Bewertung

Review: #19.05 Bis an unsere Grenzen

Familie, Mutterschaft und weibliche Selbstbestimmung sind die großen Themen dieser Folge, die jedoch im Grunde genommen nichts Anderes tut, als die Storylines der vergangenen Episoden fortzusetzen, und dennoch so zu ersten Höhepunkten dieser noch jungen Staffel führt. Weiterhin habe ich den Eindruck, eine sehr organische, in sich stimmige Staffel vor mir zu sehen, was für viele Emotionen beim Zuschauen sorgt. In anderen, weniger hochgestochenen Worten: Ich hab mehr als einmal geheult wie ein Schlosshund.

Vielleicht hat Shonda Rhimes nicht von ungefähr vor kurzem verkündet, dass "Private Practice" diejenige unter ihren Serien wäre, die ein Revival am meisten verdienen würde. Mit dieser Episode bereitet man Kate Walsh gewissermaßen eine zweite Chance auf ein Spin-Off, indem Bailey Addison den FRT-Rettungswagen übergibt, der auf "Station 19 aka Seattle Firefighters" wohl nicht länger gebraucht wurde. Hiermit will Bailey der desillusionierten und wütenden, aber wild entschlossenen Addison die Möglichkeit geben, die ihr aufgrund ihrer Verpflichtungen in Seattle verwehrt bleibt: Zu den Frauen zu fahren, die aufgrund der rigiden und frauenverachtenden Gesetzgebung in ihren Heimatstaaten gefährdet sind.

Es sind wirklich erschreckende, niederschmetternde Bilder, die in dieser Folge präsentiert werden: Die Frauenklinik, die von wütenden Protestierenden blockiert wird, die die Freiwilligen Bailey und Addison zu Mörderinnen erklärt, die schier endlose Masse an Patientinnen, was natürlich nur von dem grausamen Schicksal von Susan gesteigert wird. Susan darf eine lebensgefährliche ektopische Schwangerschaft in ihrem Heimatstaat Idaho nicht abtreiben, da ihr Arzt gesetzliche Konsequenzen fürchtet. Eine Überfahrt nach Seattle scheitert jedoch, Susan verstirbt im Straßengraben, nachdem Bailey und Addison nichts unversucht gelassen haben, um sie zu retten. Am liebsten würde man danach mit Addison mitbrüllen, so furchtbar ist Susans Tod, so leicht hätte er durch einfache medizinische Betreuung verhindert werden können. Die Serie legt hier gekonnt den Finger in die Wunde, und sorgt damit für starke Momente, in denen nicht nur ein großes politisches Statement für die Selbstbestimmung von FLINTAs über ihre Körper abgegeben wird, sondern auch Figuren wie Addison und Bailey neue und spannende Facetten zu verpassen. Ich hoffe inständig, dass Addison weiterhin so einen großen Teil der Staffel wie bisher einnimmt und diese Storyline weiter so großartig trägt, wie sie es bis jetzt getan hat.

Familie zieht sich als roter Faden auch durch die zweite Storyline in Seattle, die jedoch für etwas Auflockerung sorgen darf. Lucas' Kolleg*innen denken nämlich weiterhin, dass Amelia und er miteinander schlafen, was zu herrlichen Momenten führt, wie wenn Lucas, in Begleitung des kleinen Scout, sich vor den anderen Anfänger*innen rauszureden versucht oder von diesen dabei erwischt wird, wie er für Scout eine Hose im Geschenkshop kauft. Am unsympathischsten kommt hierbei abermals Blue rüber, der im Prinzip Lucas‘ Vorbild folgen möchte und Amelia sexuelle Gefallen für OPs anbietet. Amelias Empörung über Lucas‘ Lüge ist daher mehr als verständlich, dennoch fand ich etwas schade, wie wenig Verständnis sie für die Situation ihres Neffen aufbringt. Gerade Amelia, die immer das Gefühl hatte, im Schatten ihrer Geschwister und insbesondere Derek zu stehen, sollte doch nachempfinden können, weswegen Lucas es vorzieht, lieber des Hochschlafens als der Vetternwirtschaft bezichtigt zu werden. Natürlich ist sie als seine Chefin dadurch in eine schwierige Lage gebracht worden, doch Lucas‘ Verzweiflung hat deutlich gezeigt, wie sehr auch er unter seiner Herkunft leidet. Ein Kompromiss scheint jedoch im Moment auch unmöglich zu sein, Lucas' Lügen werden ihn wohl bald unter sich begraben. Vielleicht kann Mitwissende Simone ihm ja helfen?

