Bewertung

Review: #4.04 Im Zweifel

Foto: Melissa Suzanne McBride, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Melissa Suzanne McBride, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Eigentlich war es abzusehen. Nachdem man sich im letzten Jahr in der obersten Etage der "The Walking Dead"-Produzenten entschieden hat, sich von Showrunner Glen Mazzarra zu trennen und stattdessen Scott Gimple das Zepter für die vierte Staffel zu überlassen, da war klar, dass die Serie eine andere Ausrichtung erhalten würde. Bereits in #3.12 Gesichter der Toten, der ersten Folge unter seiner Leitung, ließ Gimple durchblicken, dass er den Fokus der Serie ein wenig anders legen würde als sein Vorgänger. Und nach vier Episoden der aktuellen Staffel ist klar, dass man sich momentan darauf einstellen muss, dass das Tempo im Vergleich zur vorherigen Staffel erheblich gedrosselt wird.

"You're not that woman who was too scared to be alone, not anymore. You're gonna start over, find others, people who don't know, and you're gonna survive out here."

Dass dies durchaus funktionieren kann, zeigte nicht nur besagte Episode aus Staffel 3, sondern beweist auch #4.04 Indifference. Rick grübelt darüber nach, wie er mit der Erkenntnis, dass Carol für den Tod von Karen und David verantwortlich ist, umgehen soll. Die Montage, wie er sich vorstellt, wie Carol die beiden in ihrer Zelle überrascht und niedergestochen hat, ist unglaublich eindringlich und zeigt, wie sehr Rick dies trifft. Nicht der Tod der beiden an sich, sondern viel eher die Tatsache, dass es jemand aus den eigenen Reihen ist, der diese abscheuliche Tat verbrochen hat.

Doch es dauert lange, bis die Wut darüber aus ihm heraus bricht. Zunächst einmal begibt er sich mit Carol zusammen auf einen kleinen Roadtrip, vorgeblich um neue Vorräte zu beschaffen. Dass dies nur ein Vorwand ist, um Carol auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden, was sie zu dieser unmenschlichen Tat getrieben hat, wird zu Beginn nicht unbedingt klar, sondern eröffnet sich dem Zuschauer (und auch Carol) erst nach und nach. Angesprochen auf den Tod von Karen und David verteidigt Carol ihr Handeln damit, dass sie eine potentielle Bedrohung für die Gruppe in Karen und David gesehen hat und etwas unternehmen musste, um zu verhindern, dass die Seuche auf die Anderen übergreifen konnte. Dass es hier bereits zu spät war, konnte sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen. Ricks Argument, dass die beiden die Erkrankung hätten überstehen können, lässt Carol nicht gelten. In der jetzigen Zeit heißt es für sie, schnelle Entscheidungen zu treffen und das Gewissen im richtigen Moment beiseite zu lassen. Rick sieht dies verständlicherweise anders.

Wenn man sich mal ansieht, was in den vergangenen vier Staffeln aus Carol geworden ist und zu welch einer Frau sie sich entwickelt hat, so sind ihre Worte nachvollziehbar. Jahrelang war sie in einer lieblosen und gewalttätigen Ehe gefangen, unfähig sich gegen ihren Mann zur Wehr zu setzen. Erst durch den Ausbruch der Apokalypse, sowie durch den brutalen Tod ihrer Tochter Sophia hat sie gelernt, alleine im Leben zurecht zu kommen. Das ist ein enormer Schritt für eine Frau wie sie. Und während Rick noch immer einem intakten Familienleben nachtrauert, hat Carol nicht nur ihre Familie verloren, sondern dabei auch erkannt, dass das Leben nach dem Verlust eines lieben Menschen weitergehen muss und auch weitergehen wird.

Rick sieht die ganze Sache natürlich vollkommen anders. Für ihn gibt es immer noch die Hoffnung, dass sie alle irgendwann wieder ein halbwegs normales Leben führen können. Er glaubt weiterhin, dass er Farmer sein kann und nie wieder seine Waffe gegen jemanden erheben muss. Und genau deswegen kann er nicht akzeptieren, dass Carol in der Gruppe bleibt. Schließlich versorgt er sie mit allerhand Vorräte, überlässt ihr einen Wagen und fordert sie auf, davon zu fahren. Er verstößt sie aus der Gruppe, die zu seiner Familie geworden ist und die er beschützen will, von den üblen Dingen außen, sowie von den negativen Dingen aus dem Inneren heraus.

