The Girl from Plainville - Review Miniserie

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Bereits in meiner Pilotreview zur Miniserie "The Girl from Plainville", die von Hulu produziert wurde und hierzulande bei STARZPLAY zu streamen ist, war ich sehr angetan angesichts des ersten Eindrucks, denn neben der klaren Erzählstruktur, die auch direkt eindeutige Handlungsschwerpunkte setzte, hat mich vor allem das Schauspiel von Elle Fanning direkt gefangen genommen. Nun bin ich durch mit der Serie und ich hatte angekündigt, mich direkt danach tiefer in die Materie einzulesen, da der Serieninhalt auf einem echten Justizfall beruht. Das habe ich auch gemacht. Von daher lest nun nach, wie ich die komplette Miniserie fand und wie ich sie anhand der realen Umstände einschätze und einordne.

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Die Review zum Pilot konnte ich anhand von drei Ebenen strukturell ordnen. Genauso kann ich es auch bei der Serienreview halten, da sich wiederum klar drei Ebenen herauskristallisiert haben, wenn auch mit kleineren Verschiebungen. Während ein Schwerpunkt weiterhin ohne Frage Michelle Carter (Fanning) bleibt, ist es auf der zweiten Ebene nicht nur die Familie von Conrad (Colton Ryan), die näher beleuchtet wird, sondern vor allem er selbst. Während es im Pilot vor allem um die familiären Auswirkungen nach dem Selbstmord ging, so hat sich die restliche Serie bemüht, Conrad selbst ins Zentrum zu rücken, damit man ihn und seine Beweggründe besser verstehen kann. Zuletzt gab es im Pilot noch Polizist Scott Gordon (Kelly AuCoin), von dem sich aber ebenfalls der Fokus wegbewegt, nachdem er den Fall an die Staatsanwaltschaft in Person von Katie Rayburn (Aya Cash) und ihre Kollegin Teresa Adams (Chinasa Ogbuagu) weitergeleitet hat und sich damit auch offiziell aus der Serie verabschiedet. Dadurch rückt die rechtliche Betrachtung des Falls ins Blickfeld und damit würde ich diese Review in der konkreten Analyse gerne einleiten.

'Can Words Kill?', das war eine Frage, die auf einem Serienplakat zu lesen war und sie war auch für mich über den Verlauf der Serie hinweg eine spannende Frage, weswegen ich auch dem juristischen Anteil große Erwartungen entgegengebracht habe. In jedem Fall ist das juristische Team auf Seite der Anklage zum tatsächlichen Fall abgeändert worden. Hier wurde auf reine Frauenpower gesetzt, vermutlich um den Frauenanteil in der Serie etwas zu stärken. Im Grunde ist es auch egal, welche Geschlechter es sind, auch wenn ich Cash in dieser Rolle zunächst etwas gewöhnungsbedürftig fand, da ich sie zuletzt in "The Boys" erlebt habe, wo sie das völlige Gegenteil gespielt hat. Aber ich konnte mich auch gut an ihre neue Rolle gewöhnen, denn sie hat die leidenschaftliche und bissige Anwältin wirklich gut porträtiert. Dennoch fand ich diese Ebene im Verhältnis die schwächste. Ich weiß nicht genau, was ich mir erwartet habe, aber ich fand es zu wenig, einfach nur ein wenig den Fall und dann der Prozessverlauf nachzuerzählen, denn ich hätte mir tatsächlich mehr eine interessante Auseinandersetzung mit der in diesem Absatz eingangs erwähnte Frage gewünscht. Der Prozess ist in Massachusetts verhandelt worden und hat auch Schlagzeilen gemacht, weil in dem Staat zuvor noch niemand für die Aufforderung zum Selbstmord verurteilt worden ist. Gerade vor dem Hintergrund, dass es juristisch ein Novum war, hätte ich mir eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema vorstellen können. Das hätte auch ganz abseits von der Causa Michelle und Schuld oder Unschuld ablaufen können, denn die Frage ist generell entscheidend und wird durch die Zunahme von Verbrechen via Internet nur noch mehr Gewicht gewinnen. Natürlich gab es letztlich die Urteilsbegründung des Richters (J.C. MacKenzie), aber alles in allem war es mir doch zu schwach.

