Bewertung

Review: #2.03 Schweigen

Nachdem mich Folge zwei für den doch recht durchwachsenen, wenn nicht gar enttäuschenden Staffelauftakt entschädigen konnte, war die neueste Episode für mich leider wieder ein Rückschritt in die Mittelmäßigkeit. Während die Einführung von Jeff weiterhin für Spannung im Musikbusiness sorgt, sind es überwiegend die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Ernüchterung bringen.

"I can’t sing."

Das war doch mal ein richtig gelungener Mini-Cliffhanger, mit dem die US-Zuschauer mitten in der Episode in die Werbepause entlassen werden. Während ich mich bislang durchaus wunderte, in welcher Geschwindigkeit Rayna die Folgen ihres Unfalls inklusive Koma offenbar überwunden zu haben schien, habe ich das so Naheliegende offenbar erfolgreich verdrängen können. So kam die Offenbarung zwar ziemlich überraschend, ist aber sehr wohl nachvollziehbar. Die künstliche Beatmung fordert ihren Tribut und es wird nun spannend zu sehen sein, ob und wann Rayna ihre Singstimme wieder finden wird. Etwas irritiert war ich dabei allerdings, wie gelassen sie damit umgehen konnte. Ist es für einen Gesangskünstler nicht schockierend, sein wichtigstes Gut zu verlieren? Ein wenig mehr Angst und Frustration hätte hier von Seiten Raynas nicht geschadet.

Genauso schnell wie ihre Genesung ging übrigens auch die Scheidung von Teddy von statten. Gibt es in den USA kein Trennungsjahr? Von einem Härtefall kann bei den beiden ja nun nicht die Rede sein. Ich kann allerdings mit der schnellen, offiziellen Trennung der beiden gut leben. Ich hatte nach Teddys Pflege von Rayna nämlich durchaus die Befürchtung er wolle gegebenenfalls wieder bei ihr einziehen, zumal Deacon, als schon bereit stehender Lebenspartner, erst einmal wieder aus dem Spiel ist.

"I don’t know whether to be offended by your cynicism or flattered by your compliments."

Die Einführung von Jeff als neuen Edgehill-Boss in der letzten Folge war für mich bereits eine wohltuende Bereicherung. Vor allem die Konflikte, die sich durch sein Auftauchen auftaten, können der Serie meines Erachtens nur gut tun. Vor allem die Spannungen zwischen ihm und Rayna werden auch diese Woche fortgeführt. Rayna scheint es tatsächlich darauf anzulegen, dem Label den Rücken zu kehren und fährt fast schon Juliette-like im verbalen Schlagabtausch die Krallen aus. Doch es bleibt nicht nur bei Worten, denn mit Scarletts Auftritt vor den Label-Anteilseignern scheut sich Rayna auch nicht vor einem offenen Angriff (und umgeht ganz nebenbei ihr Stimmproblem), der Jeff sichtlich verärgert hat. Ich bin sehr gespannt, welche Geschütze er im nächsten Schritt auffahren wird. Rayna sollte ihn besser nicht unterschätzen. Mein Kompliment geht hier auch an Oliver Hudson, der den smarten, aber auch zielstrebigen Plattenboss glänzend verkörpert und zu einem guten Gegenspieler aufbaut, der schon bei seinen ersten Auftritten viele Facetten zeigen darf und damit nicht so eindimensional böse wie einst Lamar eingeführt wird.

Überraschende Unterstützung bekommt Rayna außerdem von Liam. Das Wiedersehen mit ihm freute mich zunächst einmal ganz besonders. Ich mochte den Charakter schon in Staffel eins sehr gerne, insbesondere seine platonische, von einer tollen Chemie geprägte Freundschaft mit Rayna und seine vielen, kleinen verbalen Spitzen gegen Juliette. Was zunächst noch sehr distanziert wirkte, aber nach seinem letzten Aufeinandertreffen mit Rayna auch nicht wirklich verwunderte, war aber schnell wie weggeblasen und die beiden verstanden sich wie eh und je. Leider Gottes haben es die Autoren aber nicht bei diesem platonischen Status belassen wollen und die beiden landen doch noch im Bett. Grundsätzlich mag das, ausgehend von Raynas derzeitiger Situation, auch mehr Sinn ergeben, als es in Staffel eins der Fall gewesen wäre. Sie ist gerade frisch geschieden und nach dem Unfall ist an eine Beziehung zu Deacon auch nicht zu denken. Rayna ist also durchaus frei für einen neuen Mann, aber muss es denn ausgerechnet Liam sein? Ich kann nur hoffen, dass beide die Sache locker nehmen und die schöne Freundschaft der beiden nicht zerstört wird.

"The sad thing is, it’s your choice. You chose to live this way, unattached, unavailable, no commitment to anyone or anything but yourself."

