Review: #8.20 Das namenlose Mädchen

Die Lehrjahre unserer Assistenzärzte (von Lexie abgesehen) nähern sich dem Ende entgegen und sie alle müssen sich entscheiden, wo sie in Zukunft arbeiten wollen. Bleiben sie dem Seattle Grace/Mercy West treu oder wagen sie den Schritt in ein neues Umfeld? Natürlich ist es für sie reizvoll, in anderen Krankenhäusern zu arbeiten, in denen sie oben in der Hierarchie anfangen und nicht mehr als der Nachwuchs angesehen werden, in denen sie vielleicht mehr Geld verdienen, ihnen möglicherweise bessere Ausrüstung zur Verfügung steht und sie sich etwas eigenes aufbauen können. Andererseits gibt es natürlich viel, dass sie in Seattle hält, und der schlechteste Arbeitsplatz ist das Seattle Grace/Mercy West trotz einiger Rückschläge in den letzten Jahren ja auch nicht.

Wer sich als Zuschauer nun entspannt zurücklehnt, in dem Glauben, dass am Ende sowieso alle Assistenzärzte im Seattle Grace/Mercy West bleiben, könnte letztlich einige böse Überraschungen erleben. Selbstverständlich ist es möglich, dass sich wirklich nichts ändert, aber wir befinden uns im achten Jahr der Serie, die Verträge vieler Schauspieler laufen aus und die Chance für Serienmacherin Shonda Rhimes, bedeutende Einschnitte vorzunehmen, war noch nie so groß wie jetzt. So wie die Assistenzärzte etwas Neues beginnen können, kann dies auch die Serie. Die neunte Staffel könnte also durchaus in einem deutlich veränderten Gewand daherkommen, an diesen Gedanken muss man sich so langsam gewöhnen.

Eine wichtige Hürde müssen die Assistenzärzte freilich noch nehmen, bevor sie das nächste Kapitel ihrer Karriere aufschlagen können, sie müssen die Prüfung vor dem American Board of Surgery bestehen. Nach wie vor habe ich den starken Verdacht, dass mindestens einer von ihnen scheitert, was aber auch nicht bedeutet, dass er oder sie dann im Seattle Grace/Mercy West bleibt.

Cristina schien zuletzt ein sicherer Kandidat für ein Scheitern zu sein, doch ihr großes Talent ist landesweit bekannt und so wird sie von vielen Krankenhäusern umworben. Nach all dem Beziehungskummer ist das natürlich Balsam für ihre Seele und dürfte ihr viel Auftrieb geben. Sie und Owen leben getrennt, gehen aber wieder recht vernünftig miteinander um. Dies mag allerdings auch daran liegen, dass Cristina fest plant, Seattle zu verlassen. Warum noch streiten oder sich angestrengt aus dem Weg gehen, wenn man sich bald ohnehin nicht mehr sieht? Möglicherweise erleben wir nun in den nächsten Wochen ein Abschied auf Raten zwischen Cristina und Owen. Manch ein Fan mag nun ausgerechnet auf Teddy hoffen, die einst eine große Bedrohung für die Beziehung war, nun aber sehr daran interessiert ist, ihren Schützling Cristina in Seattle zu halten.

Einen definitiven Abschied sehen wir in dieser Episode auf jeden Fall, denn Webber sagt seiner Frau Adele Lebewohl. Sie hat sich in einen Mitpatienten verliebt und ist glücklich mit ihm, während ihr Ehemann für sie nur noch ein Fremder ist. Ein Szenario dieser Art gab es auch schon in der Episode #7.13 Täuschung. Webber sieht ein, dass für ihn in Adeles Leben kein Platz mehr ist, und er lässt seine Frau und ihren neuen Freund in Frieden. In gewisser Weise hat sich Adele damit doch noch verspätet für seine Affäre mit Ellis Grey gerächt, ohne dass es ihr selbst bewusst ist.

Neben der Karriereplanung der Assistenzärzte und dem Abschied im Hause Webber dominiert der schockierende Fall um die Patientin Holly die Episode. Hollys Geschichte erinnert wohl nicht zufällig an das reale Schicksal der Österreicherin Natascha Kampusch. Obwohl wir kaum Details über Hollys Martyrium erfahren, reichen die Andeutungen schon aus, um sich die physische und die psychische Gewalt vorzustellen, der das Mädchen ausgesetzt war, und um zu realisieren, mit welchen Nachwirkungen sie zu kämpfen hat. Dieses brisante Thema wird hier insgesamt solide umgesetzt, nicht zu reißerisch, aber auch nicht zu verharmlosend.

Maret Hosemann - myFanbase

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