Bewertung

Review: #6.01 Die Rote Frau

Foto: Nikolaj Coster-Waldau, Game of Thrones - Copyright: Helen Sloan/HBO
Nikolaj Coster-Waldau, Game of Thrones
© Helen Sloan/HBO

Endlich ist es soweit und "Game of Thrones" kehrt mit einer neuen Staffel auf die Fernsehbildschirme zurück! Es ist für mich immer schwer, monatelang auf die neuen Folgen zu warten, besonders, wenn man das Finale mit so vielen Cliffhangern gestaltet. Ein weiterer Grund für Nervenkitzel ist das neue unbekannte Land, in das nun auch die Fans der Romanreihe abtauchen müssen, da wir zum ersten Mal nicht wissen, wie es laut Plan weitergeht und was George R.R. Martin für die Helden und Antihelden geplant hat. Dieses Gefühl von Unsicherheit und nicht zu wissen, was hinter der nächsten Ecke lauern könnte, begleitet einen durch die gesamte Episode und ich finde es wunderbar, dass man es gleich zum Staffelauftakt schafft, uns völlig starr vor Spannung vor den Bildschirm zu fesseln.

Ich weiß gar nicht, mit welcher Handlung ich beginnen soll, da erfreulicher Weise jeder Handlungsstrang aufgegriffen wurde und man einen Einblick bekommt, wie sich die jüngsten Ereignisse auswirken.

"If you were planning to see tomorrow, you picked the wrong room. We all die today."

Am heißesten diskutiert war wohl was Thema Jon Snow. Lebt er noch? Ist er tatsächlich tot? Ich persönlich hätte mir nicht träumen lassen, dass man sich wirklich von ihm verabschieden muss, doch genau so sieht es momentan aus. Gleich zu Beginn zeigt man uns seine Leiche, erschafft rund herum allerdings eine aufgewühlte Stimmung, durch die man die ganze Zeit über nicht richtig bereit ist, sich wahrhaftig darauf einzulassen, dass Jon tot sein soll. Sehr geschickt streut man dabei auch immer wieder kleine Hoffnungsschimmer ein. Zunächst liegt Jon reglos im Schnee und wird von Davos entdeckt. Er lässt ihn in seine Gemächer bringen und man hofft inständig, dass Jon einen Atemzug tut, bis man ihm dann allerdings die Augen schließt. Dann kommt Melisandre hinzu und man spekuliert, ob ihre Magie Jon wieder ins Leben rufen kann, doch genau in dem Moment, in dem man sich darauf versteifen möchte, versiegt die Hoffnung erneut. Auch am Ende der Episode zeigt man uns noch einmal Jons Leiche und in einem schreit es geradezu Das kann es doch nicht gewesen sein. Man lässt uns wieder hoffen, dass Melisandre etwas ausrichten kann und zeigt uns die Magierin erneut. Während die eigenen Gedanken vollends um Jon kreisen, habe ich mich keine Sekunde lang gefragt, was nach dem Tod von Stannis nun aus Melisandre und den Plänen ihres Herrn des Lichts wird. Abrupt reißen uns die Autoren dann allerdings von unseren Lebensrettungsfantasien weg und zeigen uns plötzlich eine alte und gebrechliche Melisandre. Zum ersten Mal in dieser Folge stellt man sich nicht die Frage, ob es von Jons Tod noch ein zurück gibt. Stattdessen wenden sich die Gedanken Melisandre zu und man weiß nicht recht, wie man mit diesem neuen Erscheinungsbild umgehen soll. Ist ihr plötzliches Altern ein Zeichen dafür, dass ihre Magie versagt hat? Steht sie ebenfalls kurz vor dem Tod? Oder wollte man uns zeigen, wie mächtig sie ist und dass sie schon die ganze Zeit über verbirgt, eigentliche eine alte Frau zu sein?

Die Autoren schaffen es mit den Handlungen in der Schwarzen Festung in jeder Sekunde, Hoffnung zu schüren, obwohl es eigentlich keine Anzeichen dafür gibt, dass sich etwas bessern wird. Die Szenen sind hervorragend geschrieben und lassen uns Zuschauer hoffen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

"Fuck prophecy. Fuck fate. Fuck everyone who isn't us. We're the only ones who matter, the only ones in this world. And everything they've taken from us, we're going to take back and more. We're going to take everything there is."

