Review: #3.20 Gebrochene Herzen

"You're going to have to make a choice. And I'm telling you right now, if you choose him, I'm not gonna be around to pick up the pieces when it falls apart. This ruins everything. There is no going back." (Dawson)

Die Episode "The Longest Day" ist in zweierlei Hinsicht hochinteressant. Zunächsteinmal wäre da natürlich als auffälligstes Merkmal beim Betrachten ihr extravaganter Aufbau, der in vielerlei Hinsicht stark auf den Inhalt Einfluss hat. Und zum anderen wäre da der brisante Inhalt selber: Joey und Pacey offenbaren Dawson ihr Geheimnis. Oder andersherum: Dawson findet heraus, was für ein Geheimnis die beiden haben. Und da wäre auch noch Jen, die sich mit guten Absichten schuldig macht.

Widmen wir uns zunächst der Struktur. Die auffällig andersartige Struktur von "The Longest Day" (kurz: TLD) ist kein Zufall. Produzent Paul Stupin sagte dazu: "Every year we like to try to do a different kind of episode - one that breaks the rules of normal TV conventions.".

Im ersten Moment mutet TLD so an, als würde die Episode die Geschehnisse jeweils aus einer anderen Perspektive eines Charakters zeigen, doch dem ist nicht so. Stattdessen lässt sich nur pauschal sagen, dass der Ablauf immer wieder zurückgespult wird, die Darstellung sich aber jeweils in der allgemeinen Perspektive unterscheidet. Dabei zeigt man nicht jeweils nur eine Charakter-Perspektive auf, sondern man wechselt sie ständig. Darüberhinaus ist die Abfolge in der Episode auch nicht austauschbar. Das spätere Zurückspulen der Handlung offenbart nur seine Wirkung, wenn man die lineare Abfolge des Rückspulens einhält. Es ist fast paradox: Ein nichtlinearer Handlungsablauf basiert auf einem linearen Aufbau.

Gerade durch dieses Prinzip ist der Einfluß der Struktur dieser Episode auf die Handlung jedoch tiefgreifend. Die Struktur legt quasi fest, wieviele Informationen der Zuschauer hat. Eine normale Struktur spart normalerweise dagegen nicht mit Informationen, sondern ist einfach nur Übermittler. Das erwartet der Zuschauer auch nicht anders und so ergibt sich der interessante Effekt auf die Handlung. Denn auf die übermittelten Informationen basierend macht der Zuschauer sich sein Bild von der Situation, das in dieser Episode - das muss man spätestens in der letzten Sequenz feststellen - gänzlich von dem ersten abweicht. Denkt man in der ersten Sequenz noch, Dawson habe Pacey und Joey einfach nur erwischt und denkt sich den Rest, muss man später feststellen, dass er weitaus mehr weiß und dass er eigentlich nur auf diese Situation gewartet hat.

Auch Jens Rolle gewinnt dadurch eine ganz andere Bedeutung. Am Anfang empfindet man ihre Einmischung noch als hilfreich, am Ende merkt man plötzlich, dass ihre Einmischung möglicherweise die gesamte Situation hat eskalieren lassen. Mit jeder neuen Sequenz werden neue Kausalketten sichtbar, die das Geschehen teilweise plausibler machen, teilweise aber auch entscheidend in seiner Bedeutung ändern. Selbst Ereignisse, die man am Anfang als nebensächlich ansieht, wie z.B. Andies Anwesenheit, gewinnen im Laufe der Episode mehr und mehr an Bedeutung.

Doch zu den Charakteren: Recht unerwartet wählte man doch die harte Gangart, um Dawson über Joey und Pacey aufzuklären. Die Folgen sind fatal, doch ist es fraglich, ob er andersherum wirklich anders reagiert hätte. Die Tatsache, dass es alle vor ihm verheimlichten, macht es zumindestens nicht einfacher und so eskaliert die Situation in einem Ultimatum an Joey, dass Dawson - wenn sie sich für Pacey entscheide - nicht mehr da sein werde. Sie muss handeln und gleichzeitig ist die bestehende Freundschaft zerstört.

