Bewertung

Review: #6.08 Niemand

Foto: Gwendoline Christie, Game of Thrones - Copyright: Helen Sloan/HBO
Gwendoline Christie, Game of Thrones
© Helen Sloan/HBO

Bei einer Serie wie "Game of Thrones" mit den vielen Charakteren, die alle Zeit und Raum für ihre Handlung benötigen und den vielen Orten, die alle liebevoll gestaltet wurden und in ihren ganzen Pracht gezeigt werden möchten, wird es manchmal schwierig, in einer Episode das richtige Maß zu finden und allen Storylines den gebührenden Respekt einzuräumen. Dies gestaltet sich besonders gegen Ende der Staffel schwer, da die verschiedenen Handlungsstränge alle irgendwie zu einem zeitweiligen Ende gebracht werden müssen. In dieser Episode hat man das richtige Maß an einigen Stellen nicht gefunden, was in meinen Augen daran liegt, dass einige Dinge übers Knie gebrochen wurden. Als Ausgleich dafür haben wir allerdings ein Wiedersehen zwischen Brienne und Jaime bekommen, der vieles wieder wett macht.

"Finally a girl is no one." – "A girl is Arya Stark of Winterfell and I am going home."

Nach dem Ende der letzten Episode brannte mir besonders eine Frage auf der Seele: wie geht es mit Arya weiter? Diese Frage wird in dieser Folge nicht nur kurz beantwortet, man liefert uns sogar einen finalen Showdown zwischen Arya und dem Mädchen, mit dem ich so nicht gerechnet hätte. Aber der Reihe nach. Das Wiedersehen zwischen Arya und Lady Crane, die abermals in ihrer Rolle als Cersei Lannister auf der Bühne stand (und sich Aryas Rat, dass Cersei nach Joffreys Tod nach Rache sinnen würde, scheinbar zu Herzen genommen hat) scheint von beiden Seiten gewollt zu sein. Arya hat sonst niemanden in der Stadt, dem sie einen Funken Vertrauen entgegenbringt und Lady Crane scheint Arya ebenso wenig vergessen zu haben, schließlich schwingt sie als Cersei eine Rache-Rede. Ich fand die Interaktion der beiden sehr nett, da man seit Ewigkeiten endlich einmal das Gefühl hatte, dass Arya bei jemandem sicher aufgehoben ist. Auch ihre Offenheit, dass Braavos nichts mehr für sie zu bieten hat, hat mir gut gefallen, da Arya zugibt, in der Stadt niemals ein Zuhause zu finden. Auch wenn das Mädchen anschließend nicht aufgetaucht wäre und Lady Crane ermordet hätte, hätte Arya ihrer Retterin sicherlich den Rücken zugewandt, dennoch habe ich mir den Abschied etwas anders vorgestellt.

Es scheint Motto dieser Episode zu sein, dass viele Dinge Off-Screen geschehen und dazu zählt auch der tödliche Sturz von Lady Crane. Im allgemeinen war dies eine äußerst blutrünstige Episode, dazu später mehr. Ebenfalls Off-Screen fand der Kampf zwischen Arya und dem Mädchen statt. Es ist einerseits ein cleverer Schachzug der Autoren, dass einzige anzuwenden, was Arya in letzter Zeit gelernt hat: blind zu kämpfen. Andererseits hätte ich von der Szene etwas mehr erwartet. Gern hätte der Bildschirm dunkel bleiben können und man hätte ein ersticktes Gurgeln gehört als Zeichen dafür, dass eines der Mädchen das Zeitliche gesegnet hat.

Etwas besser fand ich dagegen die Abschlussszene im Haus von Schwarz und Weiß und Jaqen H'ghars Worte an Arya. Sie ist nun endlich ein niemand. Meint er damit Arya oder das tote Mädchen? Denn in meinen Augen war jene wesentlich gefühlsbelasteter als Arya, was sich in ihrem irren Grinsen darüber wiederspiegelte, dass sie Arya nun endlich töten durfte. Die Rolle des Mädchens bietet viel Interpretationsfreiraum und Fragen, die wahrscheinlich nie beantwortet werden, klar ist aber, dass Faye Marsay ihre Rolle sehr gut gespielt hat.

