewalt einzufordern. Zuvor gab es schon ein kleines Gespräch zwischen ihm und Sharon, da sie Mitleid mit dem jungen Mann empfand, der vom Sicherheitspersonal weggeschafft werden musste, den sie aber andererseits auch im Recht sah, da er eben der Vater ist, aber zu dem Zeitpunkt hätte ich nicht gedacht, dass er noch zur Hauptfigur dieser Episode werden würde. Ich hatte eher Connor und seinen Vater Cornelius Rhodes im Verdacht, der ihn wegen Herzproblemen behandeln muss. Dann plötzlich tauchte aber David auf, mit einer Waffe in der Hand. Was zunächst vielleicht wirklich als Eigenschutz gedacht war, um seine Interessen durchzusetzen, wandelt sich dann wirklich in einen Amoklauf, bei man es wirklich mit der Angst zu tun bekam. Man sah David förmlich an, dass er all die Menschen nicht anschießen oder bedrohen wollte, aber eins kam zum anderen und so gab es für ihn schließlich keinen Ausweg, als immer nur noch weiterzumachen. Gerade das hat David so gefährlich gemacht, denn er hat nicht mehr klar gedacht und ein rationales Gespräch mit ihm war nicht mehr möglich. Somit war wirklich jede anwesende Figur in Gefahr und das hat definitiv den Reiz dieser Episode ausgemacht.
Der Nervenkitzel war also schon ein Argument für diese Folge, aber sicherlich auch, dass ich mich als Zuschauerin hin- und hergerissen fühlte. Natürlich konnte man Davids Perspektive nicht vollständig nachempfinden, aber es wurde sich viel Mühe gegeben, vorher Mitgefühl für ihn zu erzeugen, da er seinen Job verloren hatte und seine schwerkranke Mutter pflegen musste. So war für jeden klar, dass David unter einem enormen psychischen Druck stehen muss, der sich nun entladen hat. Auf der anderen Seite muss man seine Tat aber verurteilen, da Gewalt niemals die Lösung sein kann. Zudem war mit seinem Zücken der Waffe ja klar, dass er sein Kind keinesfalls großziehen wird, denn selbst wenn ihm fürs Erste die Flucht mitsamt Kind gelungen wäre, auf Dauer wäre das niemals gut gegangen. Dieses Gefühl, dass er mit jedem Schuss, mit jeder Drohung nur alles schlimmer macht, hat ihn zu einer wahrlich tragischen Figur gemacht.
Hier kommt nur Sharon ins Spiel. Wo ansonsten immer Dr. Daniel Charles derjenige ist, der die richtige Ansprache für labile Menschen findet, ist sie es diesmal, die den richtigen Draht zu David hat.
Zwar war mit dem Moment, als ihr die Stelle gezeigt wurde, wo ein Scharfschütze freie Sicht auf den Täter haben würde, klar, dass David die Episode nicht überleben wird, aber dennoch war es intensiv mitzuverfolgen, wie Sharon mit allen Mitteln für sein Überleben gekämpft hat. Von der in dieser Staffel häufig kühl inszenierten Krankenhauschefin war diesmal nichts zu spüren, sie hat sich mit Leib und Seele in diese Lage hineingekniet und es ging ihr nicht darum, wie das Med am besten aus der Situation herauskommt, sondern wie David gerettet werden kann. Am Ende war es dann schier unerträglich, dass Sharon David bewusst in den Tod lotsen muss. Natürlich hätte es sein können, dass er die Schüsse überlebt, aber bei einem Profi, der den Täter als unberechenbar eingestuft hat, da gab es eigentlich keine Möglichkeit mehr. Da hat Sharon so lange gekämpft, aber als es um das Leben des inzwischen geborenen Babys ging, da gab es keine Alternative mehr für sie. Und egal wie vorhersehbar das Ganze war, mitgenommen hat es mich trotzdem.
