The Boys - Review Staffel 4
Schon länger war bekannt, dass "The Boys"-Schöpfer Eric Kripke ein genaues Ende seiner erfolgreichen Prime-Video-Produktion vor Augen hat. Deswegen kamen irgendwann Gerüchte auf, dass es möglicherweise mit einer fünften Staffel enden wird. Wenige Wochen vor der Premiere der vierten Staffel wurden die Gerüchte dann bestätigt. Ein klares Ende vor Augen zu haben, kann dabei ein Segen oder Fluch sein. Ich habe schon einige Produktionen erlebt, denen es sehr gut getan hat, dass es irgendwann einen klaren Plan gab, aber es gibt auch Produktionen, bei denen man deutlich merkt, dass sie dadurch gewisse Geschehnisse in die Länge ziehen. Für mich gehört Staffel 4 von "The Boys" leider in die letzte Kategorie.
Schon in meiner Review zu den drei Auftaktepisoden wurde deutlich, dass mich der Staffelbeginn nicht mitgerissen hat. Mit gleich drei Episoden, da muss es einfach einen Knaller geben, der richtig Lust auf das Geschehen macht. Die Serie wird niemals langweilig werden, weil in den etwa 60 Minuten andauernden Episoden immer genug passiert, so dass stetige Stimulierung da ist. Aber dennoch möchte ich dabei auch Abwechslung und Entwicklung erleben. Das war über diese acht Episoden verteilt zu wenig, was mir den Eindruck hinterlassen hat, dass bei einigen Aspekten bewusst auf die Bremse gedrückt wurde, nur um dann zum Staffelfinale genug rauszuhauen, was unter idealen Umständen eine geniale finale Runde verspricht. Aber wir sind letztlich noch nicht bei der finalen Staffel und so kann ich nur bewerten, was ich hier angeboten bekommen habe.
Fangen wir also mit dem positivsten Aspekt der Staffel an. Das waren die Neuzugänge, denn sie haben den frischen Wind, das unerwartete Momentum reingebracht. Bei Sister Sage (Susan Heyward) und Firecracker (Valorie Curry) war es spannend, sie nach und nach näher zu entdecken. Firecracker ist jetzt nicht unbedingt die Figur, die bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, aber sie hat dennoch einiges durcheinander gewirbelt und ich fand sie in sich selbst gesehen sehr konsequent gestaltet. Sage war da eindeutig die spannendere Figur. Ich hatte dazu auch von Kripke gelesen, wie herausfordernd es war, den schlausten Menschen der Welt zu schreiben, weil das faktisch niemand aus dem Writers Room war. Das hätte ich mir selbst auch als sehr komplex vorgestellt, aber ich finde, dass es sehr smart gelöst wurde, indem wir eben auch kaum etwas davon mitbekommen haben, wie Sage konkret ihre Pläne ausformuliert und so war es immer noch möglich, im Nachhinein zu sagen, dass sie all das eingeplant hatte, was zwischendurch wie ein Rückschlag wirkte. Gleichzeitig hat Sage aber dennoch auch eine Seite bekommen, die sie sehr speziell gemacht hat und das waren die benötigten Lobotomien. Es war schon etwas eklig, aber als Idee einfach so genial, um ihr ihre Achillessehne zu verpassen. Sage ist daher von den Neuzugängen auch diejenige, auf die ich mich in der nächsten Staffel echt freue, zumal es eine weibliche Figur ist, die scheinbar alle Marionettenfäden in der Hand hält.