Konsequenz des Ganzen ist, dass Arya nun endlich zu sich steht, was in meinen Augen auch das einzig logische Ende der Storyline war. Von Beginn an konnte ich mir nicht vorstellen, dass Arya ihrem Leben und ihrem Namen den Rücken zukehren wird, was nun endlich bestätigt wurde. Dabei stellt sich jedoch die Frage, was uns das Ganze dann gebracht hat. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es nicht recht weiß. Ja, Arya hat über die Jahre gelernt zu kämpfen, selbstständig zu sein und sich auf niemanden zu verlassen, doch all dies wurde ihr bereits in Westeros auf den Weg gegeben und nach ihren Flucht aus dem Land hat sie nun eingesehen, dass dies nicht der richtige Weg war. Ich hoffe sehr, dass Arya nun bald in die Heimat zurückkehren kann und dort einen Platz in der Welt findet.

In dieser schnell abgeschlossenen Handlung fand ich den Weg dahin recht hastig. Die schwer blutende Arya ist nach einem kleinen Schlummer in Lady Cranes Bett so fit, dass sie sich mit dem Mädchen eine Aktion geladene Verfolgungsjagd durch die halbe Stadt liefert mit Sprüngen, Stürzen und Rutschpartien der vitalsten Art? Tut mir Leid, aber das empfand ich als äußerst unrealistisch.

"I was wrong I admit it." - " That changes nothing."

Auch in Meereen geht es dieses Mal mit einem Ruck voran, nachdem wir Tyrion, Missandei und Grauer Wurm in den letzten Episoden nicht gesehen haben. Es war durchaus niedlich, wie Tyrion erneut versucht hat, das Eis mit Missandei und Grauer Wurm zu brechen und dass die Runde dieses Mal sogar ausgelassen mit einander gelacht hat. Aber irgendwie passte diese Szene nicht so recht zum Rest der Folge. Auch der vorangegangene Spaziergang mit Varys durch die Stadt wirkte unstimmig und ich habe mich erneut gefragt, was es mit der zweiten roten Frau auf sich hat und welchen Sinn diese Geschichte mit sich bringt. Diese Frage wurde wenig später beantwortet: es bringt keinen tieferen Sinn mit sich, im Gegenteil, die Meister haben genug von Tyrions nicht vorhandenen Führungsqualitäten, die zugegeben in dieser Staffel auch echt mies und amateurhaft waren. Der Angriff auf Meereen hat mich dennoch ein wenig überrascht, da die Storyline bisher recht unausgewogen war und nicht richtig Hand und Fuß hatte. Man hat bisher hauptsächlich versucht, ein freundschaftliches Band zwischen Tyrion, Missandei und Grauer Wurm zu knüpfen und die Tatsache, dass jemand die Stadt regieren muss, immer nur im Hintergrund mitschwingen lassen. Das es daher so schnell zu einer Wende kam, hat mich ein wenig überrascht und ich habe ehrlich gesagt kurz angenommen, dass es nicht die Meister sind, sondern dass die Flotte der Graufreunds vor der Tür steht.

Die locker gestartete Handlung schwingt daher sofort in eine düstere Stimmung um, da Grauer Wurm und Missandei erkennen, dass Tyrion nichts zu Stande gebracht hat. Als dann auch plötzlich noch Daenerys auftauchte (ebenfalls Off-Screen und ohne dass wir sie mit Drogon auf der Pyramide landen sahen), freut man sich zwar, dass sie endlich zurück ist, doch es wirkt alles recht überstürzt. Für die nächste Episode erhoffe ich mir daher etwas mehr von den Drachen zu sehen und dass Daenerys die Flotte erobern kann, um anschließend in ihre Heimat aufzubrechen.

