Bewertung

Review: #3.04 Grünes Licht

Nach drei Folgen mit sehr inhaltsträchtigen Episodentiteln, scheint #3.04 Green Light im Vergleich ungewohnt kryptisch. Walter steht am Ende der Folge zwar tatsächlich vor einer grünen Ampel, doch welch tiefere Bedeutung kann man dieser Szene zuschreiben? Gibt der Zusammenbruch von Walters Beziehungen zu Skyler, Saul, Carmen und Jesse etwa grünes Licht für Heisenberg? Wird Walter womöglich doch noch auf Gus' Deal eingehen, nachdem er im Grunde nichts mehr zu verlieren hat? Man weiß es nicht. Klar ist lediglich, dass Walters Abstinenz vom Drogengeschäft seiner Psyche nicht sonderlich gut zu tun scheint.

"Walt, what's wrong with you?"

Wie schon nach der Schlussszene von #3.03 I.F.T. zu erwarten, nimmt Walter Skylers Seitensprung mit Ted alles andere als gelassen auf. Vielmehr rast er förmlich vor Wut und scheint weder bereit noch im Stande, seinen Zorn zu zügeln. So stürmt er völlig außer sich in Skylers Firma, um mit Ted zu sprechen und seine Ehre wiederherzustellen. Als dieser ihn verständlicherweise nicht empfangen will, greift er in einer herrlich absurden Szene zu einem etwas unhandlichen Pflanzenkübel und versucht damit, vor den Augen Skylers und ihrer Arbeitskollegen, die Glastür zu Teds Büro einzubrechen. Als wäre es nicht schon demütigend genug, dass er dabei kläglich scheitert, wird Walter daraufhin gewaltsam aus dem Gebäude entfernt und auf dem Parkplatz wie ein Bengel, der etwas ausgefressen hat, rabiat von Mike am Kragen gepackt und für seine Standpauke zu Saul chauffiert.

Was sich wiederum in dessen Büro abspielt, ist ein reines Vergnügen zu beobachten. Denn Vince Gilligans Entscheidung, neben Giancarlo Esposito auch Bob Odenkirk und Jonathan Banks zum Haupt-Cast zu befördern, mag zwar für viele Zuschauer überraschend gekommen sein, entpuppt sich jedoch spätestens mit dieser Folge als absoluter Glücksgriff. Denn die Dynamik, die hier zwischen dem wortkargen und stets beherrscht, beinahe stoisch wirkenden Mike und dem wie immer wild gestikulierenden und große Reden schwingenden Saul aufkommt, ist so genial, dass der Eindruck entsteht, die beiden könnten ihrem Gegenüber eindeutig die Show stehlen, wenn Walter von einem Geringeren als Bryan Cranston gespielt werden würde. Dementsprechend königlich unterhalten fühlt man sich in der gemeinsamen Szene dieser drei Ausnahmeschauspieler auch, als Saul sich beim Versuch, die Wanzen in Walters Haus zu erklären, mal wieder sehr gekonnt dreht und windet, Walter ihm letztlich aber trotzdem buchstäblich an die Gurgel springt, so dass der völlig entnervte Mike sein Kreuzworträtsel beiseitelegen und die raufenden Jungs auseinanderbringen muss. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit fühlt sich Walter verraten, in seinem Vertrauen betrogen, in seinem Stolz gekränkt. Er feuert Saul und lässt sich nicht einmal durch Mikes recht eindeutigen Hinweis, dass es manchmal etwas Gutes hat, wenn jemand ein Auge auf einen hat, daran hindern. Denn in seiner wilden Rage kommt es ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass er womöglich überreagiert.

