The End of an Era - Die prägendsten Figuren, Teil 2

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"Mad Men" ist eine Ensembleserie und hat uns über die Jahre mehr als eine Handvoll spannender Figuren nähergebracht. Neben den beiden Protagonisten Don Draper und Peggy Olson, die wir bereits im ersten Teil der Kolumne über die prägendsten Figuren beleuchtet haben, stehen nun vier weitere Charaktere im Zentrum des zweiten Teils, die sieben Staffeln die Seele der Serie ausmachten.


Betty Draper Francis


Betty Hofstadt Draper Francis nimmt im Rahmen von "Mad Men" wohl den deutlichsten Archetyp ein, sie verkörpert die klassische Hausfrau der frühen 60er-Jahre. Durch das Casting von January Jones kam zu diesem Typus noch die frappierende Ähnlichkeit mit Grace Kelly hinzu. "Mad Men" ist es aber gelungen, der Figur Betty ein eigenes Innenleben zu verleihen und besonders in den ersten beiden Staffeln die Trostlosigkeit einer solchen reinen Hausfrau-und-Mutter-Existenz den Zuschauern näherzubringen. Dabei hat Betty - auch wenn sich ihre eigentliche Rolle als die Frau an der Seite eines mächtigen Mannes nur wenig veränderte, selbst als der Mann wechselte - mehrere Phasen der Entwicklung durchgemacht. Anfangs hat man sich vor allem damit beschäftigt, wie sich Dons rücksichtsloses Verhalten und vor allem seine Tendenz zur Geheimniskrämerei auf sie als seine Frau und auf seine Familie auswirkt. Dabei konnte man oftmals ihr Verhalten als Reaktion auf Dons Zurückhaltung und seine Manipulationen interpretieren, aber besonders in der Retrospektive wird klar, dass in Bettys Figurenzeichnung von Beginn an viele kleine Details verborgen waren, die man erst später voll erfasste: ihre Essstörung, der Einfluss des frühen Todes ihrer Mutter und die Diskrepanz zwischen der Fantasie eines Lebens als Ehefrau und der Realität. Später, an Henrys Seite, stand ihre Veränderung zu einer geschiedenen Frau und Gattin an der Seite eines Politikers im Vordergrund, vor allem widmete man sich aber ihrem Verhältnis zu ihren heranwachsenden Kindern.

Betty war dabei nie als Sympathieträgerin konzipiert, was besonders in ihrem komplexen Verhältnis zu Sally deutlich wurde, das die Zuschauer oftmals an die Grenzen des Verständnisses brachte. Aber Betty verkörperte dabei sehr gelungen den Weg einer Frau, die mit der Vorstellung eines Lebens als Prinzessin aufgewachsen ist, der das Mutterdasein aber nicht in die Wiege gelegt wurde. Wäre Betty in einer anderen Epoche und mit anderen Werten in ihrer eigenen Erziehung aufgewachsen, hätte sie sich auch in anderen Dingen verwirklichen können. Es ist einer der größten Verdienste der finalen Episoden, dass diese Erkenntnis auch den meisten Betty-Zweiflern durch ihr Schicksal am Serienende, aber auch durch ihre Ambitionen zum Studieren, vor Augen geführt wurde und der wohl kontroverseste der Kerncharaktere so noch einen versöhnlichen Abschluss erhalten hat - auch wenn dieser Abschluss ihren frühen Tod bedeutet. Allerdings ist es für Betty wohl hinnehmbarer, jung und schön zu sterben, als ohne Gnade alt zu werden.

Zur Charakterbeschreibung von Betty Draper Francis



Pete Campbell


Wurde Betty, besonders am Anfang der Serie, als klares Gegenstück zu Don in dessen Privatleben konzipiert, so nahm Pete Campbell diesen Gegenpart im Arbeitsumfeld Dons ein. Als Pete bei Sterling Cooper am Anfang seiner Karriere mit seinen Ambitionen, seiner gehobenen Herkunft und seiner recht modernen Vorstellung von der Welt immer wieder mit Don in Konflikt kam, lernte man viel über Petes Charakter aus dessen Verhalten, mit dem er sich in manchen Dingen komplett anders, ebenso aber auch in den gleichen traditionell maskulinen Verhaltensweisen, bewegte wie Don Draper. Aber mit der Zeit gewann Pete als Figur immer mehr eine eigenständige Funktion und was ihn so besonders machte, ist, dass er über alle sieben Staffeln nie klar als Sympathieträger oder als Antagonist einschätzbar war. Pete war etwas Besonderes, immer getrieben von seiner eigenen Unzufriedenheit, immer auf der Suche nach mehr. Dabei wechselten Phasen, in denen Pete der einzige Mitarbeiter der Agentur zu sein schien, der seinen Platz gefunden hatte, mit denen, in denen er von einer inneren Unruhe angetrieben wurde, deren Ursachen nicht wirklich fest greifbar waren.

Auch privat war es diese Unruhe, die typisch für Pete war. Die Ehe mit Trudy war voller Höhen und Tiefen, die Frage seiner Vaterschaft von Peggys Baby stand lange Zeit auch im Kontrast zu seinen eigenen Versuchen, mit Trudy ein Kind zu zeugen. Als dies dann endlich gelang und Trudy sich damit durchsetzte, aus der Innenstadt in die Vorstadt umzusiedeln, ging es auch mit ihrer Ehe deutlich bergab. Die Gründe hinter Petes Problemen, egal ob privater oder beruflicher Natur, lagen oft in ihm selbst, aber sie waren für den Zuschauer immer spannend und unterhaltsam anzusehen und besonders in der letzten Hälfte der Serie sorgte er für einige der denkwürdigsten Augenblicke: "Not great, Bob!"

