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Review: #2.16 Gefangen

Eine Gefangenschaft kann viele Gesichter haben. Einige werden uns dabei in #2.16 Gefangen von "Chicago Med" gezeigt. Dabei erweisen besonders April Sexton, Jeff Clarke, Natalie Manning, Daniel Charles und Isidore Latham Einfühlungsvermögen und haben Fälle, die nachdenklich machen.

Gefangen im eigenen Körper

Gefangen im eigenen Körper zu sein, ist etwas, was keiner erleben will. Der Geist ist klar, aber der Körper will nicht so, wie man es gerne hätte. Einen solchen Fall bekam Natalie zugewiesen. Sie muss die 25-jährige Theresa behandeln, die nach einem schweren Autounfall seit mehr als fünf Jahren im Wachkoma liegt und von einer Pflegeeinrichtung betreut wird. Da bei ihr Blut im Urin festgestellt wurde, wird sie ins Med eingeliefert. Soweit scheint alles mit rechten Dingen zuzugehen, bis Natalie feststellt, dass Theresa schwanger ist. Die erste Frage, die man sich nach so einer schockierenden Nachricht stellt, ist: Wie konnte das passieren oder vielmehr: Wer war es? Wer tut so etwas Grausames und vergeht sich an Schutzbefohlen? Eine Vergewaltigung ist so schon schlimm genug, doch eine Vergewaltigung an einer Komapatientin ist menschenverachtend. Doch leider ist es keine Seltenheit, was die Sache aber ganz und gar nicht besser macht. Logisch, dass Natalie automatisch davon ausgegangen ist, die Eltern stimmen einer Abtreibung zu – doch dem ist nicht so.

Obwohl sie sich durchaus bewusst sind, was ihrer Tochter angetan wurde, wollten sie, dass Theresa das Kind behält und es austrägt, auch wenn das bedeuten könnte, dass sie die Geburt nicht überlebt. Auf der einen Seite verstehe ich die Eltern sogar, denn so hätten sie wenigstens noch etwas von ihrer Tochter, was ihnen dabei hilft, den Zustand oder sogar möglichen Tod ihrer Tochter zu akzeptieren und verarbeiten zu können. Auf der anderen Seite habe ich mir – wie Natalie – die Frage gestellt, ob Theresa dem auch zustimmen würde bzw. ob die Eltern ihrer Tochter raten würden, das Kind zu behalten, läge sie nicht im Wachkoma. Diese Situation ist wirklich sehr schwierig, weil es ein ganz schmaler Grat zwischen Abscheu und Hoffnung ist. Zu diesem Zeitpunkt habe ich allerdings nicht erwartet, dass sich das Blatt nochmals wenden wird.

Man hat bereits gehört, dass Patienten im Koma immer mal wieder die Augen öffnen oder gar irgendwelche Zuckungen haben, die sie nicht kontrollieren können. Ähnlich lief es auch bei Natalies Patientin ab, allerdings steckte dahinter viel mehr, als es zunächst den Anschein hatte. Sehr gut hat mir dabei auch Sam Abrams gefallen, der ansonsten für mich meistens ein negativer Pol ist. Doch diesmal ist es ihm zu verdanken, dass die Eltern ihre Tochter wieder in die Arme schließen können. Wie sich nämlich herausstellte, lag Theresa nicht im Koma, sondern erlitt einen Schlaganfall, der sie paralysiert hat. Dadurch wird einem einmal mehr deutlich, welche Schwere dieser Fall eigentlich mit sich zieht. Liegt hier ein Fall von ärztlichem Versagen vor? Ich weiß nicht genau, immerhin war es schwer zu diagnostizieren und wahrscheinlich stand das Ergebnis nach der ersten Untersuchung bereits fest, so dass man wahrscheinlich nicht noch einmal nachgeprüft hat, ob sich am Zustand über die Jahre etwas verändert hat. Aber die schrecklichste Erkenntnis bei diesem Fall ist vor allem die, dass Theresa alles von der Vergewaltigung mitbekommen hat und sich nicht einmal verbal wehren konnte! Ich hoffe einfach, dass sie irgendwann darüber hinwegkommt, was ihr widerfahren ist und auch ihren Eltern verzeihen kann, die wollten, dass sie das Kind austrägt.