Für Joey ist der Schlimmstfall eingetreten. Sie hoffte bislang noch darauf, dass Dawson die Freundschaft zu ihr nicht abbrechen würde, doch das Ultimatum stellt sie jetzt vor eine harte Probe: Sie muss sich jetzt in zweierlei Hinsicht entscheiden. Einerseits in Bezug auf die Freundschaft und andererseits in Bezug auf die Liebe. Diese Differenzierung, zusammen mit der Problematik, dass es aber nur eine Antwort geben kann, macht die Situation endgültig unlösbar. Bei der Freundschaft tendiert sie eindeutig für Dawson. Bei der Liebe jedoch derzeit eindeutig für Pacey.

Pacey weiß das und beendet die kurzzeitige Beziehung kurzerhand wieder. Er sieht alles kaputtgehen und gleichzeitig Joey unentschlossen zwischen den Fronten herumirren. Wenn ihn eine Sache derzeit noch mit Dawson verbindet, ist es der Wunsch nach einer Entscheidung Joeys. Entweder komplett für ihn oder komplett gegen ihn.

Gleichzeitig wäre da aber noch Andie, die - wir kennen es ja bereits aus dieser Staffel - wieder einmal ein Date eingeht, um letztlich doch nur wieder bei Pacey Aufsehen zu erregen. Die Konstellation an dem gezeigten Abend könnte nicht besser sein, als auch noch Andie auftritt und Dawson sie wenig taktvoll darüber aufklärt, was los ist.

Und da wäre natürlich noch Jen. Jen ist an der gesamten Situation nicht wirklich unbeteiligt. Von Anfang an förderte sie Paceys Vorgehen und bestärkte gleichermaßen Joey, als sie noch unsicher war. In dieser Episode treibt sie das Geschehen wiederum an. Sie hört sich Joey an und erzählt davon Pacey, so dass dieser sich in seinem Vorgehen sicherer fühlt. Am Ende greift sie sogar vor, indem sie Dawson bereits spüren lässt, dass sie davon weiß, natürlich in der Erwartung, er wüsste es schon.

Taktisch klüger wäre es aber auf alle Fälle gewesen, sich erstmal Dawson anzuhören, anstatt ihm gleich das eigene Wissen, was sie ja gar nicht betrifft, entgegenzuwerfen. Ebenso kritisch muss man daher auch ihr Verhalten gegenüber Henry bewerten. Auch wenn Henry ein weiteres Mal penetrant und deplaziert wirkt, ist seine Aussage, dass ihn die Angelegenheiten der anderen nicht interessieren, nicht unbedingt falsch, weil Jen die Sache in der Tat im Prinzip auch nicht soviel angeht - zumindestens sollte sie sich nicht so aktiv darin engagieren. Am Ende fällt die Einmischung zwar auf sie zurück, weil Dawson ihr ihr Verhalten auch negativ anrechnet, aber letztlich steht sie Dawson doch wieder zur Seite. Ist das ehrliches freundschaftliches Verhalten oder ist sie möglicherweise gar nicht so unglücklich darüber, dass die Bindung zwischen Dawson und Joey erheblich gelockert wurde, was ihr nach Jahren einen Platz einräumt?

Am Ende bleiben viele Fragen offen, allen voran wie es mit Pacey und Joey weitergeht, inwieweit die Freundschaften jetzt auf ewig zerstört sind und wie es überhaupt weitergehen soll.

"The Longest Day" ist aber unbestreitbar bis zum jetzigen Zeitpunkt das absolute Highlight der gesamten Staffel. In keiner anderen Episode der dritten Staffel fanden wir bislang soviel Handlung, Spannung, Dramatik und Wendungen vor, wie in dieser. Zusammen mit der außergewöhnlichen und faszinierenden Struktur reiht sich die Episode damit zu jenen Episoden ein, die uns bereits aus der ersten und zweiten Staffel in Erinnerung geblieben sind. Nun muß man allerdings natürlich feststellen, dass die lange Wartezeit, bis endlich die Beziehung von Joey und Pacey vollkommen offenkundig wurde, für sich schon eine große Spannung aufgebaut hat, die sich quasi alleine entlädt. Gleichzeitig kann man aber auch sagen, dass eben durch diese Wartezeit auch eine Erwartungshaltung gewachsen ist, bei der man schon stark ins Zweifeln kam, ob man diese überhaupt noch - der langen Wartezeit wegen - befriedigend auflösen kann. Diese Frage beantwortet sich nach "The Longest Day" von selbst.

Malte Kirchner

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