Bewertung

Review: #9.20 Blutlinien

Foto: Nathaniel Buzolic - Copyright: Jenny Duckworth Photography
Nathaniel Buzolic
© Jenny Duckworth Photography

Das war also der Backdoor-Pilot zum potenziellen "Supernatural"-Spinoff "Bloodlines". War es ergreifend, mitreißend, spannend, gab es herausragende Darsteller, interessante Charaktere und eine unterhaltsame Storyline, die man weiterverfolgen möchte? Kurz: Kann man sich vorstellen, "Bloodlines" in Serie zu sehen? Leider nicht wirklich. War "Bloodlines" denn zumindest eine gute "Supernatural"-Episode? Nein, denn rund um Sam und Dean gab die Episode nicht viel her, mal ganz zu schweigen davon, dass einige Punkte schlicht und ergreifend konträr zu allem sind, was wir seit langer Zeit in "Supernatural" etabliert haben. Mal der Reihe nach.

Bloodlines

Ennis steht als Hauptcharakter des potentiellen Spinoffs im Mittelpunkt der Eingangsszene. Er möchte seiner Freundin einen Antrag machen und dafür bittet er den Kellner, den Ring in ein Glas Champagner zu legen. Wie originell – so die flapsige Parade des Kellners, mit der dieser aber den Nagel auf den Kopf trifft. Ennis ist kein besonders origineller Charakter und auch seine Geschichte ist kalter Kaffee. Seine Freundin wird ermordet, sein Vater ist verschwunden und wie es scheint, ist er nicht tot, sondern vielmehr ein Jäger. Klassisches "Supernatural"-Einmaleins. Was Ennis allerdings fehlt, ist die Gabe, mich als Zuschauer mitfühlen zu lassen. Das was Jensen Ackles und Jared Padalecki schon im "Supernatural"-Piloten vor neun Jahren und seither mit Bravour beherrschten, ist die Zuschauer mit Sams und Deans Geschichten zu berühren. Lucien Laviscount hingegen wirkt wie der sympathische Junge von nebenan, den die in seinem eigenen Haus versteckten Pistolenkugeln anscheinend noch nie so sehr interessiert haben, dass er die eingravierten Zeichen entdeckt und sie als für einen Teenager spannend genug empfunden hätte, ein bisschen Nachforschung anzustellen. Warum also sollte es uns interessieren? Er ist zwar hartnäckig, nachdem seine Freundin ermordet wurde, aber er wirkt nicht wie jemand, der sich Hals über Kopf in die Jagd auf das Übernatürliche stürzen würde.

Der Mörder in dieser Episode ist ebenso eine ziemlich fragwürdige Erscheinung. Es handelt sich um einen herkömmlichen Menschen mit Freddy-Krueger-Händen. Seine Motivation, Monster zu jagen, besteht darin, dass diese ihm seinen Sohn genommen und ermordet haben. Er aber hat für seinen eigenen Mord an Ennis' Freundin nicht mehr als die Worte "Sie stand im Weg!" übrig? Das nenn ich mal gemütliche Doppelmoral. Mal abgesehen davon, dass der Tod des Mädchens eh eine wenig überzeugende Szene war. Die meisten Menschen wären in dieser Szene wohl mit einer Beule oder höchstens einer Gehirnerschütterung davongekommen. Was aber noch viel mehr Anlass zum Stirnrunzeln gibt, ist die Tatsache, dass ein normaler Mensch hier so locker all die Monster überwältigen konnte. Klar, seine Hände waren vorsorglich mit Klingen aus Silber gespickt, die den Monstern bekanntlich besondere Schmerzen zufügen, aber das erklärt nicht, wieso sie ihm auch sonst nichts entgegenzuhalten hatten.

Der wohl größte Lichtblick besteht im Charakter des David Lassiter, der wohl im zweiten "Supernatural"-Duo die Dean-Rolle, also die des schlagfertigen und gelegentlich witzigen Parts, übernehmen würde. Durch ihn kam einiges an Humor zustande, der die sonst eher enttäuschende Episode noch ein wenig rettend konnte. Das fing schon mit seiner Vorstellung gegenüber Ennis an: "Shapeshifter. We shift our shape. It's kinda all there in the name" und fand seine amüsante Fortsetzung im Schlagabtausch zwischen David und Dean alias Romeo und Buffy. Relativ flache Parade an dieser Stelle, aber trotzdem herrlich! Leider jedoch muss ich zugeben, dass Nathaniel Buzolic sich hier für mich nicht von seiner Rolle des Kol in "Vampire Diaries" freigespielt hat. Mein Fanherz schlug im Grunde in der Viererszene der Jungs so hoch, weil es wirkte wie ein Crossover zwischen "Supernatural" und "Vampire Diaries", da Sam und Dean hier nunmal auf Kol trafen! Nun tut es allerdings Nates Ausstrahlung auch nicht unbedingt gut, dass er für die Rolle des David seinen britischen Akzent ablegen musste. Dürfte ich wählen, so würde ich liebend gerne auf "Bloodlines" verzichten, wenn wir dafür das langersehnte Vollzeitengagement für Nate Buzolic bei "The Originals" bekommen könnten. Kol gehört in diese Serie wie das Amen in der Kirche, und unterbewusst sträubt sich in mir im Grunde alles gegen "Bloodlines" schon allein deshalb, weil Kols Schicksal damit endgültig besiegelt wäre.

