Bewertung

Review: #5.05 Selbsthilfe

Foto: Josh McDermitt, The Walking Dead - Copyright: Frank Ockenfels III/AMC
Josh McDermitt, The Walking Dead
© Frank Ockenfels III/AMC

Tatsächlich bleibt Scott M. Gimple seiner Linie treu und nutzt nach den imposanten und rasanten ersten Episoden die Gelegenheit, die Charaktere wieder in den Vordergrund zu stellen. Das funktionierte bereits in der zweiten Staffelhälfte der vierten Staffel gut und das scheint auch im Moment gut zu funktionieren, auch wenn Beths vermeintliche Charakterstudie in der letzten Woche nicht wirklich gut gelungen war. In dieser Episode beschäftigt man sich alleine mit der Gruppe um Abraham und stellt den smarten Ex-Militär ins Zentrum des Geschehens. Dabei wird ein Geheimnis enthüllt, das retrospektiv eigentlich ziemlich offensichtlich war, denn Eugene ist gar kein Wissenschaftler.

"I'm not a scientist! I lied. I'm not a scientist. I don't know how to stop it. I'm not a scientist."

Eugene kann also nicht dafür sorgen, dass die Welt wieder so wird, wie sie einmal war. Es ist nicht weiter verwunderlich, wurde uns in den letzten Episoden doch immer wieder gezeigt, wie ausweichend er reagiert, wenn man ihn auf die mögliche Lösung des Zombie-Problems anspricht. Dann schwafelte er stets etwas von geheimer Information, die er nicht teilen darf, wirkte dabei jedoch so ausweichend, dass man eigentlich gar nicht anders konnte, als skeptisch zu werden. Mich wundert ja, dass niemand seiner Mitreisenden je in Frage gestellt hat, ob er tatsächlich so viel weiß, wie er vorgibt. Aber warum sollten sie ihm auch nicht glauben...

Seine Motivation für all den Schmu sieht Eugene darin, dass er bald nach der Apokalypse eingesehen hat, dass er unmöglich alleine überleben kann. Er ist kein draufgängerischer Kämpfer, sondern ein hasenfüßiger Verlierer, der unbedingt jemanden brauchte, der ihn dorthin bringt, wo er den meisten Schutz vermutete – nach Washington DC. Dass für ihn so viele Menschen letztendlich ihr Leben lassen mussten, das hat er nicht verdrängt. Er weiß sehr wohl, in welche Lage er seine Mitmenschen gebracht hat, aber für ihn war dies der einzige logische Schritt, um nicht jämmerlich vor die Hunde zu gehen.

Wie gesagt, es verwundert mich nicht, dass Eugene gelogen hat, allerdings bin ich überrascht, dass er sich letztendlich so früh in der Staffel seinen Mitreisenden offenbart. Dies wird die Dynamik in der Gruppe ändern, denn eigentlich haben sie jetzt kein Ziel mehr und sie wurden von einem Mann belogen und betrogen, zu dem sie alle allmählich Vertrauen gefasst haben. Die einzelnen Szenen, in denen Tara und Maggie sich ein wenig mit ihm unterhalten, sind ganz klar auch ein Auslöser dafür, dass Eugene am Ende über seinen Schatten springt, um Abraham davon abzuhalten, eine Kamikaze-Aktion ins Rollen zu bringen, die ihrer aller Tod nach sich gezogen hätte. Er hat ein schlechtes Gewissen den Menschen gegenüber, die für ihn sterben würden und ihn so akzeptieren, wie er ist, selbst mit seinen Eigenarten, wie beispielsweise, wenn er seinen Mitreisenden dabei zusieht, wenn sie miteinander schlafen.

"You can't leave! [...] I have a very important mission."

