Bewertung

Review: #3.11 Die Stunden des lebenden Toten

Nach zwei Festtagsepisoden kehrt bei "Modern Family" mit #3.11 Lifetime Supply wieder der ganz normale Alltag ein. Dieser ist jedoch einmal mehr für die gesamte Familie von einem allumfassenden Thema geprägt. Denn in allen drei Handlungssträngen der Episode steht eine Art Wettkampf im Mittelpunkt: Da gibt es zum einen die Nebenbuhlerschaft zweier rivalisierender Väter, Jay und Javier, um die Anerkennung ihres Sprösslings Manny, zum anderen den kindischen Konkurrenzkampf zwischen Cameron und Mitchell, die sich gegenseitig in ihren Triumphen zu übertrumpfen versuchen, und schließlich den Wettstreit zwischen Leben und Tod, Vernunft und Verzweiflung im Hause Dunphy, von denen insbesondere letzterer einen schon bald sehr froh stimmt, dass die Serie nach vierwöchiger Winterpause endlich wieder zurück ist.

"The eyes, they do not lie."

Die Tatsache, dass sich eine der Storylines zum Großteil noch dazu auf einer Pferderennbahn abspielt, spiegelt den thematischen Schwerpunkt der Folge auch figurativ wunderbar wider. Dabei ist der Ausgang dieses Ausflugs von Jay, Javier und Manny letztlich zwar ziemlich vorhersehbar und die andauernde Rivalität zwischen den beiden Vaterfiguren mit der Zeit auch recht ermüdend, doch Jays händeringende Verzweiflung und Frustration über den permanent prahlenden und zu allem Überfluss auch noch Recht behaltenden Pferdeflüsterer Javier lassen ihn in Sachen Sarkasmus zu solchen Höchstformen auflaufen, dass man einfach nicht anders kann, als lauthals loszulachen, als er Javier beispielsweise auf dessen Angebot, sich bei ihm auszukotzen, einfach nur trotzig mit weit aufgerissenen Augen anstarrt. Schließlich sind jene doch die Fenster zur Seele, durch die Javier so felsenfest Menschen wie Tiere völlig zu durchschauen meint. Dass diese Reaktion natürlich ziemlich kindisch ist, realisiert auch Jay selbst schnell und entschuldigt sich. Javier meint, er verstehe sein Verhalten, sei es doch für jeden ärgerlich, auf der Rennbahn auf das falsche Pferd zu setzen, nimmt dabei jedoch trotz seiner angeblich niemals irrenden Gedankenleserqualitäten gar nicht wahr, dass der Hund eigentlich ganz woanders begraben liegt. Denn Jay ist nicht einfach bloß genervt, weil Javier seine Golfpläne durchkreuzt hat und er beim Pferdewetten einen Haufen Geld verloren hat. Vielmehr gibt er vor der Kamera wenig später mit Pritchett-typischer Zögerlichkeit widerwillig zu, dass er sich mit Manny mittlerweile so gut versteht, dass er insgeheim einfach bloß äußerst ungern durch Javiers Auftauchen daran erinnert wird, dass er nicht sein leiblicher Vater ist. Und auch wenn man mittlerweile längst weiß, dass der sich stets so taff gebende Jay in Wirklichkeit ein Herz aus Gold besitzt, sind solche herzerweichende und doch angenehm schmalzfreie Momente einfach immer wieder eine wahre Wonne.

"I was acting like a 14-year-old girl."

Schöne Momente hat auch die Storyline rund um Cameron und Mitchell zu bieten, auch wenn ihr ungewöhnlich harmonischer Beginn mit einem Cameron, der sich auf eine berufliche Auszeichnung seines Partners sehr stolz zeigt, natürlich schon bald wieder einer ziemlich lächerlichen Kabbelei weichen muss. Denn Mitchell fühlt sich in seinen Leistungen herabgeschätzt, als Cameron plötzlich eine seiner zahlreichen Trophäen aus der Garage holt und neben seine auf den Kamin stellt. Und auch wenn die beiden in ihrem darauf folgenden Wortgefecht wie so oft tolle Sprüche (und eine herrliche Tom Petty-Anspielung) vom Stapel lassen, ist man insgeheim mehr als erleichtert, als plötzlich Alex auf der Matte steht und Mitchell unbewusst bewusst macht, dass er sich wie ein pubertärer Teenager aufführt, war es doch schon längst überfällig, dass einer der beiden Streithähne mal einsieht, dass ihre Konflikte manchmal wirklich total albern sind. Da es aber wohl zu kitschig wäre, auf Mitchells Sinneswandel eine von Herzen kommende Entschuldigung samt Zurschaustellung von Camerons gesamter Trophäensammlung folgen zu lassen, muss Mitchell natürlich ausgerechnet in dem Moment, als Cam mit Lily nach Hause kommt, eine Maus in der Garage entdecken und angewidert mit den Füßen auf die Kiste mit den Auszeichnungen seines Partners eintreten, was Cam verständlicherweise wieder in den falschen Hals kriegt. Was die ganze Geschichte letztlich aber zu einem so gelungenen Abschluss bringt, ist die Tatsache, dass man sie weder mit diesem Missverständnis ausklingen lässt noch auf eine erzwungene Versöhnung zwischen den beiden besteht, sondern dem Publikum zu guter letzt vielmehr eine ganz herrliche, organische Szene präsentiert, in der sich die beiden wieder einmal ganz eindeutig einig sind: Denn beide können von Glorias Ex-Mann Javier einfach nicht die Augen lassen und strapazieren mit ihren verstohlenen Blicken auf den attraktiven Südamerikaner zweifellos die Lachmuskeln eines jeden Zuschauers.

