Bewertung

Review: #2.08 Schuldig wie die Sünde

Foto: Jon Bernthal, Marvel's Daredevil - Copyright: Marvel Television and ABC Studios
Jon Bernthal, Marvel's Daredevil
© Marvel Television and ABC Studios

Die zweite Staffel von "Daredevil" ist bisher auf inhaltlicher Ebene eine recht konsequente Fortsetzung der ersten Season der Serie, kann aber dennoch thematisch und qualitativ nicht mit dieser mithalten. Damals ging es für Matt Murdock darum, seine zweite Existenz als verbrechensbekämpfenden Superhelden anzunehmen und sich selbst mit den daraus resultierenden moralischen Dilemmas auseinanderzusetzen. Das hat er auch immer wieder getan und wie man dies für die Zuschauer transportierte, war einerseits schlüssig aber auch unterhaltsam. Es gab die Auseinandersetzung mit seinem vom katholischen Glauben geprägten Verständnis von Schuld und Sühne, meist symbolisiert durch Matts Gespräche mit Pater Lantom. Dann gab es die Frage der Verantwortung die Matt den Menschen gegenüber hat, die ihm nahestehen und die ihm vertrauen. Episode #1.10 Nelson und Murdock, in der Foggy von Matts geheimem Leben erfährt ist die beste Folge der ersten Staffel, denn über die langsame Reaktion von Matts Freund auf das Ausmaß der Dinge, die der ihm die ganze Zeit verschwiegen hat, konnte man als Zuschauer großartig an diesem Konflikt teilhaben. Und dann war da noch Claire, die in ihrer Reaktion auf Matts Taten und die Konsequenzen daraus, das ambivalente Verhältnis der Gemeinde von Hell's Kitchen, sozusagen die Zivilgesellschaft die keine (zunächst) keine persönliche Verbindung zu Matt hat symbolisiert. All diese Konflikte wurden ausführlich beleuchtet und trugen dazu bei, dass die erste Staffel nicht nur Action und Spektakel war. Dazu kam noch der Fokus, den Wilson Fisk als zentraler Antagonist der Season verlieh, der im Bedeutungsgefüge der Serie fast ebenbürtig zu Matts Heldengeschichte war.

Staffel zwei schafft es nun leider nicht, diesen straffen Fokus zu erzeugen und ich erwische mich leider immer wieder dabei, dass ich anfange all die Kleinigkeiten auseinanderzunehmen, die mich an den einzelnen Folgen stören. Nun erwarte ich von einer Comic-Verfilmung über einen blinden Superhelden mit übernatürlichen Sinneskräften nun keinen puren Realismus, aber es ist doch immer ein ganz schlechtes Zeichen, wenn man als Zuschauerin noch während des Schauens anfängt, Ungereimtheiten zusammenzuzählen. Das ist meist ein Indiz dafür, dass das große Ganze nicht funktioniert und es der Serie nicht gelingt, einen derart in die Story zu verwickeln, dass einem solche Details und Nachlässigkeiten frühestens im Nachgang, und manchmal auch erst, wenn man durch andere darauf hingewiesen wird, auffallen. Und wenn eine Serie dann richtig mitreißend ist, bin ich in dem Fall auch gerne bereit, über gewisse Ungereimtheiten hinwegzusehen. In Staffel 1 von "Daredevil" war auch so einiges an den Haaren herbeigezogen, auch "Jessica Jones" darf man nicht unbedingt mit der Lupe nach Realismus durchleuchten. Aber die beiden Staffeln schafften es, einen emotionalen Sog auszuüben, der diese kleinen Fehler überdecken konnte.

Dies ist nun eine lange Vorrede, um zu erklären, warum ich bei einer Serie über blinde Superhelden, unsterbliche Ninjas und überlebensgroße Gangsterfiguren angefangen habe, während der Gerichtsszenen das vollkommen unrealistische Verhalten der Anwälte und Richter zu bemängeln. Ich weiß, dass das eigentlich keine Rolle spielen sollte, aber es hat mich einfach gestört. Wie kann es sein, dass Foggy von der Aussage des Colonels im Zeugenstand überrascht wird, hat er diesen nicht zuvor auf seine Aussage vorbereitet? Ich kann ja noch mitgehen, dass die Staatsanwältin die Zusammenhänge nicht kannte, aber immer diese Unsicherheit von Foggy und Karen, was vor Gericht passieren wird, hat mir einfach sauer aufgestoßen. Ebenso dass Matt offenbar von der Sache komplett isoliert ist, aber dann Frank im Zeugenstand befragt… ohne Vorbereitung… ohne konkrete Absprache mit seinen Kollegen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Richterin normalerweise weder Matt noch Frank erlaubt hätte, derart lange Monologe vorzutragen. Um es kurz zu sagen, ich konnte bei allen Gerichtszenen mein Augenrollen kaum unterdrücken. Natürlich handelt es sich hier nicht um eine realistische Anwaltsserie, und ich glaube auch, dass mich die Sache nicht so sehr stören würde, wenn ich an anderer Stelle mitgerissen wäre. Aber so wie es momentan läuft, fällt es mir schwer die ganze Sache ernst zu nehmen.