Ein weiterer Tod wurde in #5.10 Die Gnade der Mutter angekündigt und zwar der von Myrcella. Sie ist zwar kein so großer Sympathieträger wie Jon, dennoch kann man sich sicher sein, dass ihr Ableben fast eben so große Wellen schlagen wird. Auch bei ihr wird uns schnell versichert, dass sie gestorben ist, indem man in Cerseis Gesicht zeigt, wie die Wiedersehensfreude in Trauer übergeht, nachdem sie Jaimes Miene gesehen hat. Bisher fand ich Cersei immer sehr berechenbar. Man wusste genau, dass sie sich nicht an moralische Richtlinien hält und gern Köpfe rollen lässt. Doch statt nun sofort Rache zu schwören und gen Dorne zu marschieren, gibt sie sich erst einmal ihrer Trauer hin und zeigt uns ihre verletzliche Seite (dass sie dennoch nach Dorne marschieren wird, ist allerdings sicherlich nur eine Frage der Zeit). Zu Beginn der letzten Staffel zeigte man uns den ersten "Game of Thrones" Flashback mit einer Szene aus Cerseis Vergangenheit. Bereits als Kind wurde ihr viel Kummer prophezeit und Cersei erkennt nun, dass die Wahrsagerin damit bisher Recht behalten hat. Sie wurde Königin, ihr Mann hat sie betrogen, Joffrey ist tot, Myrcella ist tot. Angesichts dieser Schicksalsschläge und aufgrund ihrer verlorenen Haarpracht wirkt Cersei auf einmal ganz zerbrechlich und sie verliert die Facette der schlagfertigen Frau, die sie uns sonst so gern zeigt. Ich habe es genossen, auf diese Weise von ihr überrascht zu werden. Man ist es von "Game of Thrones" schließlich gewöhnt, dass sich die Figuren weiterentwickeln und zwangsläufig über sich hinauswachsen müssen. Genau dieses Prinzip hat man bei Tyrion und Jaime ganz wunderbar umgesetzt, doch Cersei wirkte neben ihnen immer wie die gleiche rachsüchtige, machtgierige Frau. Nun endlich scheint auch sie den Punkt erreicht zu haben, an dem man ihrer Figur eine neue Facette abgewinnen kann.

"Your son is weak just like you, and weak men will never rule Dorne again."

Myrcella an sich ist in meinen Augen für die Serie kein großer Verlust, da man ihr in der letzten Staffel in Dorne nicht so viel Zeit gewidmet hat, dass sie einem irgendwie ans Herz gewachsen wäre. Daher nutzt man diesen Tod geschickt aus, um die Handlung in Dorne, die wohl zu den schwächsten gehört, die uns die Serie bisher gezeigt hat, in Schwung zu bringen. Man lässt es nämlich nicht bei Myrcellas Tod bleiben und zeigt uns, dass Ellaria Sand und ihre Töchter keine Gnade kennen. Die Figuren sind zwar noch nicht so gut entwickelt, dass man ahnt, was ihnen das Ganze bringt, dennoch sorgen sie in dieser Episode für zwei schockierende Momente. Das war zum einen der Tod von Doran Martell, den Ellaria auf ihren Rachefeldzug gegen Oberyns Mörder und diejenigen, die sich ihr in den Weg stellen oder nicht anschließen, umbringt. Obwohl ich diese Entwicklung nicht kommen sah und positiv überrascht bin, dass man die Storyline in Dorne nicht schleifen lässt, sehe ich noch nicht ganz, wie sich diese Geschichte in das Gesamtkonzept der Serie einfügt. Schließlich geht es hier um den Machtkampf um den Eisernen Thron. In meinen Augen sinnt Ellaria momentan einfach nur nach Rache, will aber nicht unbedingt im Spiel um den Thron mitmischen. An diese Gedanken schließt sich kurz darauf der zweite Mordanschlag an, bei dem Trystane sein Leben lassen muss. Nach Dorans und Myrcellas Tod gab es aus logischen Konsequenzen keinen Platz mehr für ihn, schockiert über die Ruchlosigkeit von Nymeria und Obara, die ihren Cousin kaltblütig umbringen, bin ich aber doch. Ich bin etwas enttäuscht, dass man uns die Sandschlagen bisher nur als hirnlose Tötungsmaschinen zeigt und hoffe, dass man etwas mehr Energie in sie investiert, sollte man Dorne weiterhin als regelmäßige Handlung dabei behalten.

"Lady Sansa, I offer my services once again."

Während die letzten beiden Themen Anlass zur Trauen boten, ist der Hoffnungsschimmer am Horizont in dieser Episode Sansas Wiedervereinigung mit Brienne. Ich war schon fast etwas genervt davon, dass Sansa und Theon durch den Wald fliehen, nur um dann doch wieder von Ramsay Männern aufgegriffen zu werden, bis dann glücklicherweise Brienne auftauchte. Ich hätte nicht recht gewusst, was man uns in Winterfell mit den Boltons noch Neues hätte bieten wollen, weshalb es umso schöner ist, dass Briennes Herzenswunsch nun endlich in Erfüllung geht und sie einer von Catelyns Töchtern dienen kann. Die neu ins Leben gerufene Frauenpower geht einem sofort nahe, da Briennes Augen vor Tränen schwimmen. Sie hat Sansa nicht nur das Leben gerettet, sondern wird nun auch in ihre Dienste aufgenommen und dass mit einem echten Treueschwur. Es ist in "Game of Thrones" eine Rarität, dass sich friedvolle Koalitionen bilden, in denen niemand einen finsteren Plan in der Hinterhand hat. Nun scheinen wir jedoch eine davon entdeckt zu haben. Die unterschiedlichen Frauen, die beide auf ihre eigene Art unsicher sind und ihren Mut finden mussten, geben ein ungleiches Paar ab, doch genau das macht ihren Charme aus.

