Bewertung

Review: #6.01 Auf dem Absprung (1)

Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Jon Hamm, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Hinweis an alle Leser: Da die Staffelpremiere über zwei Episoden ausgestrahlt wurde, die auch inhaltlich eine Einheit bilden, bezieht sich diese Review sowohl auf Episode #6.01 The Doorway (1), als auch auf #6.02 The Doorway (2). Zum zweiten Teil der Review gelangt ihr, wenn ihr unten dann auf "Nächste Review" klickt.

Es ist bezeichnend für diese erste Episode der sechsten Staffel von "Mad Men", dass neben den klar spürbaren dauerpräsenten Motiven von Tod und Vergänglichkeit, die bereits für so viele Jahre eine sehr zentrale Rolle in der Serie spielen, auch so viele optische Leitmotive wie eben die im Titel angesprochenen Türen und auch einige Rückerinnerungen an alte Ereignisse aus früheren Jahren so zahlreich vertreten sind.

Dabei ist der Einstieg in dieses neue "Mad Men"-Kapitel sehr kryptisch und bietet enorm viel Spielraum für Spekulationen aller Art, sicher nicht unbeabsichtigt. Denn wir sehen am unmittelbaren Beginn der Staffel für einige Sekunden die Welt aus der Perspektive des Pagen Jonesy, der in Don und Megans Foyer ein Nahtoderlebnis hat, von der wir dann direkt zum Urlaubsaufenthalt der Drapers auf Hawaii schwenken, genauer gesagt auf Megans makellosen Körper beim Sonnenbaden in der Nahaufnahme. Dass wir dabei den relativ unbedeutenden Charakter des Pagens an so prominenter Stelle in einer Protagonistenperspektive erleben, dabei lediglich Megans Stimme zu hören ist und man Dons Anwesenheit nur erahnen kann, kann einen schon auf den Gedanken bringen, dass dies eine Art Vorschaubild auf einen eventuellen Herzinfarkt oder ähnliches von Don darstellen könnte. Ich persönlich halte diese Möglichkeit zwar für eher unwahrscheinlich, denn die Serie hat uns schon oft mit ihren bildlichen Metaphern in die Irre geführt, in dem diese in gänzlich anderer Weise später aufgegriffen wurden, als wir es erahnen konnten. Aber bemerkenswert ist es dennoch.

"What are the events in life?"

Aber zurück zum Geschehen, egal ob der Blick auf den Vorfall mit dem Pagen nun eine Art Vorschau war, oder nur als Katalysator für Dons morbide Faszination mit dem Thema Tod ausgelöst hat, so prägt sie doch diese erste Doppelfolge enorm. Nicht nur Don setzt sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinander, bei der es dem Auge des Betrachters überlassen bleibt, ob er sich nun davor fürchtet oder diese herbeisehnt. Auch gerade bei Roger wird durch den Tod seiner Mutter dieses Thema zum Alles beherrschenden. Über Rogers Monolog in dessen Therapiesitzung über die Türen des Lebens und die Metaphern, die diese für die Belanglosigkeit unseres Seins darstellen, wird der deutlichste Bogen in dieser Folge zwischen zwei Charakteren, eben ihm und Don geschlossen. Dazu kommt die auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so offensichtliche, aber doch prägnante Parallele zu Rogers und Dons Müttern, die bei der Beerdigung heraufbeschworen wird.

Wir wissen momentan als Zuschauer noch nicht, ob Dons völliger Absturz auf der Beerdigung von Rogers Mutter eher eine Ausnahme, oder doch die Regel war. Petes Bemerkungen Don gegenüber lassen mich eher zu einem Normalfall tendieren, wenn vielleicht auch nicht immer in dieser Heftigkeit. Aber die Tatsache, dass Don auf dieser Feier recht deutlich mit der lebenslangen Abwesenheit seiner Mutter konfrontiert wurde, kombiniert mit dem offensichtlichen Schock, ausgelöst durch das vertauschte Feuerzeug des Vietnamsoldaten, hat sicher einiges zur Heftigkeit dieses Absturzes beigetragen. Im Großen und Ganzen war Don in diesem Staffelauftakt aber doch eher der passive Dreh- und Angelpunkt, um den sich ein Großteil des Geschehens herumbewegt, während die aktiven Handlungsstränge eher bei Roger, Peggy und Betty lagen.