Deutlich stärker war definitiv die Darstellung von den Roys. Die Familie hat auch mit dem Produktionsteam der Serie gesprochen und das ist dem Endergebnis anzumerken. Zudem gab es eben nicht nur die durch den Prozess zugänglichen Textnachrichten, die Conrad und Michelle ausgetauscht haben, sondern auch Videos, die er selbst aufgezeichnet hat und in denen er sein Gefühlsleben auf dem Silbertablett präsentiert hat. Dazu gepaart noch mit dem innigen Schauspiel von Ryan und 'Coco', wie er liebevoll von seiner Familie genannt wurde und wird, wird zu einer sehr greifbaren Persönlichkeit. Auch wenn er schon einmal unter gewalttätigen Aussetzern seines Vaters Co (Norbert Leo Butz) leiden musste und dazu noch ein Großvater (Peter Gerety) hatte, der mit sehr antiquierten Ansichten daherkam, so ist doch eindrücklich aufgezeigt worden, dass er nicht wegen seiner Sozialisierung Selbstmord begangen hat, sondern dass er einfach krank war. Das Aufdecken der Schattenmomente seines Lebens ist nur so in den Fokus gerückt worden, weil sie eben später für die Gegenseite Argumente lieferten, um die Schuld von Michelle wegzuschaffen. Ansonsten hat sich die Serie eher darauf verlagert, wie Conrad oft lachen konnte, um aber im nächsten Moment wieder von der Last seiner Gedanken niedergedrückt zu werden. Zudem wurde gezeigt, dass es in der Familie dennoch genug innige Momente gab und dass er vor allem in seiner Mutter Lynn (Chloë Sevigny) seinen größten Fan wusste. Aber auch sein Verhältnis zu seiner mittleren Schwester Sydney (Ella Kennedy Davis) war mitsamt typischer geschwisterlicher Streitereien immer von viel Verständnis geprägt. Egal, in welchen Momenten seines Lebens man ihn erlebt hat, es lag immer eine Schwermut über allem, selbst bei diesem so unbeschwert wirkenden Sommer, als Conrad und Michelle sich das erste Mal begegnen und wie typische Teenager schwer verliebt sind. Obwohl er sich ihr immer anvertrauen konnte, so hat auch sie letztlich nichts geändert. Der Prozess hat auch einen großen Schwerpunkt auf die Nebenwirkungen gewisser Depressiva gelegt, aber auch das würde der Darstellung von Conrad hier nicht gerecht werden, denn es wurde die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der viel zu früh keinen Lebensmut mehr in sich gespürt hat. Zuletzt kann ich zu seinem Teil, wobei es schon langsam zu Michelle übergeht, noch sagen, dass es ein cleverer Schachzug der Macher war, den textuellen Austausch zwischen Conrad und Michelle immer in ein tatsächliches Gespräch von Angesicht und Angesicht zu transformieren. Da die beiden sich nur ganz wenige Male in echt gesehen haben, wäre es auf Dauer anstrengend gewesen, immer die Nachrichten zu lesen oder zu hören, so hat man die beiden im konkreten Gespräch gesehen, was sicherlich auch die Innigkeit widerspiegelt, die ohne Frage zwischen diesen beiden geherrscht hat.

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Etwas schwieriger wird es dann auf der Ebene von Michelle. Mit ihrer Familie oder gar ihr selbst hat die Produktion nicht gesprochen, weil diese inzwischen verständlicherweise ein sehr zurückgezogenes Leben führen. Aber auch ihr bleibt natürlich zur Einschätzung ihrer Persönlichkeit ihre tatsächlich geschriebenen Nachrichten sowohl mit Conrad als auch mit Freunden. Aber da Michelle auch vor Gericht nie selbst ausgesagt hat, bleibt ihre Perspektive deutlich unsicherer. Das wirkt sich auch auf die Darstellung der Familie aus, denn während ich bei Lynn, Co und dem Rest das Gefühl hatte, einen ehrlichen Einblick in ihr Innenleben zu bekommen, bleiben die Carters völlig blass. Jetzt mag es daran liegen, dass eben die offizielle Perspektive beispielsweise der Eltern Gail (Cara Buono) und David (Kai Lennox) fehlte, andererseits hat sich die Serie auch nicht gescheut, sich in Bezug auf Michelle einiges auszudenken, wofür es definitiv keine Vorlage gab. Denn ich habe mich angesichts Michelles eigener Geschichte mit einer Essstörung etc. auch gewundert, ob die Familie die ganze Zeit nichts gemerkt hat? Und wie haben sie ihre eigene Tochter und ihre Taten bewertet? Das wirkt hier deutlich ausgeklammert und passt zu der generellen Kritik, die ich an der Serie üben würde, dass nicht immer eine konsequente Linie zu erkennen ist, aber dadurch, dass die interessanten Themen gestreift, dann aber nicht intensiviert werden, fällt es leider auch auf.