Ironischerweise brennen bei Walter letztendlich aber erst dann endgültig die Sicherungen durch, als er nach außen hin bereits wieder seine Contenance zurückerlangt zu haben scheint. Selbstvergessen, nahezu gleichgültig wirkt er in Carmens Büro, als er plötzlich versucht, sie zu küssen. Ob diese verzweifelte Aktion auf eine echte Anziehung zurückzuführen ist, Walter damit Skyler eins auszuwischen gedenkt oder er einfach bloß sich selbst etwas beweisen und seine Männlichkeit rehabilitieren will, bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Klar ist lediglich, dass die eindeutige Abfuhr, die er von Carmen erhält, nur noch mehr an seinem ohnehin schon mächtig angekratzten Ego nagt. Die Tatsache, dass er noch dazu auf unbestimmte Zeit suspendiert wird, scheint dagegen fast schon nebensächlich.

"This is my product. This is my formula. This is mine."

Jesse hätte sich wohl kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können, um Walter stolz sein eigens gekochtes Meth zu präsentieren. Dann nach all den Erniedrigungen, fühlt sich Walter natürlich nur noch mehr in seiner Eitelkeit verletzt, als er feststellen muss, dass selbst Jesse ihn nicht mehr zu brauchen scheint. Und so vollzieht Walter nach anfänglichem Bekunden elterlicher Fürsorge für Jesse sogleich eine 180°-Wendung, als dieser ihm von seinem Vorhaben erzählt, alleine weiter zu kochen. Für den Zuschauer ist es natürlich wieder einmal höchst amüsant zu beobachten wie Walters Kosenamen-Wahl für Jesse in Windeseile von "Sohn" zu "Loser" und "Junkie" wechselt, während ein sichtlich getroffener Jesse überhaupt nicht nachvollziehen kann, wieso Walter plötzlich derart austickt. Und so wie die Scherereien und Giftspritzen zwischen Walter und Jesse schon immer zu den absoluten Highlights der Serie gehörten, so entschädigt auch dieser Schlagabtausch der beiden in Jesses Auto mehr als genug für das Fehlen jeglicher gemeinsamer Szenen seit dem Staffelauftakt.

Gus Fring wäre wiederum nicht Gus Fring, wenn er von dem Zwist zwischen Walter und Jesse nicht Wind bekommen und ihn zu seinem eigenen Vorteil nutzen würde. Denn offenbar kennt er Walter schon gut genug um zu wissen, dass dieser niemals freiwillig zulassen würde, dass ein minderwertiges Produkt unter seinem Namen im Umlauf ist. Und so wirft Gus all seine Prinzipien über Bord und geht einen Deal mit "Junkie" Jesse ein, in der Hoffnung, dass Walters Heisenbergscher Hochmut ihn letztlich doch noch dazu bringt, selbst wieder ins Drogengeschäft einzusteigen, sobald er – und dafür sorgt Gus natürlich – davon erfährt. Im Gegensatz zu Angst scheint Stolz für Gus also durchaus einen hinreichend wirkungsvollen Motivator darzustellen. Ob sein Plan letztlich auch wirklich aufgeht, wird sich noch herausstellen. Walters hoffnungslose persönliche Lage spricht jedenfalls eindeutig dafür.

"He had really blue eyes. You know... really, really blue."