Hier jedenfalls ist David Teil des Romeo-und-Julia-Paares, das aufgrund des Drucks der jeweiligen Monster-Familie nicht zusammen sein kann, und das Drama der beiden besteht – wie üblich – in Geheimniskrämerei, denn Violet lässt ihren Liebsten natürlich nicht wissen, dass sie ihn damals nur aufgrund der Drohung seines Bruders hat stehenlassen. Ganz ehrlich, dieses Verheimlichen, um dem anderen den vermeintlichen Schmerz zu ersparen, ist das älteste Lied aller Zeiten und als Stilmittel so vorhersehbar wie unsinnig. Hauptsache Drama, und das ist nicht zuletzt dadurch gegeben, dass Violet von ihrem widerlichen, aber von Sean Faris relativ schick gespielten Bruder Julian an den nächstbesten Werwolf verscherbelt wird, denn Frauen sind laut Julian nunmal nichts Besseres als bitches und Huren, womit Julian hier ausreichend als bad guy etabliert worden sein dürfte, von dem ich eine vernünftig ausgearbeitete Charakterentwicklung durchaus ganz gerne sehen würde.

Das sonstige Drumherum der fünf in Chicago herrschenden Monsterfamilien, Formwandler, Dschinns, Werwölfe, Vampire und Ghule, bezeichnet Dean in einem seiner Gastauftritte als "Der Pate mit Fangzähnen", aber mehr als dieser wirklich coole Spruch ist hier eigentlich noch nicht gegeben. Die Familienmitglieder, die wir bisher kennengelernt haben, reden den Krieg untereinander herbei, aber eine weitere CW-Show, in der es um nichts anderes als Mord und Rache geht, braucht doch bei den derzeitigen Entwicklungen von "Vampire Diaries" und "The Originals" wirklich keiner mehr, oder?

Sam und Dean als Gaststars

Im Rahmen des "Supernatural"-Universums ist es zum einen sehr erstaunlich, dass Formwandler wie David anscheinend keine widerlichen Reste ihrer menschlichen Hülle zurücklassen müssen, wie wir es eigentlich kennen. Zum anderen grenzt es an Wahn zu glauben, die Winchesters könnten von der Existenz der fünf mächtigen Monsterfamilien in Chicago so rein gar nichts wissen. John Winchster, Bobby Singer, die Men of Letters – niemand soll darüber Aufzeichnungen haben? Glaubt doch kein "Supernatural"-Fan! Und was genau war in die Winchesters gefahren, den jungen Ennis einen Menschen erschießen zu lassen, während die anwesenden Monster ungeschoren davonkamen? Wir haben in "Supernatural" ausgiebige Konflikte zum Umgang mit Monstern erlebt, Deans Töten von Amy, Sams Misstrauen gegenüber Benny, und selbst das Laufenlassen der gutherzigen Pishtaco bedurfte zumindest noch einer Diskussion. Hier klaffte in diesem Zusammenhang eine Lücke! Und dennoch, jedes einzelne Auftauchen der Winchester-Brüder ließ mich jubeln, da sie einfach alle um sich herum erblassen ließen. So sehr die beiden sich auch immer wieder in ihre altbekannten Konflikte verheddern und so lange die Autoren ihnen auch aufbürden, sich daraus zu befreien, sie sind und bleiben unglaublich liebevoll ausgearbeitete Charaktere, mit denen man durch dick und dünn geht. Ein solches Potenzial sehe ich bei den "Bloodlines"-Charakteren (noch?) nicht.

Fazit

Der "Bloodlines"-Backdoor-Pilot hat meines Erachtens in erster Linie eines erreicht: Man ärgert sich, dass so kurz vor dem Finale eine ganze Episode sozusagen verschenkt wurde, da der "Supernatural"-Konflikt komplett ausgeblendet wurde. Mit sehr viel Wohlwollen, gedankt wohl vor allem der Beliebtheit von Nathaniel Buzolic, kann ich nach dieser Episode sagen, ich würde einen Blick ins Spinoff riskieren, in der Hoffnung, dass dort doch noch komplexere Charaktere und spannendere Storylines ausgearbeitet werden, wozu man hier einfach keine Zeit hatte. Im Moment jedoch betrachtet, bietet dieser Backdoor-Pilot nichts Neues, was ich gerne in Serie sehen würde.

Nicole Oebel - myFanbase

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