Kommen wir aber noch einmal ausschließlich auf die Darstellung von Michelle, wo ich nach dem Pilot doch schon eine ganz schöne Gänsehaut hatte. Das weitere Bild zu Michelle gestaltet sich sehr ambivalent, so habe ich sie beispielsweise in den Kennenlernszenen mit Conrad als sehr sympathisch gefunden. Dort wirkte sie vor allem schüchtern, die vielleicht von ihm, der auch sexuell erfahrener ist, vielleicht sogar zu Dingen gedrängt wurde, die ihr nicht ganz geheuer waren, aber sie wirkte vor allem eben wie jemand, der definitiv noch nicht seinen Platz im Leben kennt und sich deswegen einfach auf den Moment eingelassen hat. Relativ parallel bekommen wir aber zunächst erstmal eine andere große Liebe für Michelle präsentiert, denn sie findet in Susie (Pearl Amanda Dickson) eine Seelenverwandte, die sie mit ihrer Liebe zu "Glee" ansteckt. War es in der Pilotfolge vor allem die tragische Liebesgeschichte von Rachel und Finn, die Michelle fasziniert hat, so werden in Bezug auf Susie Szenen mit Santana und Brittany gezeigt, was natürlich schnell unterstreicht, dass es für Michelle definitiv mehr als Freundschaft war. Doch vor allem ihrer Mutter Julia (Carrie Walrond Hood) ist diese 'Freundschaft' von Anfang an ein Dorn im Auge. Später wird von einer Obsession Michelles berichtet, was ich so aus den dargestellten Szenen nicht wahrgenommen habe. Auch hier bleibt die Serie schuldig, ob das wirklich der Eindruck ist, der hätte entstehen müssen, oder ob Julia nicht vielmehr ihre Tochter nicht in einer homosexuellen Beziehung sehen wollte. Jedoch merkt man auch an dieser Teilgeschichte deutlich, wie eng für Michelle die fiktiven Welten, die sie geliebt hat, und die Realität miteinander verknüpft waren. Das ist im Übrigen keine Erfindung der Serie, denn aus den Textnachrichten ist ihre Liebe für "Glee" wiederholt deutlich geworden und später werden auch Sequenzen aus "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" eingeblendet. Michelle hat sich definitiv in ihrem Bedarf klar an ihrem eigenen Leben orientiert.

Dennoch bleibt insgesamt der Eindruck, dass wir die gänsehautbescherende Michelle so richtig erst in der Endphase von Conrads tödlicher Depression erleben. Zuvor erleben wir einfach ein Mädchen, das noch nie viele Freunde hatte, dass sich sozialen Kontakt wünscht, aber dabei dann doch eher unbeholfen agiert. Erst spät wandelt sich das Bild, wo Michelle sehr aktiv und sehr berechnend wirkt, denn auch hier belegen die Nachrichten wieder, dass sie mit Conrad noch Kontakt hatte und ihn in den Selbstmord drängte, während sie umgekehrt ihren Freundinnen aber ihr Leid klagte, dass sie ihren Freund nicht erreichen könne und in großer Sorge sei. Ab hier hat Michelle ganz klar inszeniert und sich selbst zu einer Rachel aus "Glee" gemacht. Auch nach dem Tod hat sie sorgfältig geplant, wie sie weiterhin die mitleiderregende Rolle der trauernden Freundin aufrechterhalten kann. Hier kommt der nächste Bruch erst wieder, als Michelle erstmals befragt wird und ihre Kommunikationsmedien ihr genommen werden, um sie zu untersuchen. Hier merkt sie, dass ihr wieder alles entgleitet und sie wird wieder zu der verunsicherten jungen Frau, die kein passendes Drehbuch mehr parat hat. Dennoch sind diese Sätze von mir nur eine Interpretation aus dem Gesehenen, denn niemand weiß, was Michelle wirklich gedacht und gefühlt hat. Denn auch wenn es die Nachrichten gab, sie waren so widersprüchlich, dass es schwer ist, auch hier die 'Wahrheit' auszumachen. Deswegen finde ich es auch schade, dass sich "The Girl from Plainville" mit der letzten Episode so deutlich zu einem Handlungsbogen hinreißen lässt, der eine subjektive Wertung vornimmt. Denn in einem 'Was wäre wenn'-Szenario, wenn Michelle und Conrad nicht den Kontakt gehalten hätte, positioniert sich die Serie deutlich, dass sie Michelle geplagt von Schuldgefühlen zeigen. Hier wird ausgelegt, dass Michelle ihn nie tot sehen wollte, dass sie aber angesichts ihrer eigenen Sorge auch zu sehr von ihm belastet wurde, dass sie ihn angetrieben hat, aber davon ausging, dass er es eh nie machen würde. Aber ist das wirklich so? Es ist die sympathischere Auslegung, aber es ist nicht gesichert, dass es wirklich so war und dementsprechend finde ich es schwierig, dass die Serie hier etwas inszeniert, das man ganz im Sinne von Michelle und ihrem Verhältnis zur Fiktion als Realität empfindet. Aber abseits dieser Kritik bleibt mein verbales Ausrufezeichen, dass Fanning Michelle in all diesen Facetten großartig gespielt hat!

Fazit

"The Girl from Plainville" hält viele der Versprechungen ein, die ich mir nach dem Pilot erhofft hatte, an anderer Stelle ist sie aber zu inkonsequent in der Erzählung und weicht den spannenden Fragen aus. Regelrecht problematisch wird es dann in Bezug auf Michelle und das ist bei einigen Miniserien zuletzt der Fall gewesen, die auf wahren Fällen beruhen, dass Erklärungen gesucht und Mitgefühl erzeugt werden soll, wo es vielleicht einfach offen bleiben sollte, damit sich jede*r selbst ein Bild machen kann. Schauspielerisch ist es aber vor allem von Fanning eine sehr überzeugende Leistung und mir haben auch die kreativen Wege gefallen, wie die Serie langweilig erscheinende Sequenzen zur echten Unterhaltung gemacht hat.

Die Serie "The Girl from Plainville" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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