In dieser Episode kommt die Situation von Connor und seinem Vater schon fast etwas zu kurz, aber sie findet dennoch einen dramatischen Höhepunkt, als der Traumachirurg erkennt, dass er seinem Vater im Hybrid-OP ohne benötigtes Personal nicht helfen kann. Verzweifelt beginnt er Verhandlungen mit David und riskiert dafür auch bereitwillig sein eigenes Leben. All das folgt auf zahlreiche weitere Szenen in dieser Episode, in denen Cornelius und Connor mal wieder aneinandergeraten sind. Letzterer ist besorgt angesichts des schlechten Zustands seines Vaters, aber dieser stößt ihn immer wieder vor den Kopf, weil er es nicht ertragen kann, vor seinen Augen schwächlich zu wirken. Als es aber auf alles ankommt, kann Connor all das beiseiteschieben, denn Blut ist dicker als Wasser. Nachdem Cornelius dann schließlich aus der Notaufnahme zum OP-Bereich gebracht wurde, muss Connor dennoch weiterarbeiten, obwohl er wahrscheinlich nichts lieber getan hätte, als an der Seite seines Vaters zu bleiben. Nach Beendigung der Geiselnahme stürzt er dann sofort an das Krankenbett seines Vaters, hier zeigt sich dann endgültig seine ehrliche Sorge. Daher fand ich etwas schade, dass an diese andere Beleuchtung der Vater-Sohn-Beziehung nun eine kleine Auseinandersetzung mit Ava gebunden werden musste. Mir ist auch nicht klar, warum er so entsetzt auf sie als Operateurin reagiert hat… Hat er ernsthaft befürchtet, dass sie ihren Ärger auf Cornelius, der ihrer Beziehung den Todesstoß versetzt hat, an ihm während der OP auslassen würde?
Bei April hat mich sehr gefreut, dass sie in dieser Episode über sich hinauswachsen durfte. Ethan mit Handschellen außer Gefecht zu setzen, war schon ein cleverer Schachzug von David, da ihm dieser wohl wirklich am meisten hätte gefährlich werden können. Dies führt aber dazu, dass er den kleinen Joshua nicht behandeln kann. Als der kleine Junge in einen septischen Schock fällt, muss April unter Ethans Anleitung einige komplizierte medizinische Maßnahmen durchführen. Sie stellt sich dabei ungeschickt an, was ihr wohl keiner vorwerfen kann, daher ist es schließlich Ethans bedingungsloses Vertrauen in sie, das ihr eigenes Selbstbewusstsein stärkt. Ethans stolzer Blick am Ende war wirklich schön und bildet den Abschluss eines kleinen, aber feinen Handlungsbogens rund um die beiden.
Bei Will und Natalie war vor allem für Letztere überraschend, wie locker er sich nach ihren Freizeitaktivitäten erkundigt hat und dass er dabei in keiner Weise negativ auf die Erwähnung von Philip Davis‘ Namen reagiert hat. Hier zeigt sich erneut, dass Will für sich wirklich einen Weg gefunden hat, bei dem er nach vorne sehen kann. Daher war ich überrascht, dass es am Ende der Episode von Natalie so ausgelegt wurde, dass Will nur für sie in der Notaufnahme zurückgeblieben ist, obwohl er hätte entkommen können. Ich habe dieser Entscheidung gar nicht so viel Bedeutung beigemessen, da er nun mal in erster Linie Arzt ist und als solcher immer helfen will. Aber nun gut, was auch immer Wills tatsächliche Motivation nun war… Entscheidend ist sicherlich, dass schließlich Ingrid Lee auftaucht und dass Natalie so vor Augen geführt bekommt, dass Will sich ebenfalls neuorientiert hat. Natalie reagiert etwas überfordert und flieht. Damit ist nun endgültig klar, dass man die Gefühle zwischen den beiden auf kleiner Flamme kochen lassen will, um sie jederzeit hervorholen zu können.
Fazit
"Chicago Med" bietet in dieser Woche eine hochspannende und mitreißende Episode, die ihre volle Wirkungskraft genau deswegen entfalten kann, da alle Handlungsbögen zu einem großen zusammengezogen werden. Dadurch wird das große Miteinander, das ich gerne öfters sehen würde, betont. Schade nur, dass auf kleinere privaten Dramen nicht gänzlich verzichtet werden konnte.
Lena Donth – myFanbase
Die Serie "Chicago Med" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Never Let You GoErstausstrahlung (US): 24.04.2019
Erstausstrahlung (DE): 13.11.2019
Erstausstrahlung (Pay-TV): 08.07.2019
Regie: Charles S. Carroll
Drehbuch: Stephen Hootstein & Joseph Sousa
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