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Rund um Jeffrey Dean Morgan ist sich bewusst viel in Nebulöses geflüchtet worden, was ich erst etwas irritierend fand und mir dann dachte, okay, vielleicht wäre es durch die zugehörigen Graphic Novels ein zu großer Spoiler. Letztlich ist sein Joe Kessler aber mit einem der größten Überraschungsmomente verbunden gewesen, der schon echt aus dem Nichts kam. Ich mochte die Idee dahinter sehr, auch weil es die Rückkehr der wunderbaren Shantel VanSanten als Becca gut erklärbar gemacht hat. Letztlich hatte ich mir durch Morgans Casting und was ich so über seine Schauspielkünste in "The Walking Dead" gehörte habe, durchaus etwas anderes vorgestellt, denn er war hier sehr passiv und dialoglastig, aber zusammen mit Karl Urban war es auch so ein Erlebnis. Butchers Entwicklung in dieser Staffel würde ich auch als Highlight benennen. Denn angespornt durch Becca und Kessler wurde dieser Wahnsinn in ihm sehr geschickt vermittelt und auch immer wieder durch widersprüchliche Handlungen unterstrichen. Es war zwar keine Weiterentwicklung, sondern nur eine Manifestation der drei Staffeln zuvor, aber durch seine nachlassende Gesundheit und die Sentimentalität, die sich vor allem durch Ryan (Cameron Crovetti) und Hughie (Jack Quaid) reingeschlichen hat, hatte es durchaus etwas Neues und letztlich auch Unberechenbares, was ich in einer Staffel mit der bislang wenigsten Bewegung sehr zu schätzen wusste. Auch A-Train (Jessie T. Usher) will ich da nicht auslassen, denn er ist es diesmal, der auf die andere Seite wechselt und das vor einem sehr konsequenten Hintergrund. Es hat sich immer mehr aufgebaut, dass A-Train gegen sein Supe-Ich und wie es von Vought missbraucht wird eine Abscheu entwickelt hat und daher nun immer mehr den Boys zuarbeitet, obwohl es ein großes Risiko für ihn ist, das war spannend. Ich mochte besonders den Moment, als er MM (Laz Alonso) ins Krankenhaus schafft, und diesen echt schönen Moment mit dem kleinen Schwarzen Jungen hat, denn danach war der Stolz bei A-Train über so eine kleine Geste regelrecht greifbar. Wenn man Usher auch privat erlebt, da passt der Seitenwechsel natürlich sehr gut und ich könnte mir vorstellen, dass er noch mit einigen der Boys tolle Szenen haben könnte, dementsprechend will ich mal schwer hoffen, dass er uns in Staffel 5 auch erhalten bleibt.
Nun kommen wir schon in die tieferen Gewässer dieser vierten Staffel. Diese lassen sich am besten dadurch zusammenfassen, dass viele der Figuren auf sich gestellt waren und in der Charakterentwicklung keine großen Sprünge gemacht haben. Auch auf einer inhaltlichen Ebene, die alle Figuren angeht, hat sich sehr wenig getan, denn es ging eigentlich nur darum, dass die Wahl von Robert Singer (Jim Beaver) und damit auch von Victoria Neuman (Claudia Doumit) ansteht und wie ihre Wahl und später das Attentat verhindert werden können. Da gab es in den anderen Staffeln doch wesentlich mehr Baustellen. Dazu ist sehr störend, dass speziell Deep (Chace Crawford) weiter so unfassbar einseitig bleibt. Ich hätte in ihm nicht gesehen, dass er die Rolle von A-Train in dieser Staffel übernimmt, auch weil dafür seine Geschichte mit Annie (Erin Moriarty) zu heftig ist. Aber es verharrt so konsequent auf einer Ebene, dass ich es inzwischen nicht mal mehr als lustig empfinde. Auch aus dem Neuanfang mit Black Noir (Nathan Mitchell) hätte man wesentlich mehr machen können, aber das war durch den auf einmal sprechenden Supe immerhin mit echten Lachern verbunden. Immerhin hatten die beiden eine gut gemachte Kampfszene mit den Boys, die auch zu meinen persönlichen Highlights der Staffel gehört, weil es so über die Boys und Seven hinweg echte Interaktion gab.
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Auch bei Homelander (Antony Starr) war ich eher gelangweilt. Dass er sich so blutig seiner Vergangenheit gestellt hat, ja, das war sinnig. Es war auch in Ansätzen der Versuch, Homelanders Werdegang etwas Empathisches zu verpassen, aber das ist eigentlich auch vergebene Lebensmüh, denn Homelander ist letztlich Homelander und das hat sich in der Staffel deutlich gezeigt, wenn er auch bis auf dieses Labormassaker eine etwas harmlosere Version war. Eng verbunden mit ihm war auch Ryan und bei ihm war ich im Vorfeld am meisten gespannt. Bis zum Ende von Staffel 3 war er immer der sensible Junge, in dem man Becca überdeutlich wahrgenommen hat. Doch dann gab es diesen echt gruseligen Moment im Staffelfinale, bei dem mich der Blick in Corvettis Augen echt geschockt hat. Doch was war davon in Staffel 4 übrig? Natürlich hat er bei Homelander gewohnt und damit seine Entscheidung getroffen, aber stattdessen haben wir dennoch wieder den alten Ryan erlebt, der hinterfragt, warum sie keine echten Heldentaten vollbringen und warum er gewisse Botschaften in den Produktionen von Vought rüberbringen soll. Die Fragen hätte ich auch gestellt, meine Augen haben aber auch nicht so gruselig geguckt. Dementsprechend fand ich ihn wieder viel zu zahm, nur um ihm im Finale dann wieder eine Umkehr zu bescheren. Warum nicht schon in dieser Staffel 4 Gas geben? Das hätte dem Inhalt eindeutig gut getan. Ashley (Colby Minifie) wiederum ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen, nachdem sie einen steilen Höhenflug hatte. Aber dennoch war sie für diese Staffel nur eine weitere Nebenfigur, bei der ich mir aber vorstellen könnte, dass sie im Finale eine entscheidende Rolle spielen wird, denn so brutal wie ihre Verwandlung aussah, wer weiß, welches Monster wir da vielleicht gezüchtet bekommen?
