Review: #6.07 Geflogen
"Mad Men" ist nun schon seit Jahren das Paradebeispiel für die qualitativ anspruchsvollen US-Kabelserien, nach denen sich die meisten anderen Kandidaten richten, diese dann aber doch nie so ganz erreichen. Es gibt sicher unterschiedliche Meinungen, welche der beiden AMC-Serien nun die wirkliche Nummer 1 dieser Phase im TV ist, der eine Fan pocht auf "Breaking Bad", ich selbst gehöre klar zur Gruppe der "Mad Men"-Verehrer (was sicher niemanden überraschen wird). Was beide Serien aber wie nur wenige andere Vertreter ihrer Zunft können, ist aus den Erwartungen und Gefühlen der Zuschauer eine ganz eigene Erzählebene zu machen und diese so zu ihrem Vorteil zu nutzen, dass man nicht nur passiv angesprochen wird, sondern sich seinen eigenen Gefühlen, Vorurteilen und manchmal auch tiefen Abneigungen stellen muss, wie sonst nur ganz selten im Medium TV.
Diese Kunst hat "Breaking Bad" sicher vorgemacht, indem es seinen Protagonisten Walter White immer weiter zu absolut inakzeptablen Taten drängte und damit die Sympathien der Zuschauer immer wieder auf die Probe stellte und man sich einfach dadurch konstant mit der eigenen Schmerzgrenze für moralisch abwertendes Verhalten auseinandersetzen musste. Don Draper ist auf den ersten Blick kein solch ein schlimmer Mann wie Walter White, dafür fehlen Mord und Drogenhandel in seinem Portfolio. Aber viele Parallelen sind doch klar erkennbar, in erster Linie der Selbstbetrug, die schier unerträgliche Dominanz über ihre direkte Umwelt (und in erster Linie die Frauen) und was dies mit uns als Zuschauer anrichtet. Ich muss zugeben, dass ich die Hotelzimmerszenen dieser Episode fast nicht mit ansehen konnte und mir zwischendurch wünschte, sie würden endlich enden. Und das nicht, weil irgendwelche ekelerregenden Szenen stattgefunden haben, nein, hier war die psychologische Abscheu viel größer, diese Erniedrigung von Sylvia nur um des reinen Machtgefälles wegen mit anzusehen. Aber je mehr ich nach dem Ende der Episode darüber nachdenke, umso mehr wird mir klar, dass das nicht an den Szenen selbst liegt, sondern an der Abneigung gegenüber mir selbst, dass man Dons dominantes Machoverhalten irgendwann einmal sexy und bewundernswert gefunden hat. Hier nimmt die Serie endgültig die coole Verpackung vom mythenbeladenen Charakter Don Draper und führt uns vor, was für ein Monster wir da verehrten.
Und die Zeichen waren natürlich von Anfang an da, Dons Taten hier sind alles Variationen seiner alten Tricks, die uns hier nur ohne den gnädigen Filter der Coolness präsentiert werden und ihn so als den narzisstischen Soziopathen entlarven, der er ist. Und was sagt das über uns als Zuschauer aus, dass wir ihn so lange verehrt haben? Sicher gab es, ähnlich wie bei den "Breaking Bad"-Fans, unterschiedliche Zeitpunkte, an denen man sich von Don als positivem Charakter verabschiedet hat, und ich selbst gehöre da wohl eher zur späteren Charge, aber ich bewundere es, dass man uns in dieser Staffel nun ohne Kompromisse damit konfrontiert. Das ist sicher kein Weg, um alle Fans in Begeisterungsstürmen hinter sich zu vereinen und so kurz vor dem nahenden Ende (es sind schließlich nicht einmal mehr 20 Episoden bis zum Serienfinale) riskiert man doch einiges.