Eine Mutter die bereit ist, alles für ihr Kind zu tun

Einen sehr interessanten Fall hatten auch April, Jeff und Ethan Choi, der vor allem von der Humanität bestimmt wurde. Eine Mutter aus Ecuador will ihre Tochter zu einem Herzspezialisten bringen, aber ihre Tochter klappt zusammen, so dass sie notgedrungen in Chicago landen müssen. Das lässt schon darauf schließen, wie schlecht es der Kleinen geht und dass es höchste Zeit ist, ihr zu helfen. Doch das alleine war es nicht, was den Fall der drei so menschlich gemacht hat. Es war eher das, was die Mutter getan hat.

Diese war nämlich bereit, sogar Drogen zu schmuggeln, damit sie ihrem Kind die bestmögliche Behandlung bieten kann. Vielleicht hätte es noch andere Wege gegeben, die Reise zu finanzieren. Aber ehrlich gesagt, möchte ich nicht wissen, wie diese Wege ausgesehen hätten und gehe mal davon aus, dass der Schmuggel von Drogen noch am besten war. Doch wie gefährlich ein Drogenschmuggel sein kann, zeigt sich, als die Mutter sich erbricht und ein Beutel mit Kokain platzt. was zu einer Überdosis führte. Das Menschliche bei diesem Fall war letztlich nicht, dass ihr geholfen wurde, sondern dass sie durch April und Jeff vor dem Gefängnis bewahrt wurde.

Drogenschmuggel ist durchaus eine Straftat, die nicht verharmlost werden sollte. Allerdings ging es hier um eine Mutter, der das Wohl ihres Kindes am Herzen lag und die keine andere Möglichkeit sah. Zumal ist sicher davon auszugehen, dass es wahrscheinlich gar nicht zum Schmuggel bzw. zur Übergabe gekommen wäre, da die Kokainbeutel erbrochen und zur Toilette hinuntergespült worden sind. Ich finde es ein bisschen schade und enttäuschend, dass Ethan sich nicht einsichtig gezeigt hat und für ihn ganz klar das Gesetz im Vordergrund stand. Er hat sicherlich recht, dass Ärzte die Pflicht haben, Meldung darüber zu machen. Ärzte haben in meinen Augen aber noch eine andere Pflicht: Menschlichkeit zu haben. Menschlichkeit, die den Patienten das Gefühl gibt, von ihnen verstanden zu werden. Außerdem denke ich, dass es eine einmalige Sache gewesen ist, damit ihrem Kind geholfen werden kann. Schön, dass Jeff es genauso wie April sieht und genauso wie die Patientin gehandelt hätte und wer weiß, vielleicht kommt Ethan demnächst auch mal in eine ähnliche Situation. Ich hoffe, dass er dann auf mehr Verständnis stoßen wird.

"Ich gehöre hier nicht her"

Während Ethan kein Verständnis für die Situation seiner Patientinnen hatte, zeigt sich Sarah Reese bei dem Teenager Nancy sehr verständnisvoll. Durch ihre Ausbildung in der Psychiatrie muss Sarah auch bei anderen Ärzten hospitieren. Diesmal begleitet sie ein Team in die psychiatrische Abteilung für Jugendliche und lernt dabei Nancy kennen, die sich schon sechs Monate stationär dort befindet und glaubt, dass sie nicht dorthin gehört. Ich habe mir erst einmal nichts dabei gedacht – bis sich Sarah ihrer angenommen hat und einen Satz gesagt hat, der von Daniel stammt: "Das Wort 'verrückt' benutze ich nicht." Danach war mir auch klar, dass der Fall weite Kreise ziehen wird.