Und wo wir gerade bei Freundschaften sind: Juliette setzt auch einmal wieder alles daran, die wenigen, ihr vertrauten Personen zu verstoßen. Während Avery über weite Strecken der ersten Staffel den Unsympathen geben durfte, hat er mit seiner aufkommenden Freundschaft mit Juliette zuletzt doch bei mir punkten können. Und mit seinen mutigen und offenen an Juliette gerichteten Worten hat er da einen wahren und nicht minder wunden Punkt bei ihr getroffen. Den um sie aufgebauten Schutzpanzer kann sie einfach nach wie vor nicht ablegen und übersieht zudem, wie sie mit unbedachten Äußerungen, außen- aber ihr durchaus auch nahestehende Personen verstößt. Es mag ob der noch jungen Freundschaft zwar durchaus etwas vermessen von Avery sein, dass er derart von Juliettes Bemerkung, er würde nur auf ihrer Gehaltsliste stehen, gekränkt und verletzt ist. Schließlich ist er tatsächlich nicht ihr "Boyfriend", was sie aber auch entsprechend anders hätte formulieren können. Andererseits treffen Averys Worte aber auch den Kern der Sache. In einer Freundschaft will man ehrliche Worte hören, auch wenn sie einmal hart sind. Aber hat ihre Freundschaft schon diese Vertrautheitsstufe erreicht? Auf jeden Fall ist sich Juliette nach wie vor nicht bewusst, dass sie Freunde in ihrem Leben braucht und dabei auch lernen muss, anderen zu vertrauen. Leider ist das gegenüber der ersten Staffel auch wieder ein Rückschritt in ihrer persönlichen Entwicklung zu sehen. Ihre Freundschaft zu Deacon hatte sie durchaus gefestigt und auch ihre Assistentin Emily, die übrigens auch keine Erwähnung mehr findet, ist hier zu nennen. Nun ist die alte Juliette wieder zum Vorschein gekommen und sie nimmt sich, was sie bekommen kann und will. Ein Fortschritt wäre es dagegen gewesen, wenn sie ihrem Auftraggeber am Ende die Tür vor der Nase geschlossen hätte. Man hatte es schon die Folge über kommen sehen, traute sich aber leider nicht, Juliette diesen Weg gehen zu lassen. Ich hoffe aber, dass es eine einmalige Sache mit dem Ehemann bleiben wird und man sich lieber wieder auf sie und Avery konzentriert.

"The only way you have gonna cope with being a father is for you to deal with what yours did to you."

Nach den starken Szenen von Scarlett und Deacon in der letzten Folge, kann Deacon dieses Mal auch allein überzeugen. Wobei der Ruhm eigentlich Charles Esten zuteil werden muss, der es mit seinem mitreißenden Schauspiel vor allem in der Szene bei den Anonymen Alkoholikern wirklich versteht, einen vom Leben gezeichneten und gebrochenen Mann zu zeigen. Allerdings ist es mir immer etwas zu einfach, wenn man für das Verhalten eine entsprechende Parallele aus der eigenen Vergangenheit präsentiert bekommt. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, dass wir bislang, abgesehen von Scarlett, etwas aus Deacons familiären Umfeld wussten. Und trotzdem bringt uns dieser Hintergrund eine nachvollziehbare Erklärung für sein Verhalten sowie seine Selbstgeiselung. Wer will schon selbst so werden wie der eigenen Vater, der Mutter und Kinder schlägt. Diese Erkenntnis mag allerdings ein wenig spät kommen. Aber was Rayna schon früher nicht verhindern konnte, schafft jetzt vielleicht, ohne deren eigenes Wissen, Maddie. Ein Verantwortungsgefühl für die eigene Tochter bietet erneut die Gelegenheit, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und sich dabei auch helfen zu lassen. Der Gang zum Arzt wegen seiner Hand ist da bereits der richtige Schritt.

Bei seinem Treffen mit Teddy hatte es sich Deacon zuvor vielleicht noch etwas zu einfach gemacht. Aber die Einsicht kam ja dann noch im Verlauf der Epiosde. Und auch bei Teddy führte das Gespräch zu einer Änderung seiner Einstellung in Bezug auf Peggy und sein vermeintlich ungeborenes Kind. Ich bin allerdings weder ein Freund von Peggy, noch von deren Handlungsfaden mit der Scheinschwangerschaft. Es ehrt Teddy, dass er dem Kind und auch der Mutter beistehen will. Allerdings verfällt er damit auch in sein altes Verhaltensmuster, dass er einst schon bei Rayna verfolgte. Muss es denn zwangsweise zu einer Beziehung mit Peggy kommen? Die ganze Geschichte wird ohnehin bald auffliegen und Peggy wird damit sowieso keine Sympathien mehr einheimsen können. Ich kann nur auf ein schnelles Ende dieser Handlung hoffen, die mich schon jetzt anödet.