Blicken wir etwas tiefer in die Details, die #6.07 Man With a Plan ausmachen. Da springen einem nämlich gleich zu Anfang viele interessante Dinge ins Auge. Da sind die vielen Wiederholungen von alten Motiven, meist nur mit umgekehrtem Ausgang, bis hin zu komplett nachgestellten Szenen. Joan weist Peggy wieder in ein neues Büro ein, und wieder bricht eine der beiden Frauen in Schmerzen zusammen (zuerst gesehen in #1.13 Das Karussel). Don zeigt einem direkten Konkurrenten, wo der Hammer hängt, indem er ihn wortwörtlich unter den Tisch säuft (wie in #1.07 Blass um die Nase). Joan landet in einem Krankenhauswartezimmer, zwar nicht mit Don an ihrer Seite, aber mit seinem Ebenbild (siehe #3.06 Hereinspaziert). Burt Peterson wird wieder gefeuert (eine Wiederholung aus #3.01 Nichts wie raus hier) und ganz am Ende resultiert die Episode darin, dass wieder ein berühmter Kennedy erschossen wird. Es ist geradezu gespenstisch, wie viele Referenzen hier eingeflossen sind und man erzeugt so das irgendwie beklemmende Gefühl, das Amerika wohl damals, nach dem Mord an Bobby Kennedy, hatte. Wie kann all dies wieder passieren? Schon wieder? Wie kommen wir trotz all der Veränderungen dennoch beim gleichen furchtbaren Ergebnis heraus?
Besonders stark ist dieses unschöne Gefühl der Wiederholung natürlich rund um Dons Dominanzspielchen in Bezug auf Sylvia. Das erinnert so stark an Bobbie Barrett, aber auch Aspekte seiner anderen Affären. Wahrscheinlich weiß Don selbst nicht, was er damit bezwecken will. Ausgleich zu den anstrengenden Machtsspielchen und Revierabsteckmanövern auf der Arbeit? Sylvia aufgrund ihrer neuen häuslichen Situation (die Don zunächst eindeutig in Angst und Schrecken versetzt hat) sofort in ihre Schranken zu weisen? Letztendlich zeigt ihm aber Sylvia, dass sie die Zügel die ganze Zeit in der Hand hatte und es ist eine Wohltat für meine feministische Seite, die die ganze Folge über unsägliche Qualen ausstehen musste (und Sylvia immer wieder angefeuert hat, diesem Hurensohn im wahrsten Sinne des Wortes einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen, gerne auch mit drastischeren Worten und Taten verbunden), Dons Hundeblick in diesem Augenblick zu sehen. Noch unerträglicher ist es dann, Megan betrachten zu müssen, die mit allen Mitteln versucht, ihre Ehe zu retten, dabei aber immer gute Miene zum bösen Spiel macht, sicher weil sie die direkte Konfrontation mit Don fürchtet. Nun versucht sie einen erneuten Urlaub im Paradies Hawaii anzuregen, wird aber am Ende von den erschütternden Nachrichten des Bobby-Kennedy-Attentats unterbrochen. Das Schlussbild der Drapers könnte dann nicht deutlich distanzierter komponiert sein, es ist klar, dass diese Ehe bereits vorbei ist.
Auf einer gänzlich anderen Ebene ihres Lebens steht dagegen Dons Protegé Peggy. Zwar hat diese sichtlich ambivalente Gefühle in Bezug auf den Merger, aber sie schafft es, professionelle aber vor allem freundliche Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen und zu halten. Während Don allein von seiner Macht, dem künstlich aufgebauten Image und der Distanz zu den Menschen zehrt, hat Peggy ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu Ted und auch die Beziehung zu Joan wird hier allein durch die wunderbare Szene am Anfang der Episode in unsere Erinnerung gerufen. Peggy und Joan als Freundinnen oder zumindest kollegiale Partnerinnen mit gegenseitigem Respekt wären sicher eine große Bereicherung für diese Staffel und ich hoffe sehr, dass man auf diese Grundlage zumindest von Zeit zu Zeit aufbaut.