Zur Charakterbeschreibung von Pete Campbell



Joan Harris


Betrachtet man die Entwicklung vom Piloten bis zum Finale, so ist der berufliche Aufstieg von Peggy Olson keineswegs die einzige imposante Transformation eines weiblichen "Mad Men"-Charakters. Auch Joans Wandel im Verlauf der 1960er-Jahre ist ein ganz beachtlicher und ob ihrer Ausgangssituation vielleicht sogar noch überraschender. Schließlich schien es zunächst fast schon so, als sei der wahrgewordene Männertraum in erster Linie dafür gedacht, Matthew Weiners bissigen Humor zu kanalisieren ("There's no crying in the break room!") und nebenbei den Zusehern reihenweise den Kopf zu verdrehen. Zwar wurde rasch klar, dass die von Christina Hendricks in allen Facetten - autoritär und verletzlich, abgebrüht und einfühlsam, selbstbewusst und devot - famos dargestellte Schönheit sehr viel mehr zu bieten hat als nur ihre äußerlichen Reize, doch Joans wahre Glanzzeiten ließen eine ganze Weile auf sich warten. Über drei Staffeln hinweg fristete sie im Vergleich zu so manch anderem Hauptcharakter oftmals nur ein Randdasein, bevor es dank ihres glorreichen Einzugs anlässlich der Gründung von SCDP in #3.13 Shut the Door. Have a Seat kein Halten mehr für sie gab.

Was folgte, war Joans wohlverdientes Erklimmen der Karriereleiter, von der Chefsekretärin über die organisatorische Leiterin und Personalverantwortliche der Werbeagentur bis hin zur Teilhaberin und Kundenbetreuerin. Nicht jeder ihrer Schritte war dabei unumstritten - man erinnere sich bloß an die notgedrungene Prostitution zur Sicherung des Jaguar-Etats oder die kalte Schulter, die sie ihrem langjährigen Fürsprecher Don zwischenzeitlich zeigte. Und dennoch haben die Zuschauer wohl kaum einem anderen "Mad Men"-Charakter den Erfolg so sehr gegönnt wie dem kompetenten und charismatischen Rotschopf, der sich vom anfänglichen Poster Girl zur stolzen Alleinerzieherin, Feministin wider Willen und Entrepreneurin gemausert hat. Die Tatsache, dass dabei längst nicht alles nach Plan verlief und das ein oder andere Ziel (vor allem in privater Hinsicht) auf der Strecke blieb, vermochte ihren Triumph nicht zu schmälern. Denn wie formulierte Joan selbst es einst so treffend im Finale der ersten Staffel: "Sometimes, when people get what they want, they realize how limited their goals were."

Zur Charakterbeschreibung von Joan Harris



Roger Sterling


Die Einzigartigkeit des Charakters Roger Sterling zu Papier zu bringen, ist keine leichte Angelegenheit. Wirft man nämlich bloß einen sachlich-nüchternen Blick auf seinen Hintergrund und seinen Werdegang, so entsteht kaum der Eindruck einer sonderlich interessanten, geschweige denn wahnsinnig sympathischen Serienfigur. Aus privilegiertem Haus stammend und entsprechend verwöhnt durchs Leben wandelnd, muss Roger sich de facto nichts selber erarbeiten und braucht sich lediglich in das gemachte Nest seines Vaters, dem Mitbegründer der mittelständischen Werbeagentur Sterling Cooper, zu setzen. Respekt und Anerkennung für seine Mitarbeiter sucht man in Rogers Berufsalltag meist vergebens, während Dekadenz und Jammern auf hohem Niveau quasi auf der Tagesordnung stehen. Aber auch privat fällt seine Bilanz alles andere als berauschend aus, schießt er etwa seine fürsorgliche Frau Mona für die junge Sekretärin Jane in den Wind und findet für die wachsenden Probleme seiner Tochter Margaret nichts als unsensible Worte ("I can't wait until that girl is another man's problem"). Wie kommt es also, dass Roger zu den prägendsten Figuren von "Mad Men" zählt und über sieben Staffeln hinweg für beste Unterhaltung sorgt?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man Roger Sterling einfach in Aktion erlebt haben. Dank einer unverkennbaren Mischung aus spitzbübischem Charme und lockerem Mundwerk wickelt er im Handumdrehen jeden um den Finger, Zuschauer inklusive. Nicht umsonst sind seine legendären, als Lebensweisheiten getarnten Einzeiler à la "When God closes a door, he opens a dress" sogar in Buchform erschienen. Egal ob beim Frusttrinken mit Don, beim Flirten mit seiner alten Flamme Joan, beim unverhofften Zeitvertreib mit Peggy oder beim hitzigen Schlagabtausch mit seiner dritten Ehefrau Marie - Roger scheint mit nahezu jedem Gegenüber eine ganz spezielle Chemie zu haben. Gäbe es den Beruf des Kontakters nicht, so hätte er speziell für Roger erfunden werden müssen. Es ist jedoch nicht nur sein Naturell, mit dem er im Verlauf der Serie punkten kann. Auch charakterlich werden mit seinen wachsenden Existenzängsten und dem schleichenden Machtverlust an die nächste Generation interessante Aspekte beleuchtet, die dem Lebemann den nötigen Ernst und Tiefgang verleihen - frei nach dem von ihm propagierten Motto: "It's a mistake to be conspicuously happy. Some people don't like it."

Zur Charakterbeschreibung von Roger Sterling


Willi S. & Cindy Scholz - myFanbase

Teil 1 der prägendsten Figuren (Don Draper & Peggy Olson)
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