Während man über Sansas neues Bündnis nur Gutes sagen kann, gehört die Storyline ihrer Schwester meiner Meinung nach zu den weinigen Aspekten der Episode, die mich eher kalt gelassen haben. Nach Briennes Gesichtsausdruck und Sansas unsicherem Schwur, kann Arya leider nicht mithalten und auch wenn ihre neue Situation als Blinde an sich nicht langweilig werden muss, sehe ich in ihr nicht das gleiche Potential. Noch immer ist Arya dadurch mit dem Haus von Schwarz und Weiß verflochten und soll scheinbar eine neue Lektion lernen: Kämpfen ohne den Gegner zu sehen. Während die Geschichten der Figuren in Westeros alle mit einander verflochten sind, wirkt Arya etwas verloren. Allein auf dem anderen Kontinent weiß man einfach nicht recht, was man von ihr halten soll und welche Entwicklung ihres Charakters eine interessante Wendung für den Rest der Serie mit sich bringen könnte.

"You are nobody, the millionth of your name, Queen of Nothing, slave of Khal Moro."

Fast genau so unsicher sieht die Zukunft von Tyrion aus, der allein mit Varys durch Meereen streift. In Kombination mit Daenerys hätte ich mir für die beiden eine glorreiche Zukunft ausgemalt, doch nachdem sie zuletzt auf Drogon davongeflogen ist, bleibt abzuwarten, was man aus Tyrion macht. Für mich war er bisher immer eine der spannendsten Figuren der Serie, da er von niemandem geschätzt wird, aber ein gutes Herz hat und man ihm einfach nur wünscht, sein Glück zu finden.

Ganz anders sieht es da bei Daenerys aus. Während Tyrions Zukunft ohne sie in den Sternen steht, sagt man uns bei diesem Handlungsstrang ganz genau, was wir zu erwarten haben. Daenerys, die in dieser Folge auf Khal Moro trifft, soll nach Dosh Khaleen geschickt werden. Ich muss zugeben, dass ich schon ganz vergessen hatte, dass man uns in der ersten Staffel von diesem Ort erzählt hat. Ich fände es an sich sehr spannend, die vielen anderen Khalessis zu sehen, die ebenfalls mit so starken Männern verheiratet waren, wie Daenerys einst mit Khal Drogo. Dennoch muss ich zugeben, dass die Geschichte vielleicht nicht ganz so reizvoll wie manch andere in dieser Staffel sein wird, was zum großen Teil daran liegt, dass Khal Moro Darsteller Joseph Naufahu es schwer haben wird, in die Fußstapfen von Jason Momoa zu treten.

Fragen, die sich auftun:

  • Nachdem Sansa und Theon Winterfell verlassen haben, hängt die Story dort etwas in der Schwebe. Da die Boltons keine der ursprünglichen Familien sind, die man uns bei "Game of Thrones" vorgestellt hat, sehe ich es hier schwierig, die Spannung auf Dauer am Laufen zu halten. Ähnlich sieht es in Dorne aus, da die Sandschlange für mich genau so große Sympathieträger sind wie die Boltons.
  • Das Heulen von Ghost zu Beginn der Folge hat wunderbar unterstrichen, dass es Grund zu Trauer gibt. Ist es nun das letzte Mal, dass wir einen Schattenwolf sehen?
  • In Staffel fünf pausierte die Storyline von Bran und sie wurde auch in dieser Folge nicht angesprochen. Obwohl ich sie nicht vermisse, könnte ich mir vorstellen, dass man Bran nach Jons Tod wieder ins Spiel bringt.
  • Wie geht es wohl mit Margaery weiter? Muss sie auch nackt durch die Stadt laufen, um zurück zur Roten Festung zu kommen? Ich denke nicht, dass die Autoren dies ein zweites Mal einbauen.
  • Einige Fragen aus den Büchern bleiben noch immer offen. Ich finde es schade, dass man Tyrstane nun nie in Essos sehen wird. Es besteht allerdings noch immer die Möglichkeit, die Greyjoys wieder mehr einzubinden.
  • Wann wird Sam erfahren, dass sein bester Freund tot ist? Kehrt er dann zur Schwarzen Festung zurück, um den Mord an Jon zu rächen?

Fazit

Dieser Staffelauftakt bietet alles, was man sich wünschen konnte, auch wenn man mit einigen Todesfällen so nicht gerechnet hat und man inständig hofft, doch noch eine Kehrtwende zu erleben. Das Gesamtbild der Folge war so vielseitig und hat uns von Trauer und Wut bis hin zu Erleichterung und Vorfreude viele Emotionen bieten können. Es zeichnet sich zwar schon jetzt ab, welche Geschichten in mehr oder weniger interessante Richtungen gehen könnten, doch durch die vielen Toten der letzten Zeit verlagert sich das Gleichgewicht und man kann nicht ahnen, wie sich welche Aktionen auswirken werden, was diese spannungsgeladene Episode in meinen Augen zum besten Staffelauftakt bisher macht.

Marie Florschütz - myFanbase

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