Und trotz dieser Probleme war dann aber Franks Ausbruch im Zeugenstand der einzige mitreißende Augenblick dieser Episode, vor allem weil er so wenig vorhersehbar war. Dazu kam, dass Frank eben das so simple Motiv der Entschuldigung seiner Taten damit komplett abgelehnt hat. Dass die Rechtfertigung von Franks Morden, die man seit der vierten Folge der Serie immer wieder vorbringt, für mich nicht greift, habe ich da ja schon ausführlich betrachtet. Mittlerweile versucht man der Sache über die medizinische Erklärung seines gestörten Empfindens, dass darin mündet dass er sich immer im Zustand des unmittelbaren Schockzustand nach dem Mord an seiner Familie befindet, noch eine weitere Dimension (aber eben auch Entschuldigung) zu verleihen. Dass Frank diese Absolution von seiner Schuld aber komplett zurückweist, ist das erste Mal seit langem, das ich die Figur des Punishers wieder interessant finde. Was ich nun aber davon halten soll, dass er nun mit Wilson Fisk zusammengeführt wurde, weiß ich noch nicht, wobei ich den Überraschungsmoment hier am Ende der Episode, der wahrlich aus dem Nichts kann, aber doch sehr zu schätzen weiß.

Apropos Schuld, am Beginn der Staffel fand ich ja Matts Standpunkt zum Thema Töten der Gegenseite noch ganz interessant und die Gegenüberstellung mit Frank und dann Elekra auch noch spannend. Aber nachdem sich dieses Szenario nun bis hierhin gezogen hat und man als Zuschauerin da auch noch deutlicher darüber nachdenken konnte, kann ich es nicht mehr hören. Einerseits, weil es einfach anstrengend ist, dass Matt sich nicht mit seiner eigenen Moralvorstellung auseinandersetzt, sondern sich mittlerweile offenbar dieser komplett sicher ist und sie oberlehrerhaft auf andere überträgt. Andererseits, weil seine Aussage "Ich töte niemals" komplette Heuchelei ist. Dass nach den diversen Zusammenstößen mit Matt noch keiner der Verbrecher tot war, ist pures Glück. Matt hat einen Mann von einem Dach geworfen, er drischt immer wieder mit brutalster Gewalt auf die Köpfe seiner Gegner ein, gerne knallt er diese auch mit dem Kopf gegen Wände oder den Boden. So wie Matt kämpft, hat er mehr als genügend Gegner gelähmt oder mit einer geistigen Behinderung versehen. Natürlich ist ein Mord, wie ihn hier Elektra am Ende der Folge vornimmt kaltblütiger und spektakulärer. Aber das befreit Matt nicht von seiner eigenen Schuld und Verantwortung.

Elektras finaler Akt ist aber nur die Spitze des Eisbergs in dieser Episode, denn wie wir nun erfahren, ist sie nicht nur eine leicht durchgeknallte Millionenerbin mit fragwürdigen Vorstellungen von richtig und falsch, sie gehört auch zu einem magischen Orden, der einen Jahrhunderte alten Krieg gegen unsterbliche Ninjas führt. Ooookay, mal ganz abgesehen von der fragwürdigen Darstellung von namens- und gesichtlosen Japanern als Big Bads, finde ich diese Story bisher doch arg an den Haaren herbeigezogen. Wenn nun der Kampf um Hell's Kicthen nur ein winziger Aspekt in einem globalen und uralten Krieg zweier vollkommen unbekannter Mächte ist, macht das die Handlung ja nun nicht gerade persönlicher und für unsere Figuren bedeutender. Ich bin da bisher jedenfalls arg skeptisch und weder Stick noch Elektra konnten bei mir gespannte Erwartungen erzeugen.

Cindy Scholz - myFanbase

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