American Gods - Review des Piloten
#1.01 Der Knochengarten

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Die neue Dramaserie "American Gods", die in den USA beim Kabelsender Starz ausgestrahlt wird und im Rest der Welt über Amazon Prime zu sehen ist, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Neil Gaiman aus dem Jahre 2001. Wer dieses Buch kennt, wird nun in der ersten Folge #1.01 Der Knochengarten sicher keine Probleme gehabt haben, der Handlung zu folgen. Für alle Nichtkenner der Vorlage hingegen wird die Sache schon schwieriger gewesen sein. Denn dieser Auftakt scheint vor allem das Ziel zu haben, die Atmosphäre zu setzen und die Bildsprache der Geschichte vorzustellen. Was aber bereits in dieser Pilotepisode deutlich wurde, ohne in der Handlung zu weit vorzugreifen, ist, dass "American Gods" zwei Ebenen bedient, auf denen sich die Geschichte entspinnt. Da ist zum ersten die vordergründige Story rund um Shadow Moon (Ricky Whittle), der aus dem Gefängnis entlassen wird und nach dem Tod seiner Ehefrau Laura (Emily Browning) vor dem Nichts steht, und da sind die Legenden der Götter, in die Shadow offenbar nun durch das Auftauchen von Mr. Wednesday (Ian McShane) involviert wird.

Foto: Ricky Whittle & Pablo Schreiber, American Gods - Copyright: 2016 Starz Entertainment LLC
Ricky Whittle & Pablo Schreiber, American Gods
© 2016 Starz Entertainment LLC

Zwar wurde die tiefere Ebene der Göttergeschichten hier noch nicht klar ausgesprochen, ganz im Sinne der Romanvorlage, in der man sich viele Informationen über diese ebenfalls zwischen den Zeilen zusammenreimen muss. Aber gerade das Intro der Episode, in der erzählt wird wie die nordischen Götter im Allgemeinen, und der Gott des Krieges und des Kampfes im Besonderen nach Amerika kamen, sowie natürlich der Name der Serie, lassen keinen Zweifel daran, dass die Götter hier mitmischen wie die sterblichen Menschen. Dabei sind die Götter, die in Amerika angesiedelt sind, ebenso Immigranten wie die Menschen die hier leben und sie kommen aus allen Ende der Welt. Welche Figuren, die wir nun zusammen mit Shadow kennenlernen, oder die uns auch unabhängig von ihm vorgestellt werden, Götter sind, ist sicher eines der Rätsel, die uns noch eine Weile beschäftigen wird.

Shadows Geschichte hingegen ist zunächst einmal eher irdisch und profan, besonders nachdem er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Der Ex-Betrüger, der eigentlich gerne Schwierigkeiten aus dem Weg gehen würde, ist aber spätestens nachdem er erfährt, dass seine Frau ihn mit seinem besten Freund betrogen hat, haltlos und ohne Zweck im Leben und lässt sich deshalb auf einen Deal mit dem mysteriösen Wednesday ein, der sich eigentlich kaum Mühe gibt zu verbergen, dass man ihm nicht wirklich trauen kann. Wo Shadow dieses Bündnis mit Wednesdy hinführen wird, bleibt noch offen, aber das Ende der Episode lässt uns und Shadow vermuten, dass eigentlich nichts Gutes dabei herauskommen kann. Aber man kann ebenso vermuten, dass man aus einem Handel mit einem Gott wohl nicht so schnell wieder herauskommt.

Foto: Bruce Langley, American Gods - Copyright: 2016 Starz Entertainment LLC
Bruce Langley, American Gods
© 2016 Starz Entertainment LLC

Es fällt mir als Romankennerin und Anhängerin von Neil Gaiman schwer, den Eindruck dieser ersten Folge auf diejenigen Zuschauenden einzuschätzen, die die Hintergrundgeschichte nicht kennen. Ist man mit dieser vertraut, macht diese Pilotepisode einen sehr überzeugenden und selbstbewussten Eindruck. Da ist natürlich die äußerst grafische Bildsprache, die man von Bryan Fuller bereits aus "Hannibal" und "Pushing Daisies" gewohnt ist, ebenso wie der Hang zur makabren Darstellung von Gewalt, die hier besonders in der Anfangsszene zu bewundern ist. Aber auch der Symbolismus dieser Bildsprache drängt sich sofort auf. Shadows wiederkehrender Alptraum des Knochengartens, der der Episode seinen Namen gibt und die über ihm schwebende Gefahr des Galgens, die am Ende der Episode in einer bedrohlichen Lynchingsszene des schwarzen Mannes durch gesichtslose weiße Figuren verleihen den Bildern eine schauerhafte Aura und lassen vermuten, dass Shadows Identität als dunkelhäutiger Mann in Amerika und die Bedeutung des Immigrantenstatus der Gottheiten wohl sicher noch eine Rolle innerhalb der Serie spielen werden. Alles in allem hinterlässt dieser Auftakt einen guten Eindruck, der Lust auf mehr macht. Besonders für Romankenner kann man "American Gods" uneingeschränkt empfehlen, während man den interessierten Zuschauern ohne Vorkenntnisse raten kann, dran zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass sich die Story der Geschichte Schritt für Schritt zusammenfügen wird.

Randnotizen

Foto: Yetide Badaki, American Gods - Copyright: 2016 Starz Entertainment LLC
Yetide Badaki, American Gods
© 2016 Starz Entertainment LLC

  • Im Vorfeld der Serienadaption wurde vielfach angekündigt, dass der Mangeln an bedeutenden Frauenfiguren des Buches ausgeglichen wird und das vor allem Emily Browning mehr zu tun haben wird, als man es von ihrem Schicksal im Piloten vermuten würde. Bisher hat man davon noch nicht allzu viel gemerkt, auch wenn der denkwürdige Auftritt der Göttin Bilquis (Yetide Badaki), der im Buch bedeutend später stattfindet, hier nach vorn gezogen wurde. Und auch wenn man wusste, wo der Akt der Liebesgöttin hinführen würde, wird man die visuelle Umsetzung dieses Aktes wohl nicht so schnell vergessen können.
  • Das Casting ist wirklich ausgezeichnet. Allem voran Ian McShane als Mr. Wednesday, das ist nahezu schicksalhaft. Viele der weiteren Highlights wie Gillian Anderson, Peter Stormare und Orlando Jones sind bisher noch nicht dabei gewesen, aber das soll die Vorfreude nicht schmälern. Ricky Whittle in der zentralen Figur des Shadow Moon macht seine Sache ebenfalls gut, auch wenn er vom Charisma her gegen McShane nicht ankommt. Aber wer tut das schon?
  • Insgesamt bleibt man bisher sehr nahe am Original, aber die Änderungen die vorgenommen wurden, machen Sinn und verbessern die Geschichte sogar. Das Bilquis keine Prostituierte ist, sondern die Vorteile des Online-Datings für sich nutzt, um ihre Anhänger zu rekrutieren ist eine clevere Erweiterung ihrer Story, zumal damit klar wird, dass auch die alten Gottheiten die neuen Medien (und Anbetungsgegenstände) für sich zu nutzen wissen. Auch die Umsetzung von Technical Boy weicht deutlich von seinem Image in der Vorlage ab, wo er als dicker Mann dargestellt wurde, während die von Bruce Langley verkörperte Vision wesentlich mehr dem entspricht, was man von den Trollen und Hatern des modernen Web 4.0 zu befürchten hat, gesichts- und charakterlose Handlanger für die Drecksarbeit inklusive.


Cindy Scholz - myFanbase

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