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Review: #2.08 Hannahs Rückfall

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Die erste Reaktion, die man als Zuschauer auf eine Episode wie #2.08 It's Back hat, ist wahrscheinlich entweder Überraschung oder Verwirrung oder beides. Hannah hat eine Zwangsstörung? Marnie will Sängerin werden? Shoshanna betrügt Ray? Was ist los? Doch beschäftigt man sich einmal eingehender mit der Struktur dieser Folge, so wird einem bald klar, dass all diese scheinbar plötzlichen Phänomene keinesfalls charakterwidrig oder forciert, sondern ziemlich stimmig mit der bisherigen Figurenzeichnung und dem Erzählaufbau sind. Der Grund dafür, dass wir bisher nichts von Hannahs Störung oder Marnies Träumen wussten, ist schlicht und ergreifend der, dass es bislang noch nicht die Gelegenheit gab, diese zu thematisieren, es aber deshalb trotzdem überhaupt nicht fern liegt, diese neuen Komponenten jetzt einzuführen. Menschen haben schließlich viele Facetten, die nicht immer alle gleichzeitig durchscheinen.

Am unerwartetsten erscheint zunächst wohl die Enthüllung, dass Hannah eine Zwangsstörung hat, die ihr in Jugendjahren wirkliche Probleme bereitet hat. Adams Anruf funktioniert hier wie ein Trigger, der in ihr alles – die Trennung, der Buchdeal, Jessas Verschwinden, die Distanz von Marnie – zum Überlaufen bringt. Als Zuschauer ist man erst völlig verwirrt, warum Hannah sich auf einmal so eigenartig verhält, doch diese Verwirrung ist definitiv gewollt, da für Hannah der Rückfall genauso abrupt geschieht wie für den Zuschauer, und man sich daher in einer ähnlichen Situation der Kontrolllosigkeit befindet. Eine Zwangsstörung kann man nicht kontrollieren, sie beherrscht einen, und so ist es völlig in Ordnung, dass diese so plötzlich kommt, wie es eben hier passiert. Zudem: Wie aufmerksame Kritiker angemerkt haben, erwähnte Marnie bereits in #1.09 Jetzt reicht's, dass Hannah sich jede Nacht acht Mal befriedigen müsse. Es scheint also tatsächlich ein Plot zu sein, den sich Dunham von Anfang an überlegt hat, um ihn zum richtigen Zeitpunkt zur Entfaltung zu bringen. Das Thema ist definitiv reizvoll und fügt dem Charakter Hannah eine ganz neue Dimension hinzu, wodurch sicherlich auch bald ein düsterer, dramatischerer Ton angeschlagen wird.

Erzählerisch geschickt ist es, auf der anderen Seite Adam zu zeigen, der sich nach der Trennung von Hannah ebenfalls wieder zusammenzureißen versucht und letztlich bei den Anonymen Alkoholikern landet. Adam ist sicherlich einer der kontroversesten Charaktere der Serie, entweder man hasst ihn oder man liebt ihn, und ich persönlich gehöre zu letzteren. Adam Driver macht einen großartigen Job, als er den Monolog bei den AA abliefert, der in nur wenigen Worten die ganze Misere, in der sich Adam befindet, zusammenfasst ("She was persistent, man!"). Denn Hannah hat ihm das Herz gebrochen, noch dazu nachdem sie ihn wochen- und monatelang belagert hat, damit er sich in sie verliebt. Kaum hat er das, ließ sie ihn fallen. Und so ist auch Adam auf der Suche nach neuem Glück und verabredet sich daher kurzerhand mit Natalia – eine absolut wunderbare Storyline, angefangen bei der herrlichen Unterhaltung zwischen Adam und Natalias Mutter Chloris ("God, you're tall!"), über das erste Telefonat zwischen den beiden ("Hi Natalia, I'm a creep... fuck!"), bis zum ersten Date selbst (Adam: "Holy shit!" – Natalia: "Oh my God, I love my Mom."). Shiri Appleby ist einfach nur bezaubernd und die Chemie zwischen ihr und Adam Driver ist definitiv da, sodass wir uns da sicherlich noch auf einige tolle Szenen freuen dürfen.

Parallel zu Hannah/Adam wird die Story rund um Marnie/Charlie aufgezogen, die nach der Trennung beide völlig andere Wege eingeschlagen haben: Während Marnie auf der Stelle tritt und keinerlei Richtung in ihrem Leben hat, hat Charlie sich gemacht und hat sich von einem weinerlichen Typen zu einem erfolgreichen Geschäftsmann entwickelt, was ihn für Marnie natürlich direkt wieder attraktiv macht. Doch Charlie hat mit dem Kapitel Marnie abgeschlossen, ja hat sogar eine App aus seiner Erfahrung gemacht, was für Marnie quasi noch ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht ist. Denn Marnie hat sich selbst immer für die Organisierte und Perfekte gehalten, Charlie allerdings für einen Verlierer, und hält es daher für komplett unfair, dass Charlie nun große Erfolge feiert. Hier zündet die Charakterzeichnung von "Girls" mal wieder wunderbar, denn was Marnie da macht – ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf andere zu projizieren und sie dann zu kritisieren, obwohl sie eigentlich selbst diejenige ist, die sich ändern sollte –, ist nichts anderes als menschlich. Hier bietet Rays Lässigkeit den perfekten Ausgleich zu Marnies Hysterie, eine Dynamik, die total aufgeht und die noch dazu für einige unglaublich witzige Momente sorgt ("You can't dress like a magician's assistant for very much longer."). Ist es nun absurd, dass Marnies insgeheimer Traum das Singen ist? Nein, ganz und gar nicht. Es ist ein Traum, den sie einfach nur immer in sich getragen und nie wirklich selbst in Betracht gezogen hat, und den Ray nun quasi aus ihr herausgekitzelt hat. Ob Marnie sich nun an seinen Rat hält, wird sich zeigen.

Als einzige mittelmäßige bis schlechte Storyline bleibt letztlich noch die rund um Shoshannah. Shoshannah ist einfach eine unglaubliche Nervensäge, die darin zwar nicht unauthentisch ist (kreischend-ausflippende Mädels wie Shoshanna und Radikha sind definitiv real), aber sehr, sehr anstrengend. Genau das wird hier ja aber auch demonstriert durch Radikha, die dem Geplapper ihrer Freundin völlig gelangweilt zuhören muss und dabei wahrscheinlich genauso dreinschaut, wie der Zuschauer vor dem Bildschirm. Shoshannahs One-Night-Stand mit dem Türsteher ist sicherlich ein weiterer überraschender Moment, doch bedenkt man, dass es trotz Rays rührendem Liebesgeständnis in #2.04 It's A Shame About Ray seither nur noch kriselt und Ray und Shoshannah generell eigentlich gar nicht zusammenpassen, war dies wohl nur eine Frage der Zeit.

#2.08 It's Back ist insgesamt eine Folge voller überraschender Wendungen, die sich aber nahtlos in die bisherige Charakterzeichnung einfügen, ja völlig neue Seiten der Protagonisten aufzeigen, die in ihnen schlummerten und sie dadurch noch facettenreicher machen. Trotz der vielen Plots verliert die Episode das Ziel nie aus den Augen, letztlich kommt ihr aber vor allem eine Funktion zu, nämlich die, die Weichen für die zwei finalen Episoden zu stellen. Darin macht sie aber sehr gute Arbeit und ist somit ein weiteres Beispiel toller "Girls"-Unterhaltung.

Maria Gruber - myFanbase

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