Ganz nebenbei verabschiedet man sich auch von Coleman. Dabei gibt man sich leider nicht allzu viel Mühe, da lediglich von einem Umzug und einem neuen Job gesprochen wird, ohne nähere Details zum Ort und der Tätigkeit an sich zu nennen. Das finde ich doch sehr schade und wird dem Charakter nicht gerecht, der in Staffel eins vor allem als Sponsor von Deacon und auch als Akteur in der Politikhandlung eine nicht unentscheidende Rolle spielte. Nachdem man im Staffelauftakt bereits Lamar in eine familiäre Geschichte eingebunden hat, wird damit wohl das Thema “Politik” in “Nashville” tatsächlich komplett ad acta gelegt. Das war längst überfällig und kann ich nur begrüßen.

"I know a good song when I hear it. I know when somebody’s getting in their own way, too."

Was Wills Aussage und sein Verhalten angeht, bin ich noch etwas zwiegespalten. Es ehrt ihn natürlich, dass er einem Freund helfen will. Indem er jedoch, trotz Gunnars Ablehnung, dessen Song bei seinem Auftritt zum Besten gibt, bricht er auch das Vertrauen. Will macht es sich insgesamt zu einfach. Ihm sind zuletzt die Chancen und der Erfolg nur so zugeflogen und auch grundsätzlich scheint er ein Charakter zu sein, der spontan handelt, sein Leben genießt, keine Probleme sieht oder diese einfach verleugnet. Wills gut gemeinte Absichten bewirken aber bei Gunnar nur das Gegenteil. Er fühlt sich nicht verstanden, ausgenutzt und dem Musikbusiness, wie es Will und Scarlett derzeit erleben, nicht mehr zugehörig. Zoey als Außenstehende scheint das zu erkennen und könnte für Gunnar eine Stütze werden. Allerdings würde ich mir dann auch wünschen, dass man bei Zoey dringend ein wenig Charakterarbeit leistet. Bislang in allen drei neuen Episoden vertreten, weiß man noch so gut wie nichts über sie, geschweige denn, dass man einen bleibenden Eindruck von ihr gewinnen konnte. Auf jeden Fall hat der gerade mal zwei Folgen mitspielende Jeff schon jetzt mehr Spuren hinterlassen und eine ausgereiftere Figurenzeichnung erhalten.

Was mir nach wie vor auch suspekt ist, ist die sexuelle Orientierung von Will. Spielt man hier mit Absicht mit einer Bisexualität? Immerhin flirtet er doch recht eindeutig mit Zoey und umgibt sich auch sonst gerne mit Frauen. Das hatte ich bislang noch als Verleugnung abgetan. Jetzt bin ich mir inzwischen aber nicht mehr ganz sicher, ob er wirklich nur ein Coming Out-Problem hat. Auf jeden Fall bewegt sich Will für mich inzwischen an der Grenze zur Sympathie. Sein oftmals unbedachtes, draufgängerisches Sonnyboy-Verhalten gepaart mit der vermutlichen Leugnung seiner Sexualität lassen ihn leider oberflächlich wirken, obwohl sein Charakter vom Grundsatz recht vielschichtig angelegt scheint. Doch um mit ihm zu fühlen, muss man auch mit ihm sympathisieren können und dafür fehlt mir aktuell eine persönlichere und gegebenenfalls auch verletzliche Seite.

Bei Scarlett bin ich übrigens gespannt, wie sie mit der erhöhten Aufmerksamkeit dauerhaft zu recht kommen wird. Das verordnete Styling scheint ihr durchaus Unbehagen zu bereiten.

Auch die Songs der Woche konnten mich dieses Mal nicht besonders überzeugen. Country-Anklänge findet man in den recht poplastigen Stücken nur noch selten, so dass mir der Kern der Serie über das Country Music Business in der Stadt des Country, Nashville, leider etwas abhanden kommt. Da sollten die Musikproduzenten meines Erachtens zukünftig mehr darauf achten.

Fazit

Mit dem schwelenden Konflikt um Rayna und den neuen Plattenboss Jeff entspinnt sich derzeit ein interessanter Handlungsbogen, der Lust auf mehr macht. Die unerwartete Rückkehr von Liam sorgte bei mir allerdings nicht nur für Freude. Starke Szenen gab es erneut von Charles Esten, auch wenn der Einblick in seine Vergangenheit auf mich etwas zu konstruiert wirkte. Bei Juliette hat die Charakterentwicklung derzeit den Rückwärtsgang eingelegt, was sich leider zu Ungunsten ihrer doch recht interessanten Freundschaft zu dem mich positiv überraschenden Avery auswirkt. Die Figurenzeichnung von Will würde ich mir doch etwas vielschichtiger wünschen, denn sein Charakter und seine Handlungsbögen versprechen durchaus reizvoll zu werden. Das kann ich wiederum von der zum Scheitern verurteilten Scheinschwangerschaft von Peggy nicht behaupten. Mit den nur mittelmäßigen und kaum Country-Charme versprühenden Songs bleibt dies insgesamt, nach dem Aufschwung letzte Woche, wieder nur eine mittelmäßige Episode.

Jan H. - myfanbase

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