Und das, obwohl wir recht viel Zeit mit Don verbracht haben. Aber bezeichnend für den Großteil der Episode vergeht anfangs eine lange Zeit, bis dieser die ersten Worte spricht. Bis dahin bleibt er stiller Beobachter, von dem man nur ahnen kann, was in ihm vorgeht, wenn er ausgerechnet Dantes "Inferno" am idyllischen Strand von Waikiki liest. Seine erste Beteiligung im Dialog geschieht dann erst an der Hotelbar, mitten in der Nacht einem Fremden gegenüber. Es handelt sich um eben jenen Soldaten, dessen Feuerzeug Don später versehentlich einstecken wird. Die beiden fremden Männer erhalten über dieses Relikt des Krieges, ein Symbol des Soldatenlebens, eine spontane Verbindung. Aber während für Don dieses Erlebnis schon weit in der Vergangenheit liegt, ist es für seinen Gesprächspartner der reale und sicher grausame Alltag. Interessant für uns Zuschauer ist dabei aber auch, dass Don mit diesem Feuerzeug damals seinen Identitätswechsel ausgelöst hat, als er eben in Korea aus Versehen den wahren Don Draper in den Tod schickte.

"What's on the other side of the door?"

Neben dem kurzen Erlebnis in Hawaii hat Don das innigste Verhältnis in dieser Episode mit seinem Nachbarn Dr. Arnold Rosen. Der Umgang, den er mit dem recht bodenständigen Mann pflegt, kommt für uns eher überraschend. Ist Don doch keiner, der schnell Freundschaften schließt. Doch hier scheint er ehrlich bemüht und zeigt Interesse an seinem Gegenüber. Wie viel davon auf seinem eigenen schlechten Gewissen beruht, da er doch mit der Ehefrau seines neuen Freundes ein Verhältnis pflegt, bleibt bis dato offen. Man kann es aber auch nicht wirklich als Überraschung bezeichnen, wenn man am Ende Don ins Bett von Sylvia steigen sieht. Die spannendste Frage an dieser Stelle wird dabei wohl sein, um was für eine Frau es sich bei Sylvia handelt. Wir haben nur wenig bisher von ihr gesehen, wir wissen, dass sie Don das "Inferno" zum Lesen gegeben hat (und erinnert damit unweigerlich an Anna, der Don Bücher sandte) und dass sie recht lakonisch darauf reagiert, als Don seinen guten Vorsatz zum neuen Jahr offenbart: Die Affäre zu beenden. Natürlich sind seine Worte "Stop doing this." auch anders auszulegen, aber Sylvia gehört offensichtlich dazu. Dazu kommt der erste optische Eindruck, der über die wie immer bei "Mad Men" Bände sprechenden Kostüme ihre konservativ-katholische Haltung andeutet, die sich auch in der Einrichtung ihres Schlafzimmer (mitsamt Herz, Kruzifix und der heiligen Mutter auf dem Nachttisch) wiederfindet. Wer hätte gedacht, dass Don eine Affäre mit einer solchen Frau beginnt? Oder gehört diese Verbindung zur Religiosität zu Dons Suche nach dem Tod?

Dazu gesellt sich die Frage, wie die Ehe zu Megan in dieses doch recht deprimierende Bild von Dons Leben passt? Auf den ersten Blick scheinen sie glücklich zu sein, in ihrem normalen Verhalten sind die Brüche in der Beziehung nicht zu erkennen. Gerade auch Megans Wesen scheint momentan recht fröhlich und ausgeglichen, wobei man dabei natürlich nicht wirklich unter die Fassade blicken kann. Nur weil Dons Maske, hinter der er seinen wahren Seelenzustand verbirgt, nach außen die eines nachdenklichen, bedrückten Mannes ist und die von Megan, die der Unbeschwertheit, heißt dies noch lange nicht dass nur er die Schattenseiten dieser Ehe spürt. Aber hier konzentriert man sich zunächst auf seine Perspektive, ich bin mir aber sicher, dass wir im weiteren Verlauf der Staffel noch mehr über Megans Seelenzustand erfahren werden. Die äußeren Parameter ihres Lebens scheinen jedenfalls in Ordnung zu sein, ihre Schauspielkarriere nimmt langsam an Fahrt auf und sie schafft es offensichtlich, Fuß in einer TV-Seifenoper zu fassen. Ironischerweise hat sie dabei auch einen winzig kleinen Part (der einer Bediensteten) in einen entscheidenden ausgebaut, nicht unähnlich dem überraschenden Bedeutungsanstieg von Jessica Paré innerhalb von "Mad Men".

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