"There's a seventy percent chance I'm gonna die."

Für die ganz großen Lacher sorgt letztendlich aber die Storyline der Dunphys, auch wenn die Grundprämisse eigentlich schon etwas älter ist. Denn dass Phil ein Hypochonder ist, der einen simplen Nierenstein gerne mal für einen bösartigen Tumor hält, wissen wir bereits seit dem grandiosen #1.11 Up All Night. Daher sollte es also eigentlich keine großartige Überraschung sein, dass ihn ein verpasster Anruf seines Arztes nach einer scheinbaren Routine-Untersuchung völlig aus dem Konzept bringt und er gleich das Schlimmste befürchtet. Doch seine sich stetig steigernde Verzweiflung und tiefe Überzeugung, dass er bald sterben muss, nehmen hier zur ungemeinen Erheiterung des Zuschauers selbst für Phil-Verhältnisse echt krasse Ausmaße an. Und selbst wenn man natürlich ganz genau weiß, dass seine Angst unbegründet ist, weil das Leben des wichtigsten und witzigsten Protagonisten einer Sitcom niemals eine derart tragische Wendung nehmen würde, ist es einfach ein pures Vergnügen zu beobachten, wie ausgerechnet Phil, der doch sonst eigentlich immer so ein militanter Optimist ist, es in Zusammenarbeit mit der mal wieder absolut herrlichen Gloria schafft, am Ende selbst die so nüchternen und vernunftgetriebenen Pritchetts mit seiner übertriebenen Panik anzustecken. Angefangen mit Glorias ominösem Traum samt Jays und Stellas trockener Reaktion, über das unerwartete Auslaufen von Phils lebenslangem Vorrat an Rasierklingen, den er auf schlicht urkomische Weise vor vielen Jahren in einer Quizshow gewonnen hatte, bis hin zu der grandiosen Treppenszene mit Gloria und seinen vermeintlich letzten gemeinsamen Stunden mit Haley und Luke, bietet dieser Handlungsstrang einfach alles, was das Sitcomherz begehrt – sogar inklusive wunderbar spontan eingeworfenem Quidditch-Gag und der Rückkehr eines lieb gewonnenen Gaststars, Philip Baker Hall. So kommt man aus dem Lachen auch gar nicht mehr heraus, als die angespannte Stimmung im proppenvollen Wohnzimmer der Dunphys am Ende nahezu eskaliert, als die kleine Lily mit ihrer herrlich forschen "Are you gonna die?"-Frage die versammelte Mannschaft schockiert nach Luft schnappen lässt, bevor schließlich der erlösende Anruf kommt und die abergläubische Gloria auf die frohe Kunde ein regelrecht enttäuscht wirkendes "Ay no!" von sich gibt. Denn das sind einfach diese Szenen, für die man "Modern Family" über alles liebt und für die man der Serie alle Preise dieser Welt aus tiefstem Herzen gönnt.

Alles in allem ist den Autoren mit #3.11 Lifetime Supply ein überzeugendes Comeback aus der Winterpause gelungen, das insbesondere Ty Burrell, Julie Bowen und Sofía Vergara Gelegenheit zum Glänzen bietet und mit der starken Rückkehr von Benjamin Bratt als Mannys Vater und Philip Baker Hall als Lukes Nachbarsfreund Walt zudem Hoffnung macht, dass man irgendwann womöglich auch Phils "brotha from anotha motha"-Kumpel Andre wieder ins Geschehen integrieren wird. Schön wäre es zumindest allemal.

Paulina Banaszek - myFanbase

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