"You're a knight Ser Jaime, I know there is honor in you." – "I'm a Lannister, don't ask me to betray my own house." – "I do no such thing."

Während man in Meereen in der nächsten Episode mit einer Schlacht rechnen kann, findet in Schnellwasser bereits in dieser Episode eine Machtumverteilung statt. Höhepunkt dieser Geschichte war ganz eindeutig das Wiedersehen von Jaime und Brienne, bei dem man sich sofort an die gute alte Zeit erinnert gefühlt hat. Die unterschwelligen Gefühle der beiden, die wahrscheinlich keiner von ihnen jemals aussprechen wird, lagen sofort wieder in der Luft und man muss den Schauspielern einfach dazu gratulieren, dass sie auf Anhieb wieder dieses Knistern entstehen ließen. Es ist kurios, wie wandlungsfähig Jaime ist und dass man sofort den guten Kerl in ihm sehen kann, wenn ein Mensch mit Ehrfurcht und Respekt zu ihm spricht. Fast jeder andere hätte einen Dreck auf Jaimes Wort gegeben, doch Brienne ist es einerseits wichtig, dass sie sich auf ihn verlassen kann, andererseits beweist sie Jaime damit, dass sie ihm ebenso vertraut.

Ganz anders sah es da bei Jaimes Unterhaltung mit Edmure Tully aus. Jenem bedeutet das Wort des Königsmörders nichts und so wird Jaime sofort zu einem quengelnden Kind und stößt Drohungen aus, um zu bekommen, was er will. An solchen Stellen fragt man sich immer, weshalb Jaime Cersei so sehr liebt und warum er für sie Berge versetzen würde, während man bei ihr das Gefühl hat, dass Jaime durchaus austauschbar ist.

Auch die Begegnung von Brienne und dem Schwarzfisch konnte die Folge bereichern. Die beiden in ihren Ehrenhaftigkeit und Treue so ähnlichen Charaktere finden schnell einen Draht zu einander und Brienne erkennt, dass sie dem Schwarzfisch keinen Vorwurf daraus machen kann, dass er seine Heimat Vorrang zu der von Sansa gibt. Sie respektiert seine Entscheidung, auch wenn es für die Schlacht von Sansa und Jon das Todesurteil zu sein scheint, da die Armee der von Ramsay zahlreich und strategisch sicherlich um einiges unterlegen ist. Als sich der Schwarzfisch, der im Gegensatz zu seinem Neffen eine echte Persönlichkeit ist, darauf einlässt, Sansas Brief zu lesen, sind mir die Tränen in die Augen gestiegen, als der alte Mann auf einmal rührselig wurde. Allein durch Sansas Zeilen hat er sich an Catelyn erinnert gefühlt und man konnte ihm ansehen, dass der Schmerz über ihren Tot noch immer tief sitzt. Sich so schnell schon wieder von einem so guten Schauspieler verabschieden zu müssen, ist wirklich schade.

Dass der Schwarzfisch am Ende seinerseits zeigt, dass er Briennes respektiert und ihr dankbar dafür ist, dass sie sich um Sansas Schutz kümmert, hat sehr gut gepasst. Ebenso hat es zu Edmure gepasst, seine eigene Haut zu retten und klein bei zu geben, auch wenn man während des Gespräches mit Jaime für einen Sekundenbruchteil das Gefühl hatte, das dieser Lappen von einem Mann tatsächlich das Wohl seiner Männer über sein eigenes stellen würde. Doch sobald Edmure vor dem Tor von Schnellwasser stand, war für mich klar, dass man von ihm keine Charakterentwicklung erwarten kann und dass er genau der gleiche unsympathische und duckmäuserische Mann ist, den wir kennengelernt haben. Dass er den Schwarzfisch dann auch noch an Jaime ausliefert, setzt dem ganzen die Krone auf.