Etwas zwiespältiger ist sicher das Verhältnis zu Ted, in den Peggy ja auch ein wenig verschossen ist. Aber das wahre Fundament der Beziehung zwischen ihnen ist dennoch gegenseitiger Respekt, etwas, was Don für Peggy vielleicht in seinem Inneren empfindet, was er aber doch aus rein selbstsüchtigen, niederen Motiven nie ausdrücken kann. Ein niederträchtiges Arschloch zu sein ist für Don im Privatleben mit einer Geliebten das eine, als Vorbild für seine Mitarbeiter auf dieser Welle zu reiten, macht ihn hier erst so richtig zum Feindbild. Dies wird über Teds Verhalten ganz deutlich klargemacht, das eben als ehrlicher Spiegel zu Dons Spielchen fungiert. Und mit Peggys abschätzenden Reaktionen, ob durch ihre Blicke, durch ihr hilfreiches Verhalten dem betrunkenen Ted gegenüber oder durch die klaren Worte zu Don, zeigen, was bei uns als Zuschauer ankommen soll. Wer hier Don Draper immer noch als bewundernswert ansieht, sollte seinen eigenen Werte einmal gehörig hinterfragen.
Weniger eindeutig ist dagegen Bob Bensons Verhalten einzuschätzen. Ich mag es, dass man in seine Motive Joan gegenüber alles Mögliche hineininterpretieren kann, ohne genau zu wissen, warum er es getan hat. Sicher kann es seiner Position innerhalb der Agentur nicht schaden, Joan als seine Fürsprecherin zu haben, wie man ja auch am Ende der Folge sieht. Aber dennoch hat er ihr durchaus auch aufrichtig geholfen. Hätte er sie zurücklassen sollen, damit man ihm nicht erschlichene Vorteile vorwerfen könnte? Das hat man hier wirklich clever eingefädelt und James Wolk hat mit seinem Charme alles dafür getan, dass Bob Benson so sympathisch wie noch nie herüberkam. Nun bin ich gespannt, was man mit ihm im Rahmen der neuen, noch immer unbenannten Agentur vorhat.
Weniger Glück als Benson hatte dagegen Peggys Nachfolgerin Margie, die nach Peggys Rückkehr gleich gefeuert wird. Dafür waren all die Szenen des Zusammenwachsens der beiden Agenturen köstlich, mit dem absoluten Highlight des fehlenden Stuhls im Partnermeeting. Pete hat sich dabei zum Trottel gemacht, Ted kam als absoluter Gentlemen aus der Sache und Roger hatte natürlich für alles einen lockeren Spruch auf den Lippen. Apropos Pete, der hier in dieser Episode nicht nur mit der dauerhaften Trennung von Trudy klarkommen muss, sondern auch mit seiner dementen Mutter Dorothy. Wir haben von seiner Familie lange nichts mehr gesehen und so wirkt es etwas befremdlich, dass sie hier plötzlich wieder präsent ist. Aber wie man über Dorothys Vergesslichkeit einerseits Humor erzeugt hat, Petes niedere Motive deutlich macht und gleichzeitig zeigt, dass Dorothy trotz aller Verwirrung am schnellsten erkennt, was in der Ehe ihres Sohnes los ist, war wirklich überzeugend. Es war eine kleine Geschichte am Rande, hat aber wunderbar zum Ohnmachtsgefühl in Petes gesamten Leben gepasst. Nun ist er auch in seinem eigenen Heim wieder eine Mischung aus kleinem Jungen und dem, der sich um seine Mutter kümmern muss. So viel zum Thema unbeschwertes Junggesellenleben.
Diese Episode, die den Mittelpunkt der laufenden Staffel markiert, verstört und verunsichert den Zuschauer in Bezug auf sein Verhältnis zum Protagonisten. Dies ist nicht leicht zu ertragen, aber versetzt einen sehr ins Nachdenkliche. Viel hängt jetzt davon ab, was man daraus in der zweiten Hälfte der Staffel macht, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist #6.07 Man With a Plan eine außergewöhnliche Folge.
Cindy Scholz - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Man With a PlanErstausstrahlung (US): 12.05.2013
Erstausstrahlung (DE): 26.05.2015
Regie: John Slattery
Drehbuch: Semi Chellas & Matthew Weiner
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