Während Walter mit seinen inneren Dämonen ringt und beim Versuch, sie zu bändigen, immer wieder gnadenlos scheitert, hat sich Jesse mit seinem Dasein als "bad guy" offenbar schon tatsächlich abgefunden. Mehr noch, scheint er sich die Rolle regelrecht zu Eigen zu machen. So macht er der jungen Kassiererin einer entlegenen Tankstelle buchstäblich schöne Augen, um ihr eine Portion Meth als Zahlungsmittel aufzudrücken. Selbst als ein Streifenpolizist auftaucht, beweist der neue, geradezu kaltblütige Jesse Nerven aus Stahl und lässt einfach nicht locker, bis die arme Frau schließlich nachgibt. Was der Großteil der Zuschauer angesichts der Tatsache, dass im Grunde an jeder Tankstelle Sicherheitskameras installiert sind, als gleichermaßen vermessen wie blauäugig auffassen mag (von der moralischen Verwerflichkeit mal ganz abgesehen), bietet dem geringfügigen weiblichen Teil des Publikums derart unverhofften Augenschmaus, dass über jegliche Konsequenzen von Jesses Handeln wohlwollend hinweggesehen werden kann. Denn in einer Serie, die überwiegend von korpulenten Kahlköpfen oder verratzten Junkies bevölkert ist, ist eine Szene wie diese natürlich eine überaus willkommene Abwechslung. Noch dazu wirkt es höchst erfrischend, dass auch mal ein Vertreter der männlichen Spezies derart offensichtlich mit seinen Reizen spielen darf, nachdem es ja sonst meistens nur den Frauen der Schöpfung vorbehalten ist, verlockend mit den Haaren zu spielen oder unschuldig mit den Wimpern zu klimpern, während die Männer für gewöhnlich lediglich den coolen und/oder harten Hund markieren. Wie Aaron Paul sich hier dagegen kokett auf die Unterlippe beißt, ein verführerisches Lächeln nach dem anderen aufsetzt und zum Abschied schließlich ein nahezu laszives "Have a nice day" haucht, ohne dabei auch nur annähernd unglaubwürdig oder lächerlich zu wirken, ist wahrlich beeindruckend. Sogar so beeindruckend, dass man meinen könnte, Jesses Strategie hätte selbst dann funktioniert, wenn ein korpulenter Kahlkopf hinter der Kasse gestanden wäre. Aber apropos...

"What is up with you lately... Didn't you talk to someone?"

...Hank stürzt sich mit vollem Elan in die Ermittlungen als unerwartet wieder ein Päckchen blauen Meths auftaucht, da er den Fall als Fügung des Himmels ansieht, die es ihm ermöglicht, seine Rückkehr nach El Paso noch weiter hinauszuzögern, dies aber natürlich niemals offen zugeben würde, da er schließlich ein Image zu erfüllen hat. Gomez kann die ganze Aufregung dagegen überhaupt nicht nachvollziehen, nachdem es sich genauso gut um ein simples Nachahmer-Produkt handeln könne, was er Hank auch wissen lässt. Der wiederum lässt sich nur ungern kritisieren, was letztlich zu einer höchst brisanten und wunderbar inszenierten Konfrontation zwischen den beiden führt, in der Gomez erstmals nicht bloß als Hanks farbloser Sidekick fungiert, sondern auch endlich etwas mehr Profil erhält. Wie er Hanks Macho-Fassade durchschaut und ihm trotz seiner feindseligen Bemerkungen freundschaftlich besorgt zur Seite steht, spricht Bände. Wie stur und aggressiv Hank die Loyalität seines Freundes ablehnt, ganze Bibliotheken.

Als Hank von seinem Chef, ASAC Merkert, vor ein Ultimatum gestellt wird, muss er letztendlich aber doch noch seinen männlichen Stolz herunterschlucken und gestehen, dass er lieber in Albuquerque bleibt, als nach El Paso zu gehen – aber natürlich nur, weil er im Heisenberg-Fall kurz vor dem Durchbruch stehe. Sowohl Hank selbst, als auch Merkert und der Zuschauer wissen selbstverständlich, dass dies nur eine lahme Ausrede ist, aber sie ist auch nicht ganz unwahr, denn Hank ist Jesse tatsächlich gefährlich dicht auf den Fersen. Man kann nur hoffen, dass Jesse diesmal nicht wieder auf derart hanebüchene Weise davonkommt wie in #2.03 Gedächtnisschwund. Denn dann wären es nicht mehr Walter und Hank, um die man sich Sorgen machen müsste, sondern die Serie selbst.

Fazit

In dieser Übergangsepisode, die wieder etwas mehr auf Humor setzt, ist die Hölle zwar noch nicht losgebrochen, für Walter mag es sich aber durchaus so anfühlen. Denn das Sitzen auf seinem hohen Ross ohne Namen führt letztlich dazu, dass fast all seine zwischenmenschlichen Beziehungen zerbrechen und ihm im Grunde niemand mehr bleibt außer Heisenberg. Ob er nun aber auch tatsächlich über die grüne Ampel galoppiert oder vielleicht doch lieber umdreht, bleibt abzuwarten.

Paulina Banaszek - myFanbase

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