MM, Frenchie (Tomer Capone) und Kimiko (Karen Fukuhara) waren von den Boys auch schon immer mehr die Sidekicks, die es für die großen Actionszenen braucht. Natürlich wird mit ihnen in dieser vierten Staffel etwas gemacht. MM erkennt, dass er nicht der Anführer der Boys sein kann, weil es auf seine Gesundheit geht, Frenchie und Kimiko stellen sich jeweils ihrer Vergangenheit, aber nur wieder so in Ansätzen und wieder völlig separiert. Es ist natürlich auch der Sinn, dass die Boys oft genug scheitern und intern öfters zerstritten als bedingungslos loyal sind. Dennoch: Solche inneren Prozesse könnte man immer mindestens im Duo angehen. Aber natürlich wusste ich den großen Moment zwischen Frenchie und Kimiko sehr zu schätzen, die beiden sind echt Zucker zusammen! Hughie und Erin sind da die größeren Player der Serie, aber auch die beiden sind oft völlig auf sich alleine gestellt und dafür, dass sie quasi das Vorzeigepärchen sind, war das sehr wenig. Bei Hughie war es natürlich spannend, dass seine Mutter Daphne (Rosemarie DeWitt) auf der Bildfläche erschienen ist, aber nach der krassen Wendung rund um Vater Hugh (Simon Pegg) ist sie dann wieder sang- und klanglos verschwunden. Die Andeutung, dass sie für ein Subunternehmen von Vought tätig ist, hätte ich mir für die Handlung irgendwie entscheidender vorgestellt. Ähnlich ist es bei Annie, die in einer Krise mit ihrem Supe-Ich steckt. Den Teil habe ich gut nachvollziehen können, aber das Thema Abtreibung war ähnlich wie bei Daphne mit der postnatalen Depression, als ob ein paar Häkchen gesetzt werden mussten. Gerade weil Hughie und Annie beide so viel durchgemacht haben, hätte es doch ideal gepasst, sie weiter als Paar zu stärken. In meiner Wahrnehmung hätte der Twist mit dem Gestaltenwandler dann dennoch funktioniert.
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Der Gestaltenwandler ist dann auch schon der Aspekt, der sich auf das Staffelfinale bezieht, dem ich einen eigenen Abschnitt widmen möchte. Denn dieser Abschluss war wieder genau das, was die Serie für mich ist und eigentlich immer sein sollte. Hier war Zug drin, Gruppenaction, Überraschungen und Emotionen. Moriarty hat in meinen Augen mit ihrem Gestaltenwandler-Ich ihre bislang beste schauspielerische Leistung abgeliefert, denn es war gerade in den Doppelszene begeisternd, wie genial man beide Annies auseinanderhalten konnte. Aber Butcher war in allem dennoch wieder der stärkste Part, kein Wunder, dass die zwei wichtigen Charaktertode unmittelbar mit ihm in der Szene erfolgt sind. Es beweist letztlich auch, dass es Butcher immer braucht, damit es vorangeht, auch wenn es manchmal zum Schlechteren ist. Gleichzeitig wird die "The Boys"-Welt in absolutes Chaos gestürzt, weil Sages Plan ideal aufgegangen ist. Beim Ende hatte ich doch echt den Mund offen stehen, weil sich die finale Staffel damit auch so viele Möglichkeiten eröffnet. Wird es einen Zeitsprung geben und wenn ja, wie krass wird sich die Welt verändert haben? In der Wartezeit werden wir sicherlich noch eine Staffel "Generation V" bekommen. In dieser vierten Staffel gab es wenig Bezug dazu, wenn wir das Virus und die Auftritte von Cate (Maddie Phillips) und Sam (Asa Germann) mal ausnehmen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es umgekehrt viel krasser sein wird und damit würde die Vorfreude noch weiter angeheizt. Also gut, dass das Finale von der Qualität her stimmte, denn ansonsten hätte sich bei mir der Gedanke durchgesetzt: Gut, dass es bald vorbei ist.
Fazit
Nach dieser vierten Staffel "The Boys" hätte man eigentlich denken können, dass der Serie die Puste ausgeht, weil sich charakterlich und inhaltlich für mich viel zu wenig ergeben hat. Aber mit der Ankündigung der finalen fünften Staffel glaube ich umgekehrt, dass einiges bewusst aufgespart wurde. Also keine Filler-Episode, sondern eher eine ganze Filler-Staffel. Es gab Highlights und es gibt immer Kurzweiligkeit, aber im Abschluss brauche ich wieder ein anderes Feuerwerk!
Die Serie "The Boys" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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