Dadurch hatte Nancy das Gefühl, jemanden zu haben, der auf ihrer Seite steht und wird nach einem offensichtlichen Selbstmordversuch ins Med eingeliefert. Ich fand es ein bisschen traurig, dass Daniel offenbar eher wenig Vertrauen zu Sarah hat und ihr indirekt gesagt hat, von Nancy manipuliert worden zu sein. Natürlich kann das sein, aber ganz ehrlich hat das Mädchen keinen solchen Eindruck auf mich gemacht. Da hatten Sarah und Daniel schon ganz andere Fälle. Schön, dass Sarah in Will Halstead einen Verbündeten gefunden hat. Obwohl Will wenig bis gar nichts von Psychiatrie hält, gibt er Sarah einen guten Rat, den er vor einiger Zeit schon einmal Natalie gegeben hat: "Such in der Geschichte der Patienten." Ein sehr weiser Ratschlag, denn schließlich muss es irgendwo den Ursprung geben und in Nancys Fall heißt dieser: Ihre Mutter. Durch Sarah erfahren Daniel und wir Zuschauer, dass die Mutter selbst psychisch erkrankt und recht unzuverlässig in ihrem Handeln ist. Ehrlich gesagt wäre ich sehr vorsichtig, einer solch labilen Frau zu vertrauen. Das scheint Nancys Ärztin aber herzlich egal zu sein. Nicht nur dass sie sehr hochnäsig, von oben herab und kühl herüber kommt, scheint sie sich auch nicht belehren lassen zu wollen. Dabei hat gerade ein Psychiater die Pflicht, alle Fakten zu kennen, um wirklich eine richtige Diagnose stellen zu können. Schön, dass Daniel seine Meinung nochmals geändert hat und sogar Beschwerde über seine Kollegin einreichen will. Natürlich weiß man nicht, ob er mit seiner Ansicht recht hat, dass die Pubertät und die Tatsache, dass Nancy nicht angehört wurde, der Grund für ihr Verhalten ist. Aber ich finde es gut, dass er die Dinge von mehreren Seiten betrachtet hat. Einen besseren Mentor hätte Sarah nicht finden können.

Gefühle zulassen

Seit Latham seine Elektroschocktherapie macht, hat er eine einfühlsame und vor allem menschliche Seite bekommen, die mir sehr gut gefällt. Man merkt ihm zwar noch immer an, dass er teilweise verschlossen ist, aber ich denke fast, dass das auch ein Teil seiner Charakterzüge ist, die man nicht ändern kann und nicht ändern sollte. Mir hat er sehr gut gefallen, wie er mit dem kleinen Mädchen vor dem Eingriff gesprochen hat. Ich denke, dass hat der Kleinen ein wenig die Angst genommen. Ich fand es auch vollkommen nachvollziehbar, als Latham dann keinen Mut hatte, sie aufzuschneiden. Schade, dass er das als Schwäche ansieht und deswegen seine Therapie aussetzen will. Ich finde ihn dadurch eher menschlicher. Schön, dass er Connor Rhodes mittlerweile als Freund ansieht und wer weiß, vielleicht kann dieser seinen Mentor nochmals umstimmen. Ich finde es jedenfalls toll, was für ein prima Team die beiden geworden sind und Latham Gefühle und Emotionen zulassen kann.

Auch April fällt es schwer, Gefühle zuzulassen, was aber einen völlig anderen Grund hat. Mir tut sie noch immer unglaublich leid, dass sie den Verlust ihres Kindes verkraften muss. Verständlich, wenn sie sich damit erst einmal nicht auseinandersetzen will. Schließlich bedeutet das, dass eine Menge Gefühle und Emotionen auf sie einströmen, die sie nicht mal mit Tate Jenkins zusammen bewältigen kann, da sich nach der Fehlgeburt etwas in ihrer Beziehung verändert hat. Ich hatte so etwas schon befürchtet, obwohl es in der letzten Folge so aussah, als würden sie diesen Verlust gemeinsam bewältigen. Somit habe ich auch Verständnis dafür, wie sehr sie sich für die Mutter eingesetzt hat.

Schön, dass ihr neben Maggie Lockwood und Jeff auch ihr Bruder Noah Sexton in dieser schwierigen Zeit beistehen. Bereits nachdem bei April die Tuberkulose ausgebrochen ist, fand ich es toll, dass er seiner Schwester beisteht und habe mir gewünscht, noch weitere solcher vertrauten Szenen zu sehen. Ich denke, das hilft April dabei, besser mit dem Geschehenen umgehen zu können.

Fazit

Wie ich es schon mal am Anfang dieser Staffel erwähnt habe, legt "Chicago Med" großen Wert auf die Menschlichkeit der Charaktere. Ich finde es gut, dass durch diesen Aspekt auch die Charakterzüge gefestigt werden und die Figuren dadurch deutlich mehr an Stärke gewinnen.

Daniela S. - myFanbase

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