In der ersten der beiden Boston-Storylines steht auch eine Lüge im Vordergrund, nämlich Catherines über ihren sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand. Ihr Krebs wächst und wächst, doch Catherine verweigert Therapien und Chemo, will lieber weiterhin die alternativen Methoden, die sie auf ihren Reisen mit Richard. kennengelernt hat, ausprobieren und die letzte Zeit, die ihr bleibt, nutzen. Tom (dessen Anwesenheit mir immer ein Lächeln auf die Lippen zaubert) redet bei Catherine gegen eine Wand, kann sie nicht dazu bewegen, immerhin Jackson über die Neuigkeiten zu unterrichten. Jackson wird jedoch ebenfalls nicht misstrauisch, Tom bleibt der einzige Wissende. Da weder Greg Germann noch Jesse Williams noch Hauptdarsteller-Status haben, finde ich es etwas schwierig, abzusehen, wie diese Storyline weiter in den Fokus gerückt werden wird. Irgendwie fühlt sie sich in dieser Episode etwas eingeschoben an, wie etwas, an das die Autor*innen uns erinnern wollten, weil sie es vergessen hatten, davor groß zu erwähnen. Debbie Allens Produzentinnenstatus könnte Catherines weiteres Überleben in der Serie durchaus sichern.

Die zweite Boston-Storyline sorgt hingegen für die nächsten großen Höhepunkte, indem zwei der größten Storylines Merediths, die bereits in der ersten Folge der Serie ihren Anfang nahmen, fortgesetzt werden. Zum einen natürlich die Geschichte um Alzheimer, die wohl wie keine andere in dieser Serie behandelt wurde – seien es Ellis und Adele, die unter der Krankheit litten und wegen ihr verstarben oder Meredith und Maggie, die das Alzheimer-Gen geerbt haben und befürchten müssen, einmal selbst darunter leiden zu müssen. Es war die Krankheit, die in Meredith das große Interesse für Neurochirurgie aufkommen ließ, was sie wegen ihrer Beziehung zu Derek nicht weiterverfolgen konnte (was Jackson interessanterweise anspricht, obwohl dies zuvor jahrelang nicht wirklich thematisiert wurde). In dieser Staffel wurde sogar mit Simones Großmutter eine weitere Figur eingeführt, die an Alzheimer erkrankt ist, was sich im Nachhinein als weiteres Puzzleteil für die Einleitung von Ellen Pompeos Auszeit identifizieren lässt. Denn die Krankheit, die Merediths Tochter Panikattacken verpasst, könnte nun die nächste sein, die Meredith zu heilen versucht; Jackson bietet ihr Job dafür in Boston an.

Zum anderen ist es aber es auch Merediths Auseinandersetzung mit ihrer Mutter, die erneut hier im Fokus steht. Wie Jackson es betont, wäre es eine großartige Geschichte, wenn Meredith ausgerechnet die Krankheit, die ihre Mutter umgebracht, zu heilen versucht, etwas, was sie immer tun wollte. Doch Meredith leidet immer noch unter dem Erbe ihrer Mutter, hat immer noch Angst, ihr zu sehr zu ähneln und zögert. Und beweist sich damit das Gegenteil. Denn sie stellt Zolas Wohlbefinden in den Vordergrund, nicht ihr eigenes: Ihr ist es wichtiger, eine Schule zu finden, die Zola guttut und ihrer Tochter, die Hilfe zu verschaffen, die sie benötigt. Es ist deutlich zu sehen, wie schuldig sich Meredith fühlt, weil sie die Probleme der sonst stets gut gelaunte Zola nicht erkannt hat, wie sie in Sorge und Angst um ihre Tochter ist und nichts unversucht lässt, um ihr zu helfen. Die Chancen, die Meredith in Boston bedeuten ihr weniger, als die für Zola – und somit sorgt Zolas Geständnis, die Schule in Boston geliebt zu haben, dafür, dass die Shepherd-Greys nach Boston ziehen werden. Das letzte Gespräch von Mutter und Tochter sorgt dazu dafür, dass sich ein Kreis schließt: Meredith macht Zola Mut, erklärt ihr, dass sie alles, was Zola sich wünscht und tun will, unterstützen wird. Die Außergewöhnlichkeit, die ihr ihre eigene Mutter einst abgesprochen und ihr damit das Herz gebrochen hat, spricht Meredith ihrer Tochter zu und beweist damit, was für eine tolle Mutter sie ist und wie sehr sie als Person in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Klar, in dieser Storyline fügt sich alles ein bisschen zu sehr, wie Jackson es ausgedrückt hat und wirkt dadurch natürlich etwas konstruiert – aber allein dafür, dass es der Serie gelingt, Meredith Greys Entwicklung ein (vorläufiges?) rundes Ende vor Ellen Pompeos Pause (?) zu verschaffen, bin ich damit mehr als versöhnt.

Lux H. - myFanbase

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