Bewertung

Review: #3.01 No Mas

Nach einer schier endlos wirkenden Kreativpause, die trotz alledem "nur" 294 Tage betrugt, kehrt "Breaking Bad", die momentan wohl beste TV-Serie, zum Start der mittlerweile dritten Staffel zurück (übrigens inszeniert von Hauptdarsteller Bryan Cranston). Während der Auftakt der zweiten Staffel sich nicht wie ein solcher anfühlte, weil die Handlung der durch den Autorenstreik verkürzten ersten Staffel genau dort weitergeführt wurde, muss sich die dritte Staffel nun darin beweisen, sowohl die wichtigsten Handlungselemente aus der Vorgängerstaffel fortzusetzen als auch neue Handlungsbögen einzuführen. "Breaking Bad" wäre selbstverständlich nicht "Breaking Bad", wenn das nicht gelingen würde, dazu noch mit einer Mühelosigkeit, die bewundernswert ist.

"We interrupt our scheduled programming to bring you this breaking news."

Das alles überstrahlende Ereignis sowohl in Albuquerque, dem Heimatort der Whites, als auch in der ersten Episode der neuen Staffel ist der Zusammenstoß der zwei Flugzeuge praktisch direkt über Walters Haus und die Auswirkungen davon. So ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Nachrichten das Ereignis aufnehmen und darüber ausgiebig berichten. Wie sich herausstellt, wurden 167 Menschen bei der Katastrophe getötet. Dazu kommt die schnelle Erkenntnis, dass ein Fluglotse die Hauptschuld trägt, nämlich Donald Margolis, Janes Vater, der ihren Tod nicht verkraftete. Der Zuschauer hatte diese Information schon zuvor, nun kennt sie auch jeder in New Mexico, den USA und vielleicht sogar dem Rest der Welt.

Walter versucht unterdessen auf seine Art, mit der Tragödie umzugehen – und wirft in einem Bademantel bekleidet angezündete Streichhölzer (bezeichnenderweise zeigt die Schachtel Werbung für Saul Goodman) in den Pool, nimmt sein gesamtes Bargeld und zündet es im Grill an, bemerkt, was er da eigentlich gerade anstellt und wirft sowohl den Grill als auch sich in den Pool, um das/die Feuer zu löschen. Muss man an dieser Stelle erwähnen, wie großartig Bryan Cranston die Situation spielt? Eigentlich nicht. Die wunderbare Symbolik des Auges des Plüschbären, den Walter bei seiner Aufräumarbeit findet und der praktisch in die Seele Walters sieht, gesellt sich dazu.

Wie sehr der Unfall der zwei Flugzeuge an Walter nagt, zeigt insbesondere die Trauerveranstaltung, die an Walters Schule gehalten wird. Neben der Zwanghaftigkeit, Peinlichkeit und dem allseits beliebten Hervorkramen der Theodizeeproblematik, die solche Veranstaltungen unweigerlich mit sich bringen, erzählt ein Schüler auch noch, wie im Garten seines Nachbarn ein Sitz aus einem der Flugzeuge aufrecht stand und die abgerissenen Beine eines Passagiers noch an den Sitz geschnallt waren. Der gequälte Gesichtsausdruck Walters aber insbesondere seine folgende Rede darüber, wie glücklich man aus vielerlei Gründen doch sein könne, dass es nur 167 Tote gegeben habe, zeigen deutlich, dass es ihm weniger darum geht, Schüler und Lehrerschaft davon zu überzeugen, sondern vor allem sich selbst. Das merkt man auch im weiteren Verlauf der Episode, als er Jesse Argumente dafür liefert, wieso dieser nicht schuld an der Kollision sein könne.

"You'd be amazed what I've seen partners hide from one another."

Skyler konsultiert unterdessen eine Scheidungsanwältin, weil sie keinerlei Vertrauen mehr zu Walter hat und wird dort wieder einmal damit konfrontiert, dass sie über das, was Walter in den vergangenen Monaten gemacht hat, nahezu kein Wissen, und entsprechend auch keinerlei Einsicht in die Finanzen von ihm hat. Richtig interessant jedoch wird es, als sie Walter besucht, um ihm die Scheidungspapiere zu überreichen. Walter empfindet Skylers Verhalten als strafend und entgegnet, dass sie sich nie seine Seite der Geschichte angehört habe. Ihre Antwort? "You're a drug dealer". Wow, einfach nur wow. Dass sie anfangs noch denkt, er deale mit Marihuana – geschenkt. Denn Walter, der sich sichtlich überrumpelt fühlt, erzählt ihr sogar die Wahrheit, nämlich dass er Meth herstellt (und legt sogar Wert darauf, nicht als Dealer gehalten zu werden). Wer den einen oder anderen Spoiler über wichtige Ereignisse der dritten Staffel gelesen hat, wusste, dass Skyler Walters Geheimnis erfährt. Aber gleich in der allerersten Episode und im Grunde schon fast ohne Geständnis Walters? Damit hat wohl niemand so schnell gerechnet. Man darf gespannt sein, inwiefern Walter der Spagat gelingt zwischen dem Wunsch, wieder mit seiner Familie vereint zu werden, und Skylers Ultimatum, dass er der Scheidung zustimmen und sich von ihr, Walter, Jr. und Holly, fernhalten solle, weil sie sonst Hank erzählen würde, was Walter ist. Walters Unterredung mit Gus, die Äußerung seines Wunsches, sich voll seiner Familie zu widmen und aus dem Drogengeschäft zurückzuziehen, ist die logische Konsequenz, die Walter aus der Flugzeugkollision und dem Auseinanderbrechen seiner Familie zieht. Da wurde jedoch mit Sicherheit nicht das letzte Wort gesprochen, insbesondere weil Gus sich zu schnell zurückzog.

