Bewertung

Review: #2.11 Sorry, Bruder!

Foto: Jeffrey DeMunn, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Jeffrey DeMunn, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Na, da wartet eine sehr gesprächsintensive Episode mit einem ungeahnten, schockierenden Ende auf, das mich fast schon sprachlos zurück lässt. Eigentlich ist (mal wieder) nicht sonderlich viel passiert auf der Farm und doch gab es genügend Einblick in die Seelen der Protagonisten. Und am Ende musste der alte Mann, der stets an das Gute im Menschen appelliert hat, seinen Hut nehmen und gehen.

"I'm asking for one day to talk to everybody. You can give me that. Think-think about Carl."

Zum gefühlten hundertsten Mal diskutiert die Gruppe darüber, was mit Randall passieren soll. Ein jeder hält ihn für potentiell gefährlich, vor allem nachdem er Daryl unter Folter gesteht, dass er Teil einer 30-köpfigen Gruppe war, die auch schon mal Frauen überfallen und vergewaltigt hat. Zwar beteuert er, dass er nicht so ist wie seine Begleiter und sich ihnen nur angeschlossen hat, weil er sich erhoffte, so eine größere Chance zu haben. So recht glauben will ihm aber niemand. Als Zuschauer ist man in einem Zwiespalt – man ist gewillt, sich auf Randalls Seite zu stellen und um Gnade zu flehen, doch genau das ist es, was Randall will. Jedenfalls wenn man Shane fragt. Der glaubt noch immer, dass Randall Hintergedanken hat, sich losreißen wird und die Gruppe, mit der er reiste, zu ihnen führt.

Dale ist der Einzige, der sich offen gegen den Plan stellt, Randall zu exekutieren, wie es Rick plant. Er versteht, dass die anderen verängstigt sind, appelliert jedoch an ihre Menschlichkeit und fleht sie regelrecht an, nicht zu vergessen, wer sie sind. Dale versucht bei jedem einzelnen der Gruppe durchzudringen, erntet von jedem jedoch nur Kontra und Unverständnis. Als die Gruppe am Ende eines langen, sehr gesprächsintensiven Tag zusammenkommt, muss Dale erkennen, dass die Gruppe längst zerrüttet ist, wie Daryl zwischenzeitlich so treffend festgestellt hat.

Dass bei der letzten Abstimmung gerade Andrea sich auf Dales Seite stellt, zeigt, dass sie ihm längst verziehen hat und durchaus versteht, worum es Dale bei einem Versuch, Randall zu retten, wirklich geht. Leider stehen die beiden alleine auf weiter Flur. Rick und vor allem auch Shane sind fest entschlossen, Randall zu töten. Und bei Shane gibt es keinen Zweifel – ohne zu zögern würde er dem Jungen eine Kugel in den Kopf jagen. Ohne Reue. Der Sicherheit der Gruppe zuliebe. Rick scheint sich allmählich in eine ähnliche Richtung zu bewegen, doch als Carl schließlich zur Exekution kommt und unbedingt zusehen will, ja seinen Vater sogar noch ermutigt, endlich zu schießen, besinnt er sich eines Besseren. Randall ist – erneut und vorerst – einmal mehr gerettet.

"Heaven is just another lie, and if you believe it, you're an idiot."

Carl macht derzeit eine interessante Metamorphose durch. Er wird neugierig, hinterfragt die Pläne seiner Eltern und stellt selbst Nachforschungen an. So schleicht er sich in die Scheune, in der man Randall gefangen hält, und sieht ihn sich genau an. Und hier zum ersten Mal seit seinem Auftreten erscheint Randall in einem zwielichtigen Licht. Er schmeichelt Carl, er lobt Rick in den Himmel und verspricht Carl, dass er ihn zu den anderen führen kann, die sie alle beschützen können. Ist Randall also vielleicht doch eine Gefahr, so wie Shane es vorausgesagt hat?