Als Carol am Ende ohne viel Aufhebens wegfährt, da stellt sich die Frage, ob Melissa McBride hiermit tatsächlich die Serie verlassen hat. Es wäre schade um ihren Charakter, der solch eine großartige Wandlung durchgemacht und zu einer festen Größe im Cast geworden ist. Ihr Verschwinden wird Unruhe in die Gruppe bringen – Daryl wird es schwer haben zu akzeptieren, was Carol getan hat und dass er sich so in ihr getäuscht hat. Und es ist jetzt auch noch nicht klar, wie Tyreese reagieren wird, wenn Rick ihm erzählt, wer für den Tod seiner Freundin verantwortlich ist. Ich hoffe sehr, dass Carol irgendwie den Weg zurück zur Gruppe findet.

"You were right, what you said before. About the trail going cold. I don't need to go out anymore."

Während man sich in der Episode sehr auf die Gespräche zwischen Rick und Carol konzentriert, kämpfen an anderer Stelle Tyreese, Daryl, Michonne und Bob um ihr Überleben. Doch auch hier sind die An- und Übergriffe der Zombieherden eigentlich nur Beiwerk. Zunächst einmal erleben wir, wie viel Hass Tyreese noch immer in sich trägt. Dieser Hass und die Wut über den Tod von Karen lässt ihn nicht nur leichtsinnig werden, sondern schürt fast so etwas wie eine Todessehnsucht in ihm, durch die er nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen in Gefahr bringt.

Es ist schön hier zu sehen, dass Michonne sich endlich besser in die Gruppe integriert. Als sie Tyreese versucht klar zu machen, dass sein blinder Hass Karen auch nicht wieder zu ihm zurück bringen wird, nutzt dieser die Gelegenheit, um sie selbst auf ihren kleinen Rachefeldzug gegen den Gouverneur anzusprechen. Dabei muss Michonne auch sich selbst eingestehen, dass sie der Vergangenheit nachjagt und sie sich lieber auf das Hier und Jetzt konzentrieren sollte. Daryl gegenüber gesteht sie schließlich, dass sie bereit ist, die Jagd auf Philip Blake aufzugeben und stattdessen im Gefängnis bleiben will.

Als Fremdkörper empfinde ich noch immer Bob Stoke. Man gibt sich alle Mühe, ihn in die Geschehnisse zu integrieren, doch so recht will es den Autoren nicht gelingen, Sympathien für ihn zu wecken. Vielleicht gerade weil auch er moralisch eher ambivalent ist. So riskiert er bereitwillig sein Leben für eine Flasche Alkohol, während Daryl, Tyreese und Michonne ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren versuchen. Ich bin doch immer wieder überrascht, wie emotional Daryl sein kann – in einem Moment ist er einfühlsam und ehrlich, im nächsten Moment ein wilder Stier. Als er ohne zu zögern auf Bob zugeht und ihn entwaffnet, ihm dann auch noch klar macht, dass er ihn ungespitzt in den Boden rammen wird, wenn sie wieder im Camp zurück sind, zeigt, welch hohe Moralvorstellungen er mittlerweile hat. Für ihn gibt es mittlerweile nur noch die Gruppe, seine eigenen Bedürfnisse hat er nach dem Tod seines Bruders Merle in der letzten Staffel endgültig hinten angestellt. Ich bin gespannt, wie er reagieren wird, wenn er von Carols Mord an Karen und David erfahren wird.

Fazit

Obwohl die Episode keinerlei Fortschritt in der Geschichte gebracht hat, geschweige denn dem Zuschauer vermitteln konnte, in welche Richtung sich die vierte Runde von "The Walking Dead" nun eigentlich bewegt, war sie dennoch die vielleicht beste Episode der neuen Season. Sie überzeugte mit tollen Dialogen und effektvollen Szenen zwischen den einzelnen Charakteren, die emotional berührten und zum Nachdenken anregten. Es muss nicht immer alles Actionlastig sein. Manchmal hinterlassen die leisen Töne einen wesentlich gewaltigeren Eindruck.

Melanie Wolff - myFanbase

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