Die besten Momente 2009/2010
Platz 1: #3.11 Von Zigeunern und Landstreichern (Mad Men)

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Don Drapers Geheimnisse seiner Vergangenheit schweben schon seit Beginn der Serie wie ein Schatten über seiner Existenz. Sie waren eine Bedrohung für seine berufliche Zukunft, welche ihm allerdings durch Bertram Coopers Mitwissenschaft zumindest ein klein wenig genommen wurde. Aber die Angst davor, dass seine Ehefrau Betty von seiner wahren Identität erfährt, ist ein entscheidender Faktor, warum die Ehe der Drapers nicht glücklich sein kann. Don hat aufgrund dieser ewigwährenden Lügen, Lügen die so elementar und grundsätzlich sind, dass Betty darauf nur mit größter Verletztheit reagieren kann, seine Frau nie wirklich an sich heran gelassen. Mittlerweile herrschte zwischen den Eheleuten eine so enorme emotionale Distanz, dass es schmerzlich ist ihnen dabei zuzusehen. Als Betty Don nun in #3.11 The Gypsy and the Hobo mit dieser Wahrheit konfrontiert, ist der Zuschauer Zeuge, wie innerhalb weniger Augenblicke seine gesamte Welt zusammenbricht.

"Is that you? Dick, is that your name?"

Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: Carin Baer/AMC
Jon Hamm, Mad Men
© Carin Baer/AMC

Und diese Augenblicke, die den gesamten Mittelteil der Episode ausmachen, sind für uns der mit Abstand beste weil intensivste und beeindruckendste Moment der vergangenen TV-Season. Man kann die emotionale Wucht dieser Szenen gar nicht wirklich in Worte fassen, so nehmen sie einen gefangen und saugen den Zuschauer ins Geschehen. Nach fast drei Jahren, die man mit den Charakteren verbracht hat, weiß man, was diese Konfrontation für Don bedeutet und als einem klar wird, dass die Zeiten des Versteckspiels vorbei sind, hält man den Atem an, ob der Ereignisse, die nun folgen werden. Und es kommt alles ans Licht. Mit der Tatsache konfrontiert, dass Betty den Inhalt seiner ominösen Schreibtischschublade bereits kennt, gesteht Don ihr alles: Den Identitätstausch in Korea, seine Herkunft, seine Kindheit und seine Verpflichtungen für Anna Draper. Jon Hamm vollbringt in diesen Szenen eine Glanzleistung sondergleichen. Wie er den Übergang von der gewohnten Arroganz Dons Betty gegenüber zum kompletten Kontrollverlust und der damit einhergehenden Transformation zu dessen Alter Ego Dick Whitman darstellt, schlägt einen völlig in den Bann. Jon Hamm hat bereits zuvor oftmals bewiesen, dass er die beiden Seiten des einen Mannes in feinen Nuancen so ausdrücken kann, dass man ihm ohne Worte am Gesicht ablesen kann, wer in ihm gerade präsent ist. Aber hier liefert er sein Meisterstück ab. Die Demontage des Don Draper zum Feigling Dick Whitman, ausgerechnet durch dessen drangsalierte Ehefrau - die passenderweise in diesen Szenen im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen anhat – ist ganz großes Kino.

Foto: January Jones, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
January Jones, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Und January Jones liefert eine ebenbürtige Leistung ab. Wie Betty langsam das Ausmaß der Lüge realisiert und begreift, welche Schatten sich hinter Dons Fassade verbergen, ist beeindruckend. Ist sie zunächst noch verständlicherweise darauf fixiert, dass Don vor ihr schon einmal verheiratet war, muss sie doch merken, dass nicht Anna Dons wunder Punkt ist. Die wahre Schuld in Dons Gewissen verbirgt sich hinter dem Namen Adam Whitman, seinem Bruder. Und als Don von dessen Tod und seiner Verantwortung dabei erzählt, beginnt auch Bettys Fassade aufzuweichen. Letztendlich ist sie unmittelbar nach Dons Geständnis bereit, ihm vorerst zu verzeihen und entgegen dessen Befürchtungen, ihn nicht sofort vor die Tür zu setzen. Am Ende des Tages schließen sie eine Art Waffenstillstand. Aber der Zuschauer kann noch nicht wirklich aufatmen, denn zusätzlich zu der enormen Brisanz zwischen dem Ehepaar ist man sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass Dons Geliebte Suzanne Farrell die ganze Zeit über in dessen Auto vor der Tür auf ihn wartet. Ihre Anwesenheit schwebt über dem Szenario als potentieller Auslöser für die totale Katastrophe, die ausgebrochen wäre, hätte sie auch nur an die Tür geklopft. Das tut sie nicht, letztendlich geht sie nach stundenlangem Warten einfach davon. Dabei ist diese simple Lösung einerseits eine Riesenerleichterung für uns Zuschauer (eine solche Konfrontation hätte man wohl nicht mehr durchgehalten nach den aufreibenden Minuten zuvor) und gleichzeitig ein Beweis, dass "Mad Men" in jeder Sekunde die Souveränität besitzt, auf künstliches Seifenoperndrama zu verzichten.

Am Ende dieser fulminanten Episode begleiten Don und Betty in stiller Eintracht ihre Kinder bei deren Halloween-Runde, Sally ist als Zigeunerin verkleidet und Bobby als Landstreicher. Der Landstreicher steht dabei sinnbildlich für Dons innere Mentalität, da er sich bereits seit frühester Kindheit mit diesem Menschenschlag identifiziert hat. Und für einen kurzen Augenblick scheint es, dass er selbst als Landstreicher doch noch eine Chance hätte, mit Betty glücklich zu werden. Diese Hoffnung wird zwar allzu bald zerplatzen, denn letztendlich ist Betty doch eher Prinzessin als Zigeunerin, aber für einen Augenblick voller emotionaler Wucht und auch Hoffnung gebührt "Mad Men" der Spitzenplatz unserer Top-Momente 2009/2010.

Cindy Scholz - myFanbase

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