Shane schleift Carl schließlich nach draußen und warnt ihn, sich aus den Angelegenheiten der Erwachsenen heraus zu halten. Wütend legt Carl sich im folgenden mit Carol an, der er sehr unsanft klar macht, dass es keinen Himmel gibt, in dem Sophia jetzt sein könnte. Dafür erntet er auch glatt eine Standpauke seines Vaters und zieht beleidigt in die Wälder. Allein auf weiter Flur. Dass da etwas passieren muss, ist absehbar. Carl trifft bei seinem Streifzug einen Beißer, der im Schlamm am Bach feststeckt und beschließt, diesen etwas genauer zu studieren. Ja mehr noch, er beobachtet ihn nicht nur, sondern bewirft ihn mit Steinen. Dann nähert er sich ihm und will ihn mit einer von Daryl gestohlenen Kanone kalt machen, doch – oh Wunder – das Ding reißt sich los und geht auf Carl los. Der kann sich nach dem ersten Schrecken mit Mühe und Not retten, ahnt jedoch hier noch nicht, das dies für einen aus der Gruppe noch schreckliche Konsequenzen haben wird.

"I'm sorry, brother."

Die letzten Minuten der Episode haben es in sich. Dale, der sich der Gruppe geschlagen gegeben hat, sucht Ablenkung auf einem freien Feld und findet eine schlimm zugerichtete Kuh. Zu spät bemerkt er, dass der Übeltäter direkt hinter ihm ist. Der Beißer, den Carl am Bach gesehen hatte, hat sich vollends befreit und ist nicht nur über die Kuh hergefallen, sondern greift nun Dale an. Und der ist so überrascht, dass er sich nicht wehren kann. Mit Mühe und Not versucht er den Beißer von sich zu halten, doch der hat die Hände bereits tief im Bauch des alten Manns vergraben.

Es folgen einige sehr ekelige Bilder von Dale, dem die Gedärme buchstäblich aus dem Bauch hängen und der sich vor Schmerz windet. Die anderen, aufgeschreckt durch Dales Schreie, eilen zu ihm und töten den Angreifer. Für Dale kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Fassungslos steht die Gruppe nun bei ihm. Carl erkennt, dass er mitverantwortlich für die Situation ist. Denn hätte er den Beißer nicht gereizt und zu erschießen versucht, stünde dieser womöglich noch immer mit beiden Beinen fest im Schlamm, weit weit weg von Dale. Als er sieht, was er angerichtet hat, sucht er Schutz im Schoß seiner Mutter.

Ein wenig befremdlich ist, dass der Beißer sich tatsächlich durch die Bauchdecke von Dale wühlen kann. Ich habe nie wirklich auf die Hände der Dinger geachtet und bislang vergruben sie eher ihre Zähne in einer Person als dass sie sie ausgeweidet haben, so dass ich mir nicht sicher bin, ob es tatsächlich möglich ist, einer Person den Bauch aufzuschlitzen, mit bloßen Händen.

Der Dramaturgie tut das ganze keinen Abbruch. Man leidet mit Dale, der sich seines nahenden Ende bewusst ist. Hershel wird hinzugerufen, kann aber für Dale auch nichts mehr tun. Nun muss jemand vortreten, der Dale von seinem Leid erlöst und dieses Mal ist es nicht Rick, der in die Bresche springt. Er bringt es einfach nicht fertig, den Mann zu erschießen, der in den Stunden zuvor noch so leidenschaftlich gegen eine Exekution argumentiert hat. Am Ende ist es Daryl, der sich ein Herz nimmt, die Waffe hebt und Dale erschießt. Off Screen allerdings. Der Zuschauer hört nur einen Schuss bei einem schwarzen Bildschirm.

Fazit

Das überraschende Ende des gutmütigen Dale lässt alles andere an der Episode beinahe verblassen. Ricks Selbstzweifel und Loris fehlende Eigeninitiative, genau wie Carols Ärger darüber, das man sie behandelt, als sei sie verrückt geworden. Selbst das süße Gespräch zwischen Beth und Hershel, in der er so liebevoll mit ihr umgeht, dass einem das Herz aufgehen kann. Oder das Gespräch zwischen Hershel und Glenn, als letzterer Hershels Uhr geschenkt bekommt, als Zeichen dafür, dass er Glenn als Freund seiner Tochter akzeptiert. All das verblasst ob des tragischen Todes eines Hauptcharakters, der fast schon so penetrant an das Gute im Menschen geglaubt hat, dass man leicht entnervt angefangen hat, ihn als verrückten alten Mann abzustempeln. Ich bin noch immer sprachlos.

Melanie Wolff - myFanbase

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