Wie sich Brienne und Jaime am Ende verabschiedet haben, hat noch einmal bewiesen, dass sie sich nicht im Weg stehen werden, auch wenn sie auf gegnerischen Seiten stehen. Das freundschaftliche Heben der Hand brauchte keiner Worte und war von beiden mit einem sehnsüchtigen Blick verbunden und ich glaube, dass es beide nett gefunden hätten, wenn sich ihre Wege nicht auf diese Art getrennt hätten. Es ist schön, dass die zwei so eine gute Chemie haben und ich hoffe sehr, dass wir davon noch nicht das Letzte gesehen haben.

Auch in diesem Handlungsstrang findet ein entscheidendes Element Off-Screen statt: der finale Kampf des Schwarzfisch. Da wir in dieser Staffel bereits mit der Auferstehung einiger vermeintlich Toter überrascht wurden, glaube ich lieber erst an den Tod des Schwarzfisches, wenn ich seine Leiche gesehen habe.

"The high septon commands you. Are you sure you want to refuse him?"

Eine Leiche gibt es dafür in Königsmund, wo der Berg beweist, was Dr. Frankenstein alias Qyburn aus ihm gemacht hat. Die Szene mit ihm und Cersei sowie Lancel und seinen Kumpanen hatte von Anfang an einen unheilbringenden Beigeschmack. Es war wirklich furchteinflößend, brutal und äußerst blutrüstig, wie der Berg den Geistlichen umbrachte und das mit bloßen Händen und scheinbar ganz ohne Mühe.

Doch auf jede Aktion folgt eine Reaktion und so verliert Cersei in dieser Episode nicht nur die Möglichkeit, sich in ihrem Gerichtsprozess durch den Berg verteidigen zu lassen, sie verliert offenbar auch den Draht zu ihrem Sohn, der nun vollends unter dem Kommando des Hohen Spatzen zu agieren scheint. Uns ist schon seit langem klar, dass Tommen ein sehr unsicherer und gutgläubiger Mensch ist, der äußerst leicht zu manipulieren ist. Dass er seiner Familie ohne weiteres den Rücken kehren kann, hat er bereits bei Jaime bewiesen, ich glaube allerdings, dass Tommen ernsthaft annimmt, dass sich für Cersei dennoch alles zum Guten wenden wird und dass der Hohe Spatz seiner Mutter nichts antun wird. Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch Margaery dabei ihre Finger im Spiel hat und somit Rache an Cersei übt, da jene schließlich dafür gesorgt hat, dass sie und Loras

vom Hohen Spatz eingesperrt wurden.

Neben dem anstehenden Gerichtsprozess wird außerdem eine Entdeckung Qyburns angekündigt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es sich dabei um etwas explosives handelt, das Cersei verwenden kann, um den Gerichtsprozess aufzuhalten und dem Hohen Spatz das Handwerk zu legen.

"You are shit at dying you know that?"

Nicht nur der Berg wird in dieser Episode zum Mörder, auch sein Bruder hat Blutdurst und tötet gemeinsam mit den Männern der Bruderschaft ohne Banner die Abtrünnigen, nachdem er zuvor schon fröhlich die Axt geschwungen hat. Mit seiner Storyline bin ich bisher noch immer nicht ganz warm geworden und sie wirkt neben den anderen bedeutenden Geschichten in dieser Staffel fehl am Platz und eher unwichtig. Das stört besonders, da wir uns in den letzten Episoden befinden und die Zeit bei den anderen Handlungssträngen knapp zu werden scheint.

Fazit

Alles deutet darauf hin, dass wir in der vorletzten Episode mit viel Kriegsgeschrei rechnen können, da in fast allen Handlungssträngen eine Konfrontation der Gegner kurz bevor steht. Diese Episode bringt daher zwar viele Geschichten in die gewünschte Ausgangslage, macht dies an einigen Stellen aber zu abrupt, wodurch ein etwas unstimmiges Bild entsteht.

Marie Florschütz - myFanbase

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