Bis zum großen, dramatischen Finale um Eugene war es eine eher ruhige Episode, die sich in erster Linie mit Abraham und dessen Schicksal beschäftigte. Es gibt nicht oft Rückblenden zu den Anfängen der Zombieapokalypse, doch wenn man sie einstreut, dann dienen sie stets zur Definition eines Charakters. Und auch wenn die Rückblenden in die Vergangenheit stets nur kurz sind, so sind sie doch sehr eindringlich. In Abrahams Fall erklären sie, warum er sich so sehr darauf versteift hat, Eugene nach Washington zu bringen – er hat seine Familie verloren, die nicht mitansehen konnte, wie er ohne zu zögern Duzende von Beißern erledigt hat, die seine und ihre Sicherheit bedroht haben. Vollkommen verängstigt von dem Mann, der er notgedrungen im Angesicht der Katastrophe werden musste, haben sie sich von ihm losgesagt und sind dadurch in ihren eigenen Tod gelaufen.

Durch Eugene bekam er wieder einen Lebensinhalt und wieweit er in Begriff war, dafür zu gehen, sieht man ganz deutlich in dieser Episode. Abraham ist nicht länger bereit, Umwege in Kauf zu nehmen, sondern will endlich seine Mission beenden. Dass er dabei nur noch geradeaus denkt und nicht die Gefahr sieht, in die er sich und die anderen begibt, zeigt, wie schmal der Grad zwischen Entschlossenheit und Wahnsinn bei ihm ist. Er hat aber auch keinen anderen Grund, weiter zu leben. Bevor Eugene in sein Leben gestolpert ist, hat er alles verloren, was ihm lieb und teuer war und er war kurz davor, seinem Leben ein Ende zu setzen.

In dem Moment, als Eugene ihm gesteht, dass alles, was er ihnen je versprochen hat, auf einer Lüge basiert, da setzt er für einen Moment aus und schlägt Eugene mit zwei harten, gezielten Schlägen nieder und geht ein paar Schritte weiter in die Knie, fassungslos, dass seine ganze Daseinsberechtigung in Trümmern liegt.

Was bleibt der Gruppe nun? Weitergehen? Aber wohin, zu welchem Ziel? Zurück zur Kirche, zu Rick und den anderen? Der weitere Weg der Gruppe ist vollkommen offen und ich bin gespannt, wie es weitergehen wird.

Randnotizen

  • Die Actionszenen in dieser Episode waren sehr sparsam gesät, aber sie hinterließen einen grandiosen Eindruck. Alleine die Szene mit dem Wasserschlauch war spannend, weil sie mal etwas ganz anderes war als das andauernde Gemetzel Mann gegen Mann. Dennoch verfehlten auch Szenen wie am Bus nicht ihre Wirkung.
  • Stört es wirklich niemanden, dass Eugene immer wieder mal im Dunklen versteckt dabei zusieht, wie Espinosa und Abraham miteinander schlafen? Ich finde das ja unglaublich creepy.
  • Maggie und Glenn waren auch in der Episode, nahmen jedoch keinen großen Raum ein, was nicht weiter tragisch war. Die gemeinsame Szene, in der die beiden Arm in Arm zusammen lagen und darüber redeten, dass sie die Gruppe zurücklassen mussten und sich deswegen schuldig fühlten, war dennoch sehr eindringlich. Was mich trotzdem wundert: Kein Wort von Maggie bezüglich ihrer Schwester.

Fazit

Anders als befürchtet ist die Geschichte um Abraham und seine Gruppe nicht zäh und langatmig geworden, sondern präsentiert eine dramatische Stunde mit viel Charakterarbeit, einer interessanten Enthüllung und einer guten Balance zwischen Action und ruhigen Momenten. Am Ende konfrontiert sie allerdings nicht nur die Charaktere, sondern auch die Zuschauer mit einer Ratlosigkeit, ob des weiteren Fortgangs der Geschichte. Doch egal, was passieren wird, ich hänge am Haken und will wissen, wie es weiter geht.

Melanie Wolff - myFanbase

Die Serie "The Walking Dead" ansehen:


Vorherige Review:
#5.04 Slabtown
Alle ReviewsNächste Review:
#5.06 Verschwunden

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "The Walking Dead" über die Folge #5.05 Selbsthilfe diskutieren.