Bei dieser Gelegenheit muss unbedingt erwähnt werden, wie großartig die beiden Darsteller diesen großen Moment gespielt haben. Anna Gunn gelingt das Kunststück, mit Cranston nicht nur mitzuhalten, sondern der Szene ihren eigenen Stempel aufzudrücken, denn schnell bemerkt man, dass die frisch blond gefärbten Haare und die Schminke im Gesicht das Gegenteil bewirken und sie nicht als selbstbewusst den weiteren Entwicklungen entgegen blickend charakterisieren, sondern vor allem fix und fertig, auch äußerlich. Die Fragilität ihrer Fassade, die sich versucht hat aufzubauen, wird in dieser Szene ganz besonders deutlich.

"Are you good enough to deserve your basic share of happiness?"

Jesse, immer noch auf Entzug, verkommt bei all den einschneidenden Ereignissen schon fast zur Randnotiz, glücklicherweise aber nur fast. Denn unabhängig davon, dass es auch schrecklich öde wäre, ihn und seinen Klinikaufenthalt so oft zu zeigen, dass es das Erzähltempo entscheidend verlangsamen würde, kommt es auf die Qualität und nicht auf die Quantität der Szenen mit ihm an. Denn vor allem die Szene, als er den Gruppenleiter (übrigens gespielt von Jere Burns, der aufgrund seiner zahlreichen Engagements im Fernsehen wohl jedem irgendwie bekannt vorkommt) fragt, ob er wirklich mal jemanden verletzt habe und dieser daraufhin die erschreckende und gleichwohl packende Geschichte darüber erzählt, wie er seine eigene Tochter an seinem Geburtstag tötete, ist für die Erkenntnis, dass Schuldgefühle nur im Weg stehen bei dem Wunsch nach Veränderung, immens wichtig. Und so ist es auch nicht überraschend, als Jesse selbstkritisch anerkennt dass er eben ein "bad guy" sei, nachdem er von Walter nach seiner Entlassung aus der Klinik abgeholt und bei ihm einquartiert wurde. Jesse wird aufgrund dieser Entwicklung in den folgenden Episoden sicherlich mehr zu sehen sein wie im Auftakt, zunächst war es jedoch wichtig, ihn auf realistische und dennoch halbwegs schnelle Art und Weise wieder in das Leben Walters zu integrieren.

Jetzt gibt es nur noch eine Sache, die unbedingt noch erwähnt werden muss, und das wäre der angekündigte neue Handlungsbogen, der sich langsam aber sicher offenbart und entfaltet. Durch zahlreiche Einblenden mit (vielleicht zu) starkem Gelbstich, unter anderem eine durch und durch grandiose Eröffnungsszene, in der vier Minuten lang kein Wort gesprochen wird, wird nämlich die Ankunft von zwei Gegenspielern Walters angekündigt, die bedrohlicher kaum sein könnten. Die zwei Cousins, die mit einem Strohwagen die US-amerikanisch-mexikanische Grenze überschreiten, und den sie nicht nur anzünden, sondern alle Passagiere sowie den Fahrer kaltblütig töten, könnten aufgrund der Unberechenbarkeit, die sie umgibt, kaum furchteinflößender sein. Dass der Zuschauer kein einziges Mal ein Wort vernimmt, das über ihre Lippen kommt, tut ihr Übriges.

Fazit

Mit der vorliegenden Episode ist ein guter Auftakt gelungen, der zwar die typischen Probleme hat, indem er als Einführung neuer Charaktere und Plots fungieren muss, jedoch im Grunde sonst nichts falsch macht. Angefangen bei einer wahrlich cineastischen Eröffungsszene, der Tatsache, dass Skyler nun über Walter Bescheid weiß, großartigem Schauspiel von vor allem Cranston und Gunn, einer wie immer stilsicheren Optik, über die filmreife Einführung von furchteinflößenden Gegenspielern war alles dabei. Selbst Hank und Marie, beide nur sehr kurz zu sehen, konnten wieder zur Auflockerung beitragen, ohne dass es störend gewirkt hätte. Eine Serie, die ihren Hauptcharakter zunehmend unsympathisch werden lässt, geht diesen Weg nicht nur konsequent weiter, sondern fordert den Zuschauer auch immer wieder heraus, seine Sympathien neu zu ordnen, diesmal durch Walter, Jr., der vor allem Skyler die Schuld an dem Auseinanderbrechen der Familie zu geben scheint, sowie Walters Äußerung, dass er kein Krimineller sei, sich nicht als einer sehe. Einzig die Erkenntnis, dass "Breaking Bad" in der Vergangenheit die Messlatte für gute Episoden derart hoch angesetzt hat, führt dazu, dass hier "nur" sieben Punkte vergeben werden